Kleine Kautz-Kate – Großes Glück

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Was braucht es für ein erfülltes Leben? Welche Formen des Zusammenlebens sind möglich? Und wie sollen wir unsere Zukunft nachhaltig gestalten? Unsere Antworten auf all diese Fragen haben ihren Ausdruck im Bau unseres kleinen Hauses auf Rädern gefunden.

Meine Freundin Nora und ich brachen im Frühjahr 2020 zu einem gemeinsamen Abenteuer im Norden Frankreichs auf. Unser Ziel: la Barberie, ein alter familienbetriebener Hof in der normannischen Bocage, ganz im Westen der Normandie. Dort wollen wir unsere Hände in die Erde stecken, wissen wie es sich außerhalb einer städtischen Gemeinschaft lebt, was es heißt, selbst anzubauen und wie es sich anfühlt in einem engeren Bezug zur Natur zu leben. Die Schätze, die wir dort sammeln durften, haben unsere Leben zutiefst bereichert.

Die Auberge Paysanne

Unser Herbergsvater Philippe, aufgewachsen auf la Barberie und Koch aus Leidenschaft, lebte auf dem Hof mit mehreren Generationen zusammen. Es gab Mamie Germain (also die Großmutter), ihren ältesten Sohn Serge, der auf seinem Teil des Hofes u.a. eine Bio-Bäckerei betreibt, und Phillippe, der mit seinen Bereich „Auberge Paysanne“ auf sehr unkonventionelle Weise bewirtschaftet. Er hat den alten Schweinestall mit lokalen und vielen natürlichen Materialien zur Auberge (Herberge) ausgebaut und hat so dem ganzen Ort neues Leben eingehaucht.

Dabei ging es nie darum, etwas zu „erwirtschaften“, sondern den Hof zu beleben. Alles, was wir anbauten, haben wir auch selbst konsumiert. Die Gartenpflege, die wir betrieben haben, war zu unserem eigenen Genuss. Die Bauprojekte mit Holz, Stroh und Lehm waren für die Nutzung aller auf dem Hof. Überall, wo Hand und Herz angelegt wurden, gehörte auch immer die Idee des Teilens und Zusammenwirkens dazu, wodurch viele Menschen von dem Hof angezogen wurden. Somit war die Auberge ein Ort des Austauschs und der Begegnung für alle, die dort lebten und wirkten, eine Schule des Lebens.

Eine der wichtigsten Lektionen, die dort gelebt wurde: Nutze die Ressourcen, die du hast! Diesen Ansatz finde ich so bereichernd, nicht nur, weil es wichtig ist, die Ressourcen dieser Welt zu schonen, sondern, weil er den Blick für das weitet, was um uns herum schon längst da ist und die Kreativität beflügelt.

1 Wie weit darf die Aussicht sein? 1:1 Modell für das Rundfenster
2 Holzrahmenbau aus Fichte: Mit helfenden Händen fügt sich das Puzzle
3 Von innen nach außen: Befestigung der feuchtevariable Dampfbremse mit vorgesetzter Dreischichtplatte. Sie verwandelt ein eckiges in ein rundes Fenster
4 Gut eingepackt: Der Holzrahmenbau wurde mit Schafwolle ausgestopft
5 Eine runde Sache: Montage der Schalung oberhalb der Dachhinterlüftung für das Zinkdach
6 Langsam wird es wohnlich: Blick in Richtung Bad/Schlafebene

Die Vision

Durch das Leben auf dem Hof und die Arbeit mit der Erde, im Rhythmus mit dem Wetter und den Jahreszeiten, haben wir den Wunsch entwickelt, auch unser zukünftiges Leben in dieser Naturverbundenheit zu gestalten. Aus diesem Wunsch heraus ist die Idee eines rollenden Nests, der KautzKate entstanden. Zu diesem Namen: Da wir am Lagerfeuer so gerne den Eulen gelauscht haben, sind uns die Käuze mit der Zeit sehr ans Herz gewachsen. Und als gebürtige Norddeutsche schien uns der Begriff Kate, als Synonym für ein uriges Haus sehr passend.

Auf dem Hof gab es auch zwei Häuser auf Rädern. So konnten wir direkt erleben und ausprobieren, wie sich das Leben auf kleinem INNEN-raum anfühlt. Unser Alltag auf dem Hof hat sich vor allem unter freiem Himmel abgespielt. Wir haben gemerkt, wie wohltuend und befreiend sich das anfühlt. Für die gemeinsamen Essensrunden standen uns außerdem die Gemeinschaftsräume/-orte zur Verfügung: Im Winter die Auberge, im Frühling das Gewächshaus, im Sommer die Terrasse auf dem Teich. Und in unserer kleinen Behausung haben wir immer direkt in den Garten geschaut, so dass wir immer ein Gefühl der Verbundenheit mit der Natur hatten. So wollten wir für immer leben.

