Interview mit Bernd Kinze

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Bernd Kinze ist leidenschaftlicher und erfahrener Baubiologe mit Herz und Verstand. Auf Basis tausender Hausuntersuchungen konnte er schon vielen Menschen helfen, wieder gesund zu werden.

Bernd Kinze

Bernd Kinze

1985 gründete er eine der ersten Baubiologischen Beratungsstellen IBN. Seit 1999 ist er einer der Seminarleiter zum Fernlehrgang Baubiologie IBN und einer der Referenten der Weiterbildungsseminare Baubiologische Messtechnik IBN. 2002 war er Gründungsmitglied des Verband Baubiologie VB, danach dort langjähriges Vorstandsmitglied. Zudem ist er vernetzt mit wichtigen Expert*innen rund um die Baubiologie. Gründe genug, um ihm einige Fragen zu stellen:

Bernd, du hast eine der ersten Baubiologischen Beratungsstellen IBN gegründet. Jetzt bereitest du dich auf deinen Ruhestand vor. Was waren rückblickend deine schönste Arbeiten?

Schön waren viele. Aber am schönsten waren die Schlafplatzuntersuchungen. Dabei konnte ich mit wenig Aufwand und wenig Messtechnik viel erreichen für die Kunden. In diesem Bereich habe ich mit mehreren Umweltmedizinern und Heilpraktikern zusammengearbeitet und die meisten Aufträge gehabt.

2011 hast du in einem Interview für die IBN-Fachzeitschrift ‘Wohnung + Gesundheit’ erwähnt, dass du als Baubiologischer Messtechniker IBN schon 10.000 Schlafzimmer gesehen hast. Wie viele sind es heute?

Inzwischen sind es sicher mehr als 15.000.

Sind Schlafplatzuntersuchungen besonders schwierig?

Es ist ein Bereich, in dem man viel übersehen kann.

Wie kam es zu der Kooperation mit dem Umweltmediziner?

Ich habe ihm einmal meine Messungen bei einem Kunden geschickt und er war begeistert. Seitdem haben wir uns gegenseitig empfohlen.

1 und 2 Messergebnisse einer nicht abgeschirmten und einer abgeschirmten Leseleuchte im Vergleich

Wie lange habt ihr zusammengearbeitet?

Über 30 Jahre. Seitdem habe ich immer, wenn ich auf Empfehlung eines Heilpraktikers oder eines Umweltmediziners arbeite, ihnen die gleichen Unterlagen zugeschickt, die auch der Kunde erhielt. Das ist immer gut angekommen.

1985 machtest du dich mit “Oekoplan Spessart” selbständig. Hast du in der Anfangszeit deines Planungsbüros noch andere Standbeine gehabt?

Als Heizungs- und Gastechniker habe ich am Anfang noch Heizungsausschreibungen und Wärmebedarfsberechnungen gemacht. Aber das waren nur die ersten fünf Jahre. Ein Standbein, das mir etwas länger blieb, war die Schulung von Kommunen und Firmen im Bereich Regenwassernutzung für eine Firma. Das war gut bezahlt und gab den Grundstock für meine ganzen Messgeräte. Bald hatte ich auch dafür keine Zeit mehr.

Ziemlich schnell hast du auch als Baubiologischer Messtechniker gearbeitet …

… genau. Ich hatte gleich jede Menge Messgeräte.

Messtechnische Entdeckungen in Schlafzimmern
3 Die Kabeltrommel steht unter Spannung und erzeugt so elektrische Wechselfelder
4 Die Stereoanlage erzeugt magnetische Wechselfelder
5 Lautsprecher erzeugen magnetische Gleichfelder und verzerren das Erdmagnetfeld

Was war dein aufregendster Fund als Messtechniker?

Da gibt es natürlich viele, aber einer ist mir besonders in Erinnerung. Ich laufe ja immer durch das gesamte Haus. Das ist das allerwichtigste. Vom Keller bis zum Dach. Ich schaue mir alles an, halte die Nase rein und rieche.

Einmal bin ich ein Treppenhaus hoch gelaufen. Am Sicherungskasten roch es verschmort. Als wir ihn aufgemacht haben, konnten wir sehen, dass der Nullleiter glüht. Die Isolierung war schon abgeschmort.

Warum hat der Nullleiter geglüht?

Eine Überlastung. Das kommt schon häufiger vor. Hier war ein komplettes Schwimmbad mit vielen trafobetriebenen Geräten zusätzlich angeschlossen.

Und was habt ihr gemacht?

Wir haben das Schwimmbad vom Netz genommen und dann sofort den Elektrofachbetrieb angerufen.

Dass ich durchs Treppenhaus lief und gerochen habe, dass da was schmort, ist mir noch ein weiteres Mal passiert.

Schimmel- und Hefepilze in Haushaltgeräten
6 Waschmaschine – verkeimter Einfüllschacht
7 Kühlschrank – Tauwasserschale auf der Rückseite
8 Spülmaschine – Sieb

Die Nase als Messinstrument ist also auch wichtig?

Die ist eminent wichtig. Bei Schimmel, Lösemittel und auch Holzschutzmittel mit der dafür nötigen Erfahrung.

Hast du deine Nase besonders geschult? In einem Kurs etwa?

Ich habe dazu einmal ein Seminar bei einem Analyseinstitut mitgemacht.

Sonst einfach durch Praxis. Einmal haben wir in einem Kinderzimmer eine VOC-Messung gemacht und jede Menge Heizölbestandteile nachgewiesen. Darauf bin ich wieder hingefahren und wie ein Hund mit der Nase über den Boden. So habe ich die Ursache gefunden. Der Geruch kam aus einer Steckdose, die aus Versehen in den Entlüftungsschacht des Tankraums gebohrt worden war.

Welcher menschliche Sinn ist noch besonders wichtig?

Das Gehör. Wenn ich da nicht weiterkomme, rufe ich den Akustiker und Baubiologen IBN Jürgen Muck. Der hat sich auf Schall spezialisiert.

Hast du weitere Baubiolog*innen, mit denen du intensiv zusammenarbeitest?

Als freier Mitarbeiter macht Steffen Schütt viel für mich. Er führt fast die Hälfte meiner Arbeit aus.

Hast du auch einmal Gegenwind bekommen und wie bist du damit umgegangen?

Ich hatte mal einen Kunden, der hat die Rechnung nicht bezahlt. Darauf bin ich zum Anwalt und vor Gericht gegangen. Aber weil ich vergessen hatte, das Protokoll unterschreiben zu lassen, erhielt ich kein Recht. So habe ich gelernt, Protokolle immer unterschreiben zu lassen.

Hattest du noch andere Auseinandersetzungen vor Gericht?

Ja, manchmal geht es nicht ohne Gericht. Ich habe durchaus schon mehrere Prozesse gehabt. Ich war schon als Zeuge dort oder als Kläger und habe alle gewonnen. Bis auf diesen einen mit dem nicht unterschriebenen Protokoll.

Wann warst du selbst noch Kläger?

Als ein Kunde nicht bezahlen wollte. Er wurde wegen Betrug verurteilt und ich habe mein Geld bekommen. Immer. Langsam habe ich auch ein Gefühl dafür entwickelt, wie ernsthaft eine Anfrage ist.

Hast du auch mal einen Kunden abgelehnt?

Viele. So etwa jeden zehnten. Es kam auch vor, dass ich vor Ort war und wieder weggefahren bin.

Was war für dich ausschlaggebend, einen Auftrag abzulehnen?

Es gab einen Kunden, zu dem ich vom Umweltmediziner hingeschickt wurde, weil er Schimmelpilze im Blut hatte. Als ich in seine Wohnung kam, habe ich das absolute Chaos vorgefunden. Da war alles verschimmelt. Was soll ich da noch messen? Ich bin wieder heimgefahren, habe mein Fahrgeld in Rechnung gestellt und ihm gesagt, dass ich wiederkomme, wenn er aufgeräumt und desinfiziert hat. Das war aber nicht der einzige Fall. Wohnungschaos gibt es in allen Bevölkerungsschichten: bei finanziell gut gestellten, Lehrern, Beamten, Arbeitern, Geringverdienern.

Ein anderes Mal bin ich von einer Wohnungsbaugesellschaft beauftragt worden. Ich bin hingefahren, habe die Türe aufgemacht und gesagt: das wars. Tschüss. Ich komme nie wieder. Die ganze Wohnung war schwarz. Da brauchst du keine Schimmelpilzanalyse zu machen.

Als Baubiologe IBN hast du auch als Autor, Berater, Referent, Vermittler und Seminarleiter gearbeitet. Welche Tätigkeit hat dich am meisten gefordert?

Die Autorentätigkeit. Sie ist sehr zeitaufwändig.

Als Autor hast du deine Erfahrungen aufgearbeitet. Hast du dabei auch etwas gewonnen für dich?

Natürlich habe ich dabei auch gewonnen. Bei manchen Dingen wird man beispielsweise viel genauer.

Unterrichtest du weiterhin in der Grundausbildung der Baubiolog*innen?

Im September halte ich meinen letzten offiziellen Nahunterricht. Aber auch danach werde ich noch aushelfen, sollte mal jemand ausfallen. Das IBN hat mir so viel gegeben, da gebe ich gerne etwas zurück.

9 Bernd Kinze in voller Aktion bei einem Nahunterricht zum Fernlehrgang Baubiologie IBN

Was möchtest du jungen Baubiolog*innen mit auf den Weg geben?

Bei Kunden gut zuhören – was wollen sie denn genau.

Wie hat sich der Beruf Baubiologe in den letzten 35 Jahren verändert?

Heute sind es deutlich mehr Laboranalysen – Lösemittel, Formaldehyd, Schimmel, schwer flüchtige Schadstoffe. Das hat sich massiv verändert. Auch gibt es deutlich mehr Arbeitsplatzmessungen, zum Beispiel Messungen von starken Magnetfeldern an Maschinen.

Und früher waren wir Baubiologen Exoten. Wir sind in eine Ecke mit den Rutengängern gestellt worden. Heute sind die Leute stolz, wenn sie erzählen, dass ein Baubiologe da war.

Vielen Dank für dieses informative Interview!

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2 Kommentare

  1. das Interview mit Herrn Kinze hat mich sehr gefreut und ich kann nur bestätigen, dass er Baubiologe und Referent aus Leidenschaft ist und ein hervorragender Lehrmeister!
    Dank ihm habe ich Baubiologie und Messtechnik beim IBN zu Ende studiert und ihn als guten Zuhörer und hilfsbereiten Kollegen kennengelernt. Schlafplatzanalyse wird immer wichtiger insbesondere im Zeitalter von “Homeoffice” und vielen Menschen ist nicht klar, wie man mit wenig Aufwand ein gesundes Umfeld schaffen kann.

    Schönen Gruss Mildred Pfaff

    Antworten
  2. Wieder ein sehr nettes und informatives Interview – typisch Bernd Kinze eben !! Am liebsten würde ich nochmal am letzten Nahunterricht von Bernd teilnehemen… 🙂

    Alles Gute und viele Grüße,
    Gudrun Kettler

    Antworten

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Quellenangaben und/oder Fußnoten:

Bilder 1-8: Bernd Kinze
Bild 9: IBN

Bernd Kinze

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