Museum als Musterbeispiel für zirkuläres Bauen

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Eine zirkuläre Bauweise reduziert den CO2-Ausstoß und somit auch die Klimaerhitzung. Das Museum „Primeo Energie Kosmos“ bei Basel ist im Rahmen des baurechtlich Möglichen ein aktuelles Musterbeispiel für zirkuläres Bauen.

Historisch betrachtet war es immer nötig und sinnvoll, Bauweisen neuen Anforderungen anzupassen. Und aktuell ist dies dringlicher denn je. So sollten wir Baustoffe länger nutzen, eine der Grundforderungen der Baubiologie. 

Mit dem Ziel der Kreislaufwirtschaft gibt es zunehmend Gebäude, die konsequent wurden. Kreislauffähig zu bauen ist DAS zukünftige Thema und bedeutet, hochwertig und von dauerhafter Qualität, sortenreine und unbehandelte Baustoffe in Kaskaden immer wieder zu verwenden. Das vermeidet zudem auch Schadstoffe und Umweltverschmutzung, wie es die Baubiologie fordert. 

75 Prozent wiederverwendete Bauteile

Auch der Energielieferant Primeo Energie, der sich für Nachhaltigkeit engagiert, hat 2022 ein Science- und Erlebnis-Center mit Ziel Kreislaufgerechtigkeit eröffnet. Der „Primeo Energie Kosmos“, geplant von der Rapp AG, ist vorwiegend zirkulär – mit ausgedienten Hochspannungsmasten, ehemaligen Bootshausdielen und ausrangierten Waschbecken. Mehr als zwei Drittel seiner Bauteile sind wiederverwendet, recycelt oder aus nachwachsenden Rohstoffen und stammen, wann immer möglich, aus der Region, um graue Energie zu vermeiden. Wenn Re-Use aus statischen, juristischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht möglich war, so sollte das neue Material selbst wiederverwertbar sein, damit es in der Zukunft dem Kreislauf zugeführt werden kann. Ein recyceltes Gebäude, das selbst wieder recycelbar sein wird, war das erklärte Ziel.

1 Beim Erweiterungsbau für den Primeo Energie Kosmos wurden möglichst viele recycelte Bauteile und ökologisch verträgliche Baustoffe eingesetzt
2 Die Außenfassade besteht aus alten Profilen von Strommasten, die ein Geländer bilden
3 Die Fassade ist mit aussortierten Platten aus dem Verschnitt anderer Baustellen verkleidet
4 Die Strommasten dienen auch als Rankgerüst. Die Pflanzen sollen in Zukunft einen saisonalen Sonnenschutz bilden
5 Detail der handwerklich aufbereiteten Masten

Wissen über Klima und Energie

Primeo Energie Kosmos ist ein Museum für Bildung und Wissensvermittlung, in dem Interessierte wie Schülerinnen und Schüler aller Altersklassen die Themen Klima und Energie interaktiv erleben können. Auf zwei Stockwerken gibt es Experimentierstationen rund um Phänomene zu Klima und Energie. Anlässlich des 125-jährigen-Jubiläums der EBM (Genossenschaft Elektra Birseck Münchenstein) wurde das bereits bestehende Elektrizitätsmuseum saniert, mit dem Neubau ergänzt und 2022 eröffnet. Im sanierten und modernisierten Altbau und im Neubau ist erlebbar, was der Klimawandel bedeutet und dass eine Energiewende nötig ist.

Reiner Holzbau

Das dreigeschossige Zentralgebäude ist ein reiner Holz-Skelettbau mit Spannweiten von rund sieben Metern. Die Konstruktion des roh belassenen und unverkleideten Massivholzes aus der Region ist im Innern sichtbar. Im zweigeschossigen Luftraum führt eine Spindeltreppe aus Stahl empor. Für den Treppenbelag wurde Restholz der eigenen provisorischen Bautreppe wiederverwendet. Die Holzdielen in den Obergeschossen stammen zur Hälfte aus einem Bootshaus von 1911 in Kaiseraugst. Andere alte Bauteile im Innenausbau kommen aus der Bauteilbörse in Klybeck (Basel), so auch eine komplette Küche. Alle Nassräume sind fast ausschließlich mit ausrangierten Elementen wie Waschbecken, Trennwänden oder Armaturen eingerichtet, und die Fliesen stammen aus Restposten bzw. aus aussortierten Produktionen. Das gesamte Beleuchtungskonzept basiert auf Leuchten aus Abrissobjekten. Dafür wurden die Leuchten teilweise repariert und mit LED-Leuchtmitteln versehen. 

