In meiner Projektarbeit (Download weiter unten) möchte ich zeigen, dass natürliches bzw. nachhaltiges und „gesundes“ Bauen mehr ist als nur ein kurzfristiger Trend. Deshalb habe ich zunächst wichtige baubiologische Themen wie natürliches Licht, schadstoffarme Baustoffe, Ökobilanz oder strahlungsarme Elektroinstallationen erläutert und dann anhand des Musterhauses „Wohnen am Lichthof“ dargestellt, wie sie konkret umgesetzt werden können. Gegensatz zu vielen konventionellen Häusern, die später zu großen Teilen auf der Sondermülldeponie enden werden, könnte dieses Musterhaus weitgehend an Ort und Stelle kompostieren.

(1) Ostseite: Der großzügig dimensionierte Eingangsbereich zu den zwei Wohnungen lädt zum Verweilen ein
(2) Nord- und Ostseite: Der schlichte einfach strukturierte Baukörper fügt sich gut in die Umgebung ein
(3) Westseite: Ein Steg aus Holzdielen verbindet barrierefrei die Terrassen der zwei Wohnungen
(4) und (5) Auf denwind- und witterungsgeschützten Terrassen lässt es sich auch im Winter gut aushalten

Konzepthaus “Wohnen im Lichthof”

Die Vorgaben für den Architekten Tobias Kirchmair aus Kumhausen bei Landshut waren schnell klar: neben gesundheitlichen und nachhaltigen Kriterien schlichte Gestaltung, aber trotzdem modern, lichtdurchflutete Wohn- und Freibereiche, zudem barrierefrei und kostengünstig. Im Rahmen der Entwurfsplanung entschieden sich die Bauherren für eine eingeschossige, rechteckige Holzbauweise. Es entstanden zwei separate Wohneinheiten mit windgeschützten nach Südwesten ausgerichteten und mit Glaselementen überdachten Terrassen. Diese sorgen für einen optimalen Lichteinfall und so war auch schon der Name des Bauprojektes geboren: „Wohnen im Lichthof“.

Im Frühjahr 2016 war Baubeginn. Um die Kosten möglichst gering zu halten, wurde schon bei der Planung und Baukonstruktion darauf geachtet, möglichst viele Gewerke in Eigenleistung erstellen zu können. So wurden die Außenwände, die Bodenplatte und das Dach von innen durch Franz Reiner und sein Team selbst mit Hanf wärmegedämmt und verkleidet. Ausschließlich das Setzen der Fenster, Verlegen der Elektro-, Wasser- und Wandheizungsinstallation, das Fliesen der Bäder und das Verputzen übernahmen Firmen aus der Region. Da sich die Bauherren in erster Linie um ihre ÖkoPlus-Naturbaustoffhandlung kümmern mussten, ließ man sich mit den Arbeiten Zeit, so dass der Einzug erst im Frühjahr 2019 stattfand.

Grundrisse

Im Musterhaus hat die größere Wohneinheit eine Fläche von 97 m². Sie ist so angeordnet, dass sie in allen Lebensphasen genutzt werden kann. Jedes der zwei Schlafzimmer ist direkt mit einem Bad verbunden. Küche, Esszimmer und Lichthof liegen in einer Flucht.

Die zweite, kleinere Wohneinheit mit ca. 54 m² ist für max. zwei Personen ausgelegt. Direkt neben dem Eingang befinden sich eine Garderobe und ein kleines Bad. Gegenüber liegt das Schlafzimmer und am Ende des Flurs ein Koch-Essbereich. Von beiden Räumen kann man die überdachte Terrasse problemlos barrierefrei erreichen.

Beide Terrassen sind auf der Südwestseite des Gebäudes mit einem langen Steg aus Holzdielen verbunden.

Baukonstruktion

Als Gründung des Hauses dienen Streifenfundamente. Gegenüber einer Bodenplatte aus Stahlbeton beträgt deren Betonverbrauch lediglich etwa 40 %, was die Ökobilanz entsprechend verbessert. Zudem kann durch die nun verbaute Bodenplatte aus Massivholz auf flächig verbauten Bewehrungsstahl unter den Wohnräumen verzichtet werden und das natürliche Erdmagnetfeld wird nicht negativ beeinflusst.

Die Holzrahmen der Wände wurden zunächst von außen mit 24 mm dicken sägerauen Fichtenbrettern beplankt. Anschließend wurden vollflächig Schilfrohrmatten mit einer Maschenweite von ca. 8 mm als Putzträger angebracht. Der darauffolgende Kalkputz macht das Haus winddