Von der Scheune zum Wohnhaus

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Mit traditionellen Lehmtechniken zum modernen Haus: Der Ursprungszustand der Scheune sollte mit Feingefühl wieder hergestellt und eine Nutzung als moderner Wohnraum ermöglicht werden.

Die Scheune steht in einem klassischen wendländischen Rundlingsdorf. In einem Rundling stehen die Gehöfte mit dem Giebel um einen runden Dorfplatz herum. Die Grundstücke sind tortenstückförmig, hinübergehend in Feld und Wald. Die Scheune steht im hinteren, breiteren Teil des Grundstücks. Sie diente lange Zeit als Landmaschinenunterstand. Hierfür wurden teilweise rabiate Einschnitte in die Bausubstanz unternommen. Nach dem Kauf durch die Bauherren sollte der Ursprungszustand mit Feingefühl wieder hergestellt und eine Nutzung als moderner Wohnraum ermöglicht werden.

Bestand und Arbeiten am Rohbau

Die bestehenden Außen- und teilweise auch Innenwände sind aus Lehm auf Weidengeflecht. Ihr Zustand unterscheidet sich je nach bisheriger Nutzung, Pflege und Bewitterung. Die Gefache der wettergeschützten Außenwand und der Innenwände sind auch nach langer Zeit in einem stabilen und guten Zustand, sodass zur Sanierung lediglich ein neuer Oberputz erforderlich ist. Hier war sehr schön zu sehen, wie der Lehm das Holz der Staken, Weidenruten und Balken geschützt hat.

An anderen Stellen, wo der Lehm z. B. aufgrund von Nutzungsänderungen entfernt wurde, musste das Lehm-Weidengeflecht ausgebaut werden.

Nachdem die Zimmerleute Balken gewechselt, Tür- und Fensteröffnungen neu eingebaut oder den Ursprungszustand durch Neueinbau von Balken wieder hergestellt hatten, konnte der Wiederaufbau der Gefache beginnen.

Klassischer Lehmbau

Das neue Weidengeflecht führten wir nach dem Vorbild des alten Geflechts mit runden, ungespaltenen und an den Enden angeschrägten Weidenruten aus. Für die bis zu 2,5 m breiten Gefache war es schwierig, genügend geeignete Weiden zu finden, denn diese müssen auf der gesamten Länge etwa gleich dick sein, damit ein homogener und stabiler Aufbau gelingt. Eine Besonderheit waren die Dreiecksgefache am Giebel oder neben den Streben. Je kleiner die Dreiecke waren, umso verzwickter war der Einbau der Ruten. Vor dem Verputzen wurde den Weiden etwa zwei Wochen Zeit gegeben, innere Spannungen abzubauen und ein wenig zu trocknen.

Den ersten Putz auf dem Geflecht brachten wir von außen mit der Hand an. Dafür mischten wir auf der Baustelle Lehm aus der Region mit Stroh und Strohhäckseln. Als Stroh verwendeten wir Weizenstroh, das vorher bereits als Einstreu im Pferdestall diente. So war das Stroh mit feinen Pferdehaaren und wenig Pferdemist versetzt. Besonders die langen Pferdehaare ergaben eine faszinierende Festigkeit. Wenn zu wenige kurze Strohhalme enthalten waren, mischten wir Leinenstreuhäcksel bei.

Solche Mischungen sind nicht maschinengängig und selbst Putzkellen führen zu geschwollenen Handgelenken. Der Einbau der Mischungen erfolgte also direkt mit den Händen, was aber viel Spaß macht.

Nach dem Antrocknen dieser ersten Putzlage brachten wir innen Lehm-Unterputz in einer oder bei Bedarf auch in zwei Schichten auf. Durch das Zumischen von Leinenstreu kann eine Schicht bis zu 5 cm dick sein. Wind und Frühlingssonne sorgten für eine sehr schnelle Trocknung. Durch die feine langfaserige Form des Leinen ist dieser Lehm-Unterputz auch bei gro.en Mengen von beigemischtem Leinenstreu maschinengängig.

1 Ursprungszustand vor dem Beginn der Zimmer- und Lehmarbeiten
2 Der Unterputz außen: Oben ist der Ursprungszustand, unten ist schon Unterputz aufgebracht
3 Ein mit einer Lage Lehm versehenes Gefach
4 Aufbringen des Oberputzes außen
5 Reet-Putzträger auf Innendämmung aus Hanf-Leichtlehm

Unterputz im Außenbereich

Den Lehm-Unterputz stellten wir mit Lehm aus der Region, Strohhäckseln und Pferdemist (der teilweise auch mit langem Stroh versetzt war) und einem gebrochenen Gestein mit 3 mm Körnung her. Damit diese Mischung besser zu verarbeiten ist, hatten wir sie vorher zwei bis drei Wochen sumpfen lassen. Die Strohfasern waren während dieser Zeit sehr weich geworden. Das Gesteinsmehl soll durch seine scharfe Form zur Festigkeit und Langlebigkeit beitragen. Sollte es eines Tage zum Auswaschen des Putzes kommen, kann das Wasser auf den Spitzen des scharfen Korns abtropfen und auf diese Weise das weitere Auswaschen des Putzes verlangsamen.