Handwerk bereitet Schrott auf

Auch die Fassade des Holzbaus ist aus Restmaterial einer anderen Baustelle, einer großen Wohnsiedlung im Raum Luzern; der Verschnitt der eigentlich unökologischen Platten war günstig zu bekommen, bestand aber aus unterschiedlich großen Teilen, was einen Mehraufwand bei der Planung und Montage sowie ästhetische Kompromisse erforderte.

Eine zentrale Rolle spielen die 60 Jahre alten Hochspannungs-Gittermasten, die dem Netzbetreiber Swissgrid als Schrottmaterial abgekauft wurden. Anstatt eingeschmolzen zu werden, ummanteln sie jetzt die Laubengänge rund um den hölzernen Kubus. Ursprünglich sollten die gebrauchten Masten tragend eingesetzt werden, doch da die außenliegenden Gänge auch als Fluchtweg dienen, ließen die Baubestimmungen dies nicht zu. So bilden die ästhetisch zunächst gewöhnungsbedürftigen ehemaligen Strommasten jetzt ein Rankgerüst für Kletterpflanzen – optimal für die saisonale Verschattung. Die unbeheizte Erschließungszone reduziert das Innenvolumen.

6 Blick vom Erdgeschoss in den Galeriebereich
7 Mittlerer Pfeiler der Holzkonstruktion
8 Erstes Obergeschoss mit der Kombination von Alt und Neu 
9 Die Holzdielen im Obergeschoss stammen zur Hälfte aus einem nahen Bootshaus aus dem Jahr 1911

Neuer Planungsprozess

Der Planungsprozess wird bei dieser Bauweise quasi umgekehrt: er orientiert sich an den vorhandenen Bauteilen und passt sich entsprechend an. Die Mehrkosten für die Planung und die notwendige qualifizierte handwerkliche Arbeit beim Aus-, Um- und Einbau werden durch die geringeren Materialkosten wieder ausgeglichen. Es findet also, obwohl die Baukosten unter dem Strich mit einem konventionellen Neubau vergleichbar sind, eine Verlagerung der Wertschöpfung statt: Hin zum Handwerk und zu einer neuen Rolle der Architekt*innen. Dabei kann das traditionelle zirkuläre Bauen durch digitale Prozesse einfacher und effizienter werden und es können möglichst viele Teile im Kreislauf bleiben.

10 Wendeltreppe im ersten Obergeschoss
11 Holz prägt den Raum zur Bildung und Vermittlung
12 Die Küche kommt aus einer Bauteilbörse in der Nähe
13 Toilette mit Trennwänden aus 100-jährigen Türen, Wand- und Bodenplatten aus Restbeständen anderer Baustellen sowie wiederverwendete Beleuchtung und Geräte
14 Anschauliche Zeichnung mit Erklärungen zu den Bauteilen

Ästhetik mit Patina

Der Primeo Energie Kosmos ist ein interessantes Museum eines nachhaltigen Auftraggebers mit einer soliden Minimierung der grauen Energie. Dabei formuliert er auch eine neue Ästhetik, welche die minimalistische Architektur-Ästhetik hinter sich lässt. Denn mit den gebrauchten Materialien wird auch eine Patina eingebaut, die es sonst erst nach Jahren gibt – wenn überhaupt. Insgesamt wurden allerdings relativ wenig recycelte Materialien auch konstruktiv eingesetzt. So wurden die alten Strommasten zu einem ornamentalen Dekor downgecyelt. Konsequenter sind da etwa Projekte der Basler Planer*innen „baubüro in situ“ wie der ZERO Waste Umbau Transa in Zürich und von ZRS Architekten Ingenieure aus Berlin, die erfolgreich mit Holz und Lehm bauen. So waren sie etwa am Circular House in Berlin beteiligt. Mit der Redaktion der Zeitschrift „Spiegel“ sprach Eike Roswag von ZRS schon 2019 darüber, dass Altholz ein Baumaterial der Zukunft ist.

Damit solche Projekte vermehrt gebaut werden können, ist der Primeo Energy Kosmos Teil einer Studie des Schweizer Bundesamts für Energie (BFE). Dieses analysiert, wie groß die wirtschaftlichen und nachhaltigen Auswirkungen einer Kreislaufwirtschaft auf den gesamten Lebenszyklus von Bauprojekten tatsächlich sind.

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Quellenangaben und/oder Fußnoten:

Titelbild & Abbildungen 1–13: Beat Ernst, Basel
Abbildung 14: Rapp AG

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