Natürlich gab es noch andere Faktoren, die wir in unsere Überlegungen einbezogen haben: der Klimawandel, der Umgang mit Ressourcen, die Verträglichkeit unserer Lebensweisen für unsere Umwelt oder besser “Mitwelt“, das Leben in Gemeinschaft, Suffizienz, Besinnung auf das Wesentliche, Selbstwirksamkeit erleben, Spaß am Handwerk. Auf der Barberie fanden wir die idealen Voraussetzungen. Es gab viel Wissen und Austausch zu Fragen rund um Handwerk und Nachhaltigkeit, eine Holzwerkstatt und eine Rundbogenhalle als überdachter Bauplatz. Zum Ende unseres ersten Jahres haben wir mit der Planung begonnen.

7 Die KautzKate wird flügge: Ihre erste Probefahrt zur Waage
8 Grüner wird’s nicht: Die KautzKate hat ihren ersten Standort gefunden
9 Endlich angekommen: Nach dem Aufbocken und der provisorischen Gestaltung des Eingangsbereichs, muss noch der Schornstein montiert werden
10 Eingebettet: Nach der ersten Saison im Freien hat sich die einst leuchtende Fassade langsam an ihre Umgebung angeglichen
11 Licht von allen Seiten: Durch die vielen Fenster erleben wir ein Spiel von Licht und Farben
12 Detail zum Entdecken: Überdeckung des Blechstoßes in Kautzform

Der Entwurf

Ein Runddach mit weicherer Geometrie entsprach unserer Vorstellung von einem heimeligen Nest und uns gefiel die Anlehnung an die Form der „Roulotte“, wie traditionelle Wohnkutschen in Frankreich genannt werden. Weitere wichtige Aspekte waren für uns eine schöne und verhältnismäßig große Küche, eine freie und großzügig wirkende Bewegungsfläche im Eingangsbereich und die Symbolik, die wir mit einem runden Fenster verbinden. Wir wollten in jedem Fall innerhalb der Vorgaben der Straßenverkehrs-Ordnung StVO (max. Breite 2,55 m, max. Höhe 4 m) und denen der Führerscheinklasse B (≤ 3,5 t) bleiben. Daraus ergaben sich für die praktische Umsetzung neben unserer ersten Prämisse „so ökologisch wie möglich bauen“ folgende zweite: „so leicht wie möglich bauen“.

Konstruktion und Materialwahl

Entsprechend der Prämissen ökologisch und leicht kam für die Grundkonstruktion nur ein Holzrahmenbau in Frage. Um Gewicht zu sparen, haben wir uns für Fichtenholz entschieden. Nur für den Bodenaufbau haben wir wegen der höheren Druckfestigkeit und Feuchtebelastung Douglasie gewählt.

Der französische Markt für ökologische Materialien hinkt dem Angebot in Deutschland oder Österreich um einiges hinterher. Bei vielen Baumärkten oder Holzhändlern, die wir nach unbehandeltem Fichtenholz oder Holzwerkstoffplatten ohne Formaldehyd angefragt haben, schauten wir in fragende Gesichter. Aus einem nahegelegenen Sägewerk konnten wir Douglasie beziehen und kleine verwitterte Eichenschätze aus der „Rumpelkammer“ bergen, die wir später z.B. noch zu tollen Fensterbänken veredeln konnten. Einige Produkte, wie z.B. die dänischen Fenster oder die Schafswolle, mussten wir leider im Ausland bestellen.

Unseren fahrbaren Unterbau holten wir in Holland ab. Wir hatten uns entschieden, das Haus als „Ladung“ zu transportieren, um komplizierte und kostenspielige Zulassungen als Camper zu vermeiden. Dafür muss das Haus als Ganzes, also wie eine ganz normale Ladung, auf einem Anhänger, vom Fahrgestell abnehmbar sein und darf mit diesem nicht dauerhaft verbunden sein.

Beim Rundfenster haben wir getrickst. Es ist eigentlich ein quadratische Dreifach-Isolierverglasung die mit einem runden Ausschnitt auf der Innen- und Außenseite verkleidet wurde – Voila!

Das Ergebnis

Nach einem Jahr intensiver Arbeit sind wir endlich in unser Nest gezogen. Wir können zufrieden sagen, dass wir unseren Traum haben Wirklichkeit werden lassen. Was unsere ökologische Prämisse anbelangt, mussten wir an manchen Stellen leider Abstriche bzw. Kompromisse zugunsten des Gewichts machen. Das betrifft insbesondere das Aluminium-Lochblech zur Belüftung der Bodenplatte und der Einsatz von Klebern zur Fixierung des Auflagers und zusätzlichen Abdichtung von Durchführungen und Fenstern. Inspiriert durch unsere Weiterbildung zum Baubiologen IBN werden wir noch manuelle Freischalter installieren.

13 Alkoven und großzügiger Eingangsbereich
14 Küche und Schranktreppe mit viel Stauraum
15 Unsere kuschelige Schlafkoje
16 Badezimmer mit Wanne und Trockentrenntoilette

Die Lebensrealität

Am Ende ist das Leben auf kleinem Raum zu zweit auch für uns ein Experiment. Wir sehen es vor allem als einen Beitrag, neue Wege auszuprobieren. Angesichts der ökologischen Krise sehe ich das als unumgänglich, wenn wir eine lebenswerte Zukunft für alle Lebewesen gestalten wollen.

Eine Erkenntnis für uns ist, dass das Konzept, auf minimalen Wohnraum zu leben, nur in Kombination mit einem weiten Umfeld gut funktioniert. In der KautzKate können wir von jedem Punkt aus in alle Himmelsrichtungen den Blick nach draußen genießen. Kein normales Wohnhaus kann das bieten. Dadurch schwindet die Trennung zwischen Innen- und Außenraum und gerade im Frühling, wenn die Türen und Fenster offenstehen, fühlt es sich an, als ob das Grün der Wiese in unser Wohnzimmer hereinfließt. Mit einer inneren Grundfläche von 16,5 m² ist die KautzKate ein Raumwunder. Durch Doppelbelegung und Mehrfachnutzung können wir den vorhandenen Raum supereffizient nutzen: Der Alkoven ist gleichzeitig Esstisch, Lümmelcouch, Arbeitsplatz, Stauraum (Sitzbänke + kleines zweites Mezzanin) und Gästebett; die Treppe ist unser Kleiderschrank; der Flur ist gleichzeitig die Küche; im Bad findet eine Badewanne Platz und es wäre auch Raum für eine Waschmaschine (derzeit teilen wir uns diese); und unser Entreé verbindet alle Bereiche und reicht noch zum Yoga praktizieren.

Für die Wärme und das Wohlfühlen sorgt im Winter ein kleiner gusseiserner Ofen, den wir mit Holz befeuern. Wenn im Ofen Feuer brennt, können wir darauf auch kochen. Meistens nutzen wir dazu aber unser Kochfeld mit Gasflasche. Zum Backen haben wir einen Mini-Backofen (230 V). Warmwasser erzeugen wir mit einem elektrischen 50-Liter-Warmwasseraufbereiter im Badezimmer. Dort haben wir auch unsere Trockentrenntoilette installiert, mit einem integrierten Silo für das Trockenstreu. Da wir auf einem bebauten Grundstück stehen, konnten wir uns sowohl an das Strom- als auch (Ab-)Wassernetz anschließen. Weil wir von Anfang an in einer Gemeinschaft leben wollten, haben wir keine komplette Autarkie angestrebt.

Was uns manchmal fehlt, ist ein Rückzugsraum. Die Möglichkeit, die Tür hinter sich zu schließen, um seine Ruhe zu haben, ist bei uns nicht gegeben. Da ich für meine Arbeit häufig unterwegs bin, bekommen wir aber so unseren Ausgleich von Nähe und Distanz.

Die Lage für sich genommen, könnte jedoch nicht schöner sein: Eingebettet in saftiges Grün, behütet von alten Eichen, mit einem weiten Blick über wehende Felder, umspielt von Tieren wie Vögel und Insekten. An die vielen Mücken und die gelegentlichen Ameisenüberfällen mussten brauchten wir uns allerdings erst mal gewöhnen. Alles in allem können wir uns keine andere Wohnform mehr vorstellen, die sinnlicher, belebender und wohltuender für uns wäre.

Baudaten

KautzKate, irgendwo im Grünen

BauherrschaftZwei Käutze
PlanungNora + Manuel
Fertigstellung2023
AußenwändeRotzeder 20 mm (offene Fugen) | Hinterlüftung/Traglattung 20 mm (Douglasie) | Unterspannbahn (diffusionsoffen) | Holzrahmen 100 x 40 mm (Fichte), Schafwolle 100 mm | feuchtevariable Dampfbremse | Dreischichtplatte 13 mm (Fichte)
DachZinkblech (liegender Falz) | Holzschalung | Hinterlüftung/Traglattung 25 mm (Douglasie) | Unterspannbahn (diffusionsoffen) | Holzbögen 150 x 40 mm (Fichte), Schafwolle 150 mm | feuchtevariable Dampfbremse | Flugsperrholz 7 mm
BodenAluminium Lochblech | Unterspannbahn (diffusionsoffen) | Holzrahmen 100 x 40 mm (Douglasie), Schafwolle 100 mm | feuchtevariable Dampfbremse | Dreischichtplatte 20mm (Fichte)
ZwischendeckeHolzbalken 70 x 70 mm (Fichte) | Dreischichtplatte 13 mm (Fichte)
FensterDänische Holzfenster mit Zweifach-Wärmeschutzverglasung | Rundfenster mit Dreifach-Wärmeschutzverglasung
HeizungHolzofen (Eisenguss) mit Kochfeld
Sonstigesabgeschirmte Stromleitungen | formaldehydfreie Dreischichtplatten | Oberflächenbearbeitung mit Sumpfkalkfarbe und Naturölen | Upcycling (Fenster, Innenausbau, Möbel) | Trockentrenntoilette

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Fotos: Nora & Manuel

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