Interview mit Dr. Andrea Obersteiner-Weiss – Biologin und Baubiologische Messtechnikerin IBN

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Andrea Obersteiner-Weiss ist promovierte Biologin, Baubiologische Messtechnikerin IBN und führt zusammen mit ihrem Ehemann ein Fachlabor für Schimmelanalytik. In diesem Interview erzählt sie von ihrem Werdegang und auch davon, was sie an der Baubiologie begeistert.

Dr. Andrea Obersteiner-Weiss

Msc. Biologie, Baubiologische Messtechnikerin IBN Fachlabor für Schimmelanalytik, 83361 Kienberg

Du hast den Doktor der Biologie. Warum wurdest du zudem Baubiologin IBN?

Während meines Biologie-Studiums wusste ich bis zur Mitte meiner Doktorarbeit nicht, wo es mich schlussendlich hin verschlagen würde. Forschung? Industrie? Ich wusste genau, was ich nicht wollte, also Pharma oder irgendwas mit Tierversuchen. Irgendwann war klar, dass auch ein Job in der Forschung mit 3-Jahres-Verträgen und maximaler Flexibilität bezüglich des Arbeitsortes nichts für mich ist. Und Industrie besteht aus gefühlt 90 % Pharmabranche. Also, was bleibt …

Dass ich mich mal selbstständig machen würde, darauf hätte ich nie gewettet. Bis die Baubiologie in mein Leben trat. Ein Kollege schrieb seine Doktorarbeit u. a. über Schimmelpilze im Innenraum und hatte somit zwangsläufig mit einem Baubiologen Kontakt. Ich las mich etwas in das Thema ein, fand den Bezug zum bewussten und gesunden Wohnen spannend, zumal der Schwerpunkt meiner Doktorarbeit auf Schimmelpilze/Bakterien, Allergene und Umweltanalytik lag. In diesem Bereich ließ sich mein Studienwissen auch außerhalb von Forschung und Industrie praktisch anwenden.

1 Entnahme von Materialproben nach Kernbohrung
2 Luftkeimsammler zur Luftprobenahme von Partikeln auf Nährmedien in Petrischalen

Warum hast du den Fernlehrgang Baubiologie IBN absolviert?

Ich meldete mich zu einem Schnuppertag des Institut für Baubiologie + Nachhaltigkeit IBN an. Zunächst nur neugierig auf das Thema, letztlich aber doch entsetzt über die dort erhaltenen Informationen rund um die Vielseitigkeit schlechter Einflüsse in Innenräumen auf die menschliche Gesundheit. Ich erhielt dort u.a. erste Informationen über VOCs, also flüchtige organische Verbindungen, die man im Haushalt ständig einatmet, von langwierigen Asbest- und PCP-Prozessen vor Gericht gegen Baumaterial-Hersteller, von Mieter-Vermieter-Kämpfen und wer letztlich für die Entfernung gesundheitsschädlicher Pilze in Gebäuden aufkommen muss.

Ich fühlte mich beinahe erschlagen von so vielen Problemen und Ungerechtigkeiten. Ehrgeiz und Motivation meinerseits waren gepackt, also meldete ich mich dort gleich für den Fernlehrgang Baubiologie IBN an, Beruhigend war immer zu wissen, dass ich das damit erlernte Wissen letztlich auch für mich selbst brauchen kann (Hauskauf, Hausbau, etc…), sollte ich es doch nicht als Einkommensmöglichkeit nutzen können.

Im Anschluss qualifiziertest du dich dann noch zur Baubiologischen Messtechnikerin IBN. Warum?

Parallel zur Doktorarbeit fing ich an, abends wieder zu lernen und schnell war klar, dass ich die vom IBN angebotene Weiterbildung zur Baubiologischen Messtechnikerin noch dranhängen würde. Zum Thema Schimmel hat sich zwar einiges aus dem bereits vorhandenen Wissen aus meinem Biologie-Studium überschnitten, aber vor allem die auf den Baubereich zugeschnittenen Inhalte waren neu. Kurz nach Abgabe meiner Dissertation hatte ich dann auch die Qualifikation zur den Baubiologischen Messtechnikerin IBN für Schimmel und Schadstoffe in der Tasche.

Wie konntest du dein erworbenes baubiologisches Wissen beruflich nutzen?