Oberputz im Außenbereich

Gleichzeitig mit dem Einbau der Unterkonstruktionen für die Leichtlehm-Innendämmung führten wir außen den Oberputz aus. Im Vergleich zum Unterputz wurde lediglich die Menge an Pferdemist verringert. Diese Mischung hatten wir 4–5 Wochen unter Luftabschluss nass angemischt fermentieren lassen. Die Farbe wechselte dadurch ins Grünliche und die Klebekraft nahm deutlich zu. Für das Verarbeiten mischten wir dem Putz Wasser und einen Schuss rohes Leinöl bei. Rohes Leinöl bleibt sehr flexibel, festigt den Putz und erleichtert den Endanstrich mit der Leinölfarbe. Diese Mischung wurde sehr klebrig und ließ sich sehr gut verarbeiten. Vor dem Aufziehen des Oberputzes hatten wir die Flanken der Balken mit rohem Leinöl grundiert. Die Flankenhaftung des Putzes wird so etwas flexibler, ist aber stabil genug, geringe Bewegungen des Gebäudes zu tolerieren. Nach dem Aufziehen glätteten wir die Flächen und verdichteten sie in drei Schritten mit kleinen Kellen.

7 Helle Lehmfarbe innen
8 Der neue Hauseingang
9 Die fertige Giebelseite

Außenanstrich auf Lehm mit Leinölfarbe

Die stark geglätteten Flächen wurden als Wetterschutz zweilagig mit Leinölfarbe gestrichen. Im Gegensatz zu einer Kalk- oder Silikatfarbe bleibt die Leinölfarbe flexibler. Der Anstrich ist weiterhin diffusionsoffen. Der Farbton wurde nach Kundenwunsch und NCS-Farbkarte individuell angemischt. Die zähe Leinölfarbe wurde direkt vor dem Verarbeiten leicht erwärmt und auf sonnengewärmten Flächen mit dem Pinsel einmassiert. Der Farbauftrag musste sehr gleichmäßig erfolgen und erforderte viel Muskelkraft. Die Oberfläche hat einen leichten Glanz, der sich im Laufe der Zeit verliert.

Die Festigkeit dieses Oberputzes zeigte sich an einer Musterfläche. Für die Farbentscheidung wurden zwei Muster auf einer fertigen Wand gestrichen. Vor dem Endanstrich sollten diese wieder entfernt werden. Mit einem scharfzahnigen Raspelbrett funktionierte das nicht, wir mussten zum Hammer greifen!

Nach der ersten Heizperiode konnten wir keinerlei Risse oder Fehlstellen feststellen.

Innendämmung mit Leichtlehm

Die raumseitige Dämmung der Außenwände wurde mit einem Hanf-Leichtlehm ausgeführt. Dieser trocken geliefert Leichtlehm wurde von uns hinter einem Reet-Putzträger in 10 cm dicken Lagen eingefüllt, leicht verdichtet und angefeuchtet. Durch den geringen Wassereintrag von nur etwa 4 Liter pro Sack konnte die fertig gedämmte Wand nahezu direkt verputzt werden.

Aufgrund der Höhenunterschiede von Fachwerkbalken und Gefachen wurden die Dämmstärken zwischen 20 und 14 cm variiert, die mittlere Dämmstärke beträgt 16 cm. Alle Balken sind direkt mit Leichtlehm ummantelt. Dadurch wird das Holz dauerhaft gegen Feuchtigkeit und somit vor weiteren Schäden geschützt. Durch den sehr fetten Lehm im Leichtlehm klebt dieser sehr stark. Besonders wichtig war mir der Anschluss zwischen Fachwerkbalken und Gefachen. Hier evtl. auftretende Risse ermöglichen v. a. bei Schlagregen das Eindringen von Nässe. Der fette Lehm nimmt dann direkt viel Feuchtigkeit auf und quillt auf, so dass die Fugen zwischen Fachwerkbalken und Gefachen nicht bis in die Dämmschicht reichen und eintretende Feuchtigkeit hauptsächlich im Unterputz bleibt, dort gepuffert wird und später wieder austrocknen kann. Auf diese Weise bleibt die innen angebrachte Wärmedämmung aus Hanf-Leichtlehm trocken.

Innenraumgestaltung

Als Letztes wurde innen ein zweilagiger Lehmputz mit Gewebe aufgetragen und malerfertig abgerieben. Alle Wandflächen wurden mit Lehmfarbe gestrichen. In der Küche wurde im Bereich des sonst klassischen Fliesenspiegels anstelle der Lehmfarbe im gleichen Farbton eine Lehm-Glätte aufgetragen. Diese wurde dreimalig dünn aufgespachtelt, verdichtet und mit Carnaubawachs-Emulsion abriebfest gemacht. Der Farbton ist ein kühles Grau, welches durch Lichtreflexionen von außen sehr wechselhaft wirkt. Wird das Sonnenlicht vom roten Dach des Haupthauses reflektiert, wirkt diese Wandfarbe grau-rosa, bei Kunstlicht eher kühl.

An der kalten Nord-Ost-Ecke des Gebäudes wurde an den Außenwänden raumseitig aus folgenden Gründen eine Wandflächenheizung angebracht: Sie sorgt mit ihrer Strahlungswärme und geringen Heizkosten für ein angenehmes Raumklima und für eine zügige Austrocknung der Wände.

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Quellenangaben und/oder Fußnoten:

Bilder: David Feldbrügge

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