Energetische Sanierung mit Strohdämmung

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Ein ensemblegeschütztes Haus wurde baubiologisch vorbildlich mit nachhaltigem Stroh energetisch saniert und ausgebaut. Strohballen dämmen nun das alte Mischmauerwerk von außen und die Holzkonstruktion des neuen Dachgeschosses.

Die Geschichte des Bauernhauses von Frau Rastner im italienischen Pustertal begann Anfang des 20ten Jahrhunderts. Ursprünglich war es ein Wohnhaus für eine Familie mit Scheune und Stall. Es wurde mehrmals umgebaut und seit den 1970er Jahren ausschließlich zum Wohnen genutzt. Im Obergeschoss des dreigeschossigen Hauses gab es eine stillgelegte Scheune. Auf der Rückseite sind zwei Geschosse zum Teil in den felsigen Berg gebaut. Das Erdgeschoss besteht aus Bruchsteinmauern, das Obergeschoss aus Ziegel. 2013 wurde es energetisch saniert und ein neues Dachgeschoss aus mit Stroh ausgefachten Holzständern und einer inneren Ziegelwand zur Reduktion der Temperaturspitzen gebaut. Die Fassade wurde außen mit Stroh gedämmt, damals ein Pionierprojekt.

Insgesamt bietet das Haus heute vier Wohnungen. Für die innovative Planung ist die Energieberaterin und Architektin Dr. Margareta Schwarz verantwortlich. Sie ist Spezialistin für Strohballenbau mit Lehm und Holz. Ganz besonders freut es sie, dass es bei diesem Projekt gelungen ist, das Haus mit regionalem Stroh zu dämmen, das aus der Initiative „Regiokorn“ des Landes Südtirol stammt. Das Stroh wurde wenige Kilometer entfernt zu Ballen gepresst, vom Feld zur Baustelle gebracht und eingebaut. Die Planerin ist stolz: „Energieeinsparung pur kommt hier zum Tragen, wenn man den Primärenergiegehalt von Stroh betrachtet und es bedeutet eine extrem hohe CO2 Einsparung.“

Dittmar Hecken ergänzt, dass sich diese Art der Sanierung mit Strohdämmung mittlerweile bewährt und etabliert hat. Er ist Dozent der BiWeNa (Bildungswerkstatt für nachhaltige Entwicklung e.V.) und FASBA (Fachverband Strohballenbau Deutschland e.V.), die gemeinsam seit vielen Jahren die Weiterbildung zur „Fachkraft Strohballenbau“ anbieten. In Deutschland sanieren mittlerweile u.a. die Firmen Arcana, Lorenz und Schelfbauhütte mit Stroh auf hohem ökologischem Niveau.

1 Der Zimmerer baute die Holzrahmen auf einem Reißboden zusammen, füllte sie mit Stroh und befestigte sie an der Fassade
2 Nach der dritten Lage Trasskalk wurde ein Armierungsgewebe eingelegt
3 Unter dem Dach wurden auch die neuen Wände außen mit Stroh gedämmt. Innen bestehen sie aus Holzstützen, ausgemauert mit Backsteinen
4 Auch das Dach ist mit Kleinballen gedämmt

Dämmung mit Stroh

Für die Dämmung der Fassade wurden Kleinballen verwendet. Auch das Dach ist mit den Ballen gedämmt. Stroh dämmt nicht nur gut gegen Kälte im Winter, sondern auch im Sommer gegen Hitze; nach Berechnungen erreichen die Außenwände eine Phasenverschiebung von mehr als 11 Stunden (die Phasenverschiebung gibt an, wie lange die Zeitdifferenz zwischen Temperaturspitze außen und Temperaturspitze innen ist). Dabei ist es wichtig, das Stroh richtig einzubauen. Die gebundenen Halme müssen senkrecht zum Wärmefluss zu liegen kommen. Dann ist der Dämmwert erheblich besser, als wenn der Wärmefluss in Richtung der gebundenen Halme verläuft.

Vorgefertigte Stroh-Holzelemente

Für die Außendämmung bauten die Zimmerer auf einem Reißboden einfache Holzrahmen aus regionalem Kantholz zusammen. In die Holzrahmen pressten sie die Strohballen eng und dicht. Die Holzrahmen befestigten sie an der Fassade. Der vorhandene Putz war offenporig und hatte keine Fehlstellen. Das ist wichtig, denn in Löchern kann sich Kondenswasser bilden. Darauf weist Dittmar Hecken hin. Hat der vorhanden Putz zu viele Hohlstellen oder ist diffusionsdicht, so empfiehlt er, ihn abzuschlagen. Weist der Putz zu viele Unebenheiten oder Löcher auf, so solle man die Fassade am besten mit einer Lehmschicht neu verputzen und die Strohelemente in den feuchten Putz drücken, wodurch Hohlstellen vermieden werden.

Kalkputz für außen

Bei dem Bauernhaus verfüllten die Maurer der ausführenden Firma Amac-Bau-Service große Löcher mit Strohmörtel. Den Strohmörtel hatten sie aus losem Stroh und Trasskalk einer italienischen Firma angemischt. Eine solche Mischung verbessert zum einen den Dämmwert und spart zum anderen Mörtel. Auch für den winddichten Außenputz verwendeten sie den Trasskalk. Neben Trass und Luftkalk enthält er geringe Anteile hydraulischen Kalk sowie Sande mit max. 1,5 mm Korngröße und keinen Zement. In Deutschland muss bei Neubauten außen der Putz Pajalith der Firma Gräfix oder ein gleichwertiges Produkt verwenden werden. Welches Produkt gleichwertig ist, müssen die verantwortlichen Planer*innen bewerten. Bisher gebe es noch kein nachgewiesenes Alternativprodukt, bemerkt Hecken. Er rät, Pajalith zu verwenden, falls im Rahmen einer Gewährleistung Ansprüche auf Mängelbeseitigung geltend gemacht werden können.

5 Nach über 100 Jahren erhielt das Bauernhaus im italienischen Pustertal eine innovativ ökologische Dämmung
6 Dauerhaft gebaut: Das Fundament steht auf Felsen, der neue Dachaufbau ist aus Holz, Stroh und Ziegel
7 Neue Balkone bieten viel Komfort
8 Die fertige Dachwohnung
9 Die Sanierung des unter Ensembleschutz stehenden Hauses fügt sich gut in das Dorf ein und ist gleichzeitig eigenständig schwungvoll

Deutsche versus italienische Ausführung

Mit dem Vorspritz besteht die Fassade aus drei Schichten Kalktrassputz einer italienischen Firma und einer Schicht Kalkkleber. Die Oberfläche vergütet ein Anstrich mit einer Kalkfarbe. Hecken weist darauf hin, dass entspr. den deutschen Richtlinien auf Holzträgern, die breiter als 6 cm sind, ein Putzträger (Weichfaser oder Schilfrohr) aufgebracht werden muss. Dabei sei darauf zu achten, dass Befestigungen und Drähte des Schilfrohrs aus Edelstahl sind – alles andere werde vom alkalischen Kalk zerstört. Nach den Verarbeitungsrichtlinien für Pajalith muss in die oberste Putzschicht ein Panzergewebe eingearbeitet werden.

Abweichend von den deutschen Richtlinien verarbeitete das italienische Bauteam Hasendrahtgitter auf den Stroh-Holz-Elementen, Rippenstreckmetall auf den Holzrahmen sowie auf Stößen von Holzrahmen und Mauerwerk und ein Armierungsgewebe im Oberputz.

Die luftdichte Ebene der Außenwand bildet bei diesem Haus der Innenputz (Kalk bzw. Lehm). Im Dach übernimmt eine Folie die Luftdichtung. Sie überlappt den Anschluss an die Außenwand, auf die sie innen genagelt wurde. Abschließend wurde der Innenputz über die Folie gezogen.

10 Fensterdetail der Aufstockung
11 Fensterdetail der energetischen Sanierung
12 Grundriss der Aufstockung mit Strohdämmung

Sanierung Haus Rastner

Pustertal, Italien

Nutzung4 Wohnungen
ArchitektinDr. Arch. Margareta Schwarz, St. Martin, Italien, www.archschwarz.com
WandaufbauU = 0,128 W/m2K. Bestandsmauerwerk mit Strohdämmung in Holzrahmen oder Holzständer mit Stroh ausgefacht und hintermauert, Hasendraht und Streckmetall, 3 Lagen Trasskalkmörtel, Kalkkleber jeweils von der Firma Grigolin, I-Nervesa della Battaglia
Erneuerbare DämmungStrohballen 35/36 x 50 x 95 cm
DachHolzverschalung, Dampfbremse PE (Riwega), Stroh, Vlies PP, Holzverschalung, Windbremse PE, Betondachsteine
HolzfensterDreischeiben-Isolierglas
HeizsystemAnschluss an bestehenden Pelletkessel
Temperierung des SockelsVor- und Rücklauf der Heizung in wärmeleitender Betonfußleiste
Energieverbrauch26 kWh/m2a

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3 Kommentare

  1. Lieber Herr Sorg,
    Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen sind ein wichtiger Baustein für die Bauwende. Ob das Stroh oder Mycel ist. Auch Hanfkalk und Lehm sind alternative Baustoffe, die ich gerne hier publiziere.

    Antworten
  2. Vom Fachverband Strohballenbau (FASBA) gibt es eine Schätzung, dass das Stroh, welches wirklich nicht benötigt wird, für ca. 350.000 Einfamilienhäuser pro Jahr reichen würde. Selbst bei der halben Menge bliebe immer noch genügend übrig, um es zum Bauen zu verwenden. Ist jedenfalls viel besser, als es zu verbrennen. Zudem lässt sich langfristig betrachtet das Stroh bei Abriss wiederverwenden oder eben dann kompostieren. Das Bauen mit Stroh ist für die notwendige Bauwende ein ganz wichtiger Bestandteil.

    Antworten
  3. Die Außendämmung mit Stroh ist grundsätzlich eine hervorragende Idee, baubiologisch und evtl. mit regionalem Stroh zu dämmen. Im Einzelfall kann das ganz gut gelingen, aber so viel übriges Stroh haben wir wahrscheinlich nicht, denn vielfach sollte dies auf dem Ackerbleiben, um den Humusgehalt nicht weiter absacken zu lassen …

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Abbildungen: studio margareta schwarz

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