Architekt Werner Grosse hat sich ganz auf Holzbau spezialisiert und das System „Palisadio“ entwickelt, mit dem er Vollholz für Außenwände, Innenwände, Decke, Dach und auch Boden einsetzt. Das in seiner Konstruktion leim- und metallfreie System verwendete Grosse auch für das Haus des Ehepaars Maurer in Donzdorf, das teilweise in der Erde des Hangs steht. Die Massivholzwände sind dort mit Schaumglas gedämmt und wie die Bodenplatte aus Holz besonders gut gegen das Erdreich abgedichtet. Erdgeschoss und Souterrain werden jeweils über Rampen barrierefrei erschlossen. Viele Freibereiche verbinden das Haus mit dem Außenraum, so eine Loggia und eine Terrasse nach Osten, sowie ein Balkon nach Süden. Im Souterrain gibt es ebenfalls einen kleinen Eingang für das Yogastudio. Die Küche im Erdgeschoss wird nach Osten und Süden über großzügige Fenster belichtet, ebenso der Wohnraum, dieser nach Norden und Westen. Der Innenraum ist auf das dynamisch geschnittene Fenster am Esstisch hin organisiert, das sich zum schönsten Ausblick des Grundstücks auf die schwäbische Alb öffnet.
(1) Selbst die Bodenplatte ist aus Vollholz
(2) Eine 2-fache Bitumenbahn dichtet Holzwand und -bodenplatte gegen Schaumglasdämmung und Erdbereich ab
Modulares Holzbausystem
Palisadio, ein industriell gefertigtes modulare Stecksystem, wurde seit 2002 entwickelt; dünne Sechseckprofile in Bienenwabenform werden durch vorgetrocknete Hartholzdübel in drei unterschiedlichen Richtungen verbunden. Durch ihre Struktur lassen sich auch schräge Leibungen einfach herstellen. Elektrik und Entlüftungsleitungen liegen innerhalb der massiven Holzwand. Für neue Projekte werden die Holzprofile horizontal verwendet und das System unter dem Namen „Hexagon“ in Polen produziert. Beim Haus Maurer wurden die Profile noch vertikal verbaut – für die Außenwände in vier Schichten. Außen sind diese Wände mit zwei Lagen Holzweichfaserplatten wärmegedämmt. Um Wärmebrücken zu minimieren, überdämmt die zweite Lage teilweise die Holzfensterrahmen. Die Innenwände sind je nach statischen Erfordernissen zwei bis drei Profile stark.
(3) Das besonders nachhaltige Wohnhaus in Donzdorf besteht ganz aus Holz und ist weitgehend energieautark
(4) Auf der Nordseite, hinter dem Haus liegt der Haupteingang und daneben eine großzügige Terrasse
(5) Kleine, zusätzliche Terrasse vor dem Yogastudio
(6) Mit dem asymmetrischen Fenster und der Solarfassade macht das Haus auch nachts eine gute Figur, Bild: Achim Pilz
Minimale Graue Energie
Für eine gute Ökobilanz ist nicht nur der Energieverbrauch eines Gebäudes entscheidend, sondern auch die Graue Energie (Primärenergieaufwand), also die Energie, die durch die Herstellung und Entsorgung der Baumaterialien verursacht wird. („Bauwende-Bündnis: Die Graue Energie in das GEG mit einbeziehen!“). Das Haus Maurer spart auch durch einen minimalen Einsatz von Beton Graue Energie ein. Selbst seine Bodenplatte besteht vollständig aus Holz. Es hat keinen Betonkeller und steht auf einer Schicht tragfähiger Schaumglasplatten, die es zum Boden hin dämmen. Beton kam nur für die Fundamente der Garage sowie für einige Stützwände im Außenbereich zum Einsatz. Das leicht gewölbte Pultdach ist als Kaltdach ausgeführt und begrünt. Auf die flache Holzdecke darunter sind dämmende Holzweichfaserplatten aufgelegt.
Ästhetik in Holz
Im Innenbereich war Grosse eine natürliche Ästhetik wichtig. Der Holzton ist warm und weich. Die gewellte, unbehandelte Holzoberfläche zeigt relativ viele, unregelmäßig verteilte Äste. Der strenge Rhythmus der Holzdübel, deren Köpfe noch zu sehen sind, setzt eine leicht technische Anmutung dagegen. Auch die modernen, geradlinigen LED-Leuchten erzeugen einen Kontrast zum warmen Holz. Sie sind auch im Handlauf des Treppengeländers untergebracht. Dieser besteht aus Baubuche, die zwar mehr Leim enthält, aber so das stark arbeitende Holz beruhigt und eine lineare Ästhetik erzeugt. Sie wurde als Oberfläche für Dreischichtplatten an verschiedenen Stellen eingesetzt, wie zum Beispiel für einen Tresen in der Küche. Auch der Lieblingsplatz der Bauherrin, der „Sitz“kasten ist aus diesem Material. Er befindet sich neben dem schön gestalteten Grundofen, dessen Kamin wie ein Vorhang schräg zur Seite geschoben wird, um auch die Warmluftleitungen nach oben aufzunehmen und wie nebenbei Küche und Wohnbereich ergonomisch miteinander zu verbinden. Auch sonst gibt es immer wieder schöne Details zu entdecken, so bei der Pergola über dem Freisitz. In der Nähe, der Fassade ist sie auf einfache Weise tragfähiger ausgeführt. Die Latten sind hier doppelt so eng verlegt, so dass sie zum Fensterputzen begangen werden können.
(7) Die Küche nach Süden setzt einen farbigen Akzent, Bild: Achim Pilz
(8) Lieblingsplatz der Bauherrin: der „Sitz“kasten. Der Grundofen ergänzt die nachhaltige Wärmeerzeugung
(9) Unterschiedlich dicke Außen- und Innenwände werden aus einem einzigen Sechseckprofil verdübelt. Auch Bodenplatte und Decken sind aus Holz.
(10) Die Bauherrin in ihrem Yogastudio, das überwiegend mit einem Holzofen beheizt wird, Bild: Achim Pilz
Nachhaltiges Energiekonzept
Die Gebäudehülle erreicht lediglich den Energiestandard „KfW-Effizienzhaus 70“. Insgesamt erreicht das Energieversorgungskonzept jedoch den Standard „KfW-Effizienzhaus 40“ aus folgendem Grund: Das Erdgeschoss wird von einem Fassadenluftkollektor und dem Grundofen über eine Hypokaustenheizung mit Wärme versorgt wird (Teil 2 folgt). Im Souterrain steht ein Kaminofen, der durch eine elektrische Infrarotheizung an der Decke unterstützt wird. Diese schaltet die Hausherrin in der Regel nur ein, kurz bevor ihre KursteilnehmerInnen kommen. Eine Nutzung des Regenwassers rundet das nachhaltige Hauskonzept ab.
Das Gebäude aus 150 m³ Holz und 100 m³ Holzfasern hat bei seiner Erstellung große Mengen CO2 gebunden und emittiert auch im Betrieb nur wenig.
Haus Steckbrief
- Wohnhaus mit Yogastudio in Donzdorf (Landkreis Göppingen, Baden-Württemberg)
- Bauherren: Angelika und Steffen Maurer
- Baujahr: 2017
- Nutzfläche: 173 m²
- Außenwand: Massivholz 25 cm, Dampfbremse, Holzweichfaserdämmung 24 cm, mineralischer Putz
- Innenwände: Massivholz 12 – 18 cm
- Dach: Massivholz 20 cm, Dampfbremse, Holzweichfaserdämmung 30 cm, Unterlüftung, Kaltdach mit Begrünung
- Boden UG: Vollholzparkett, Holzweichfaserdämmung 4 cm, Massivholz 20 cm, PE-Folie, Estrich 5 cm, Elastomerbitumen 2-fach, Schaumglas 12 cm, Feinsplitt
- Durchschnittlicher U-Wert für Außenwände, Innenwände, Bodenplatte, Dach = 0,14 W/m²K
- Holzfenster: 3-fach verglast Uw = 0,8 W/m²K
- Energieversorgung: Luftkollektor, Hypokaustenheizung und Heizeinsatz für Festbrennstoffe 9 kW in der Wohnung, Ofen 5 kW im Souterrain, Brauchwasserspeicher 800 l
- Kosten (Bauwerk, technische Anlagen): 4.050 Euro je m² Nutzfläche
- Architekt: Werner Grosse, Stuttgart, www.grossearchitektur.de
Seminare und Qualifizierung:
➔ Baubiologische Gebäude-Energieberatung IBN
IBN-Zertifizierungen für Bauweisen, Gebäude und Räume:
➔ zertifizierung.baubiologie.de
Sehr geehrter Herr Berger,
ich antworte Ihnen als Autor – weitere Fragen sollten Sie allerdings an den Urheber, Herrn Grosse richten.
Sie vermischen hier Fragen zur Produktion und Ausführung. Meist sind hier verschiedene Unternehmen tätig.
Holzkeller werden inzwischen von unterschiedlichen Unternehmen ausgeführt (z.B. Link https://baubiologie-magazin.de/keller-aus-holz/), auch um mehr CO2 in unseren Gebäuden zu binden. Holz im Erdbereich ist natürlich riskant, aber es lohnt sich im Falle einer ökologischen Konsequenz, dieses Risiko einzugehen.
Das Palisadio-System wurde beim Haus Maurer so ausgeführt, dass die Bauherrin zwei Jahre danach immer noch begeistert ist.
Produziert wurde das System von Nintegra – Unternehmen für Integration gGmbH.
Dort sind Benachteiligte und Menschen mit einer Behinderung tätig. Das Unternehmen gibt es noch.
Eine Weiterentwicklung des Systems (liegende Profile statt stehende) wird in Polen produziert (hexagon-house.com). Über die Ursachen des Wechsels kann nur Herr Grosse Auskunft geben. Wahrscheinlich hat das auch einen finanziellen Hintergrund.
Freundliche Grüße
Achim Pilz
Die Ausführung diese Bausystems ist übler Murks. Abgesehen davon, dass viele Details nicht zu Ende gedacht sind ist die Gründung mit einer Massivholzbodenplatte dermassen fehleranfällig, dass es keine vernünftigen Gründe für diese Variante gibt. Warum wohl hat selbst die ausführende Firma inzwischen den Betrieb einhestellt?