Mir standen nun viele Optionen offen und ich habe den Beschluss gefasst, mich als Gutachterin für Baubiologische Belange wie Schimmel und Schadstoffe in Gebäuden kümmern zu wollen. Der Ort für die dafür neu gegründete Firma war schnell ausgemacht, ich wollte in die Nähe meiner Heimat. In der Region bereits vorhandene Mitbewerber sowie Recherchen zum Bedarf an Baubiologie ließ ich komplett links liegen, was sich glücklicherweise nicht negativ auf den Aufbau der Firma auswirkte. Wir zogen also um, ich meldete die Firma an und versuchte herauszufinden, wie man am besten an Aufträge kam. Mit eigener Homepage, etwas Google-Analytics und Facebook (ja wirklich…) kamen dann allmählich die Anfragen und es machte richtig Spaß, mein Studienwissen zusammen mit der baubiologischen Messtechnik anwenden zu können.

3 Kontrolle der Raumtemperatur sowie der relativen und absoluten Luftfeuchte
4 Messung der Wandfeuchte

Wer sind deine Kunden?

Es kamen Kunden mit gesundheitlichen Beschwerden in den eigenen vier Wänden. Es kamen Unternehmen und öffentliche Behörden, die regelmäßige Überprüfungen der Raumluft abliefern mussten. Es kamen Mieter-Vermieter-Problematiken und Sanierungskontrollen für Versicherungen nach Wasserschäden. Die Nachfrage war breit gefächert und wurde nie langweilig.

Wie ging es weiter mit eurem Labor?

Eines Tages machten sich bei mir gesundheitliche Beschwerden bemerkbar, vor allem bei Hitze. Mir wurde in den zu untersuchenden Räumen öfter schwindlig, mehr und mehr fiel es mir schwer, die Geräte zwischen Auto und Untersuchungsplatz hin und her zu schleppen. Zunächst holte ich mir Unterstützung bei meinem Vater, der mir mit den Geräten half, aber mein Zustand in belasteten Räumen wurde zunehmend schlechter. Später stellte sich heraus, dass ich, wie auch einige meiner Kunden, eine genetische Entgiftungsschwäche habe und mir die Schadstoffe, vor denen ich meine Kunden befreien wollte, selbst schadeten. Die Baubiologische Messtechnik konnte ich so also nicht weiterführen.

Einige baubiologische Kollegen, mit denen ich zusammen die Ausbildung beim IBN gemacht hatte, haben mich immer wieder gefragt, ob ich nicht ihre Proben aus feuchtegeschädigten Gebäuden mikrobiologisch auf Schimmelpilz und Bakterien untersuchen könne. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich immer abgelehnt, schließlich hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch kein offizielles Labor mit Qualitätssicherung. Aber nun wuchs die Idee, Messtechnikern und Gutachtern die Probenanalytik im Rahmen eines eigenen Labors anzubieten. Auf diese Weise konnte ich weiterhin Kontakt zu Sanierungsfällen halten, ohne vor Ort sein zu müssen. Ergänzend bot ich Geräteschulungen und Beratungen hinsichtlich Gesundheitsrisiko, Probenahme, Sanierungserfolg und weiterführender Maßnahmen an. Heute führe ich zusammen mit meinem Mann Angelo Weiss (Biologisch-technischer Assistent) ein kleines Labor, das die mikrobiologische Analytik mit der baubiologischen Messtechnik verbindet.

Was begeistert dich an der Baubiologie? 

Das Schöne an der Baubiologie ist, dass es gefühlt unendlich viele Türen gibt, die sich inhaltlich für einen öffnen. Man kann aus den Bereichen Naturwissenschaft, Gesundheit, Bau, Ingenieur, Recht und vielen anderen kommen und findet überall einen Bezug zur Baubiologie. Ein bisschen Kreativität schafft dann den Rest.

Vielen Dank für das Interview!

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1 Kommentar

  1. Tolles Interview! Also noch eine Naturwissenschaftlerin, die sich ganz gezielt gegen die Pharma- bzw. Chemieindustrie entschieden hat. 🙂

    Viele Grüße aus Südbaden
    Christine Ehm, Baubiologische Messtechnikerin IBN und Dipl.-Biologin / Chemikerin M.Sc.

    Antworten

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Quellenangaben und/oder Fußnoten:

Fotos: Dr. Andrea Obersteiner-Weiss

Dr. Andrea Obersteiner-Weiss

Msc. Biologie, Baubiologische Messtechnikerin IBN Fachlabor für Schimmelanalytik, 83361 Kienberg

DIE FRAGEN STELLTE
Winfried Schneider

Winfried

Schneider, IBN

Architekt und Geschäftsführer des Institut für Baubiologie + Nachhaltigkeit IBN in Rosenheim

Seminare und Qualifizierung: Baubiologische Messtechnik IBN
Seminare und Qualifizierung: Baubiologische Energieberatung IBN
Seminare und Qualifizierung: Baubiologische Raumgestaltung IBN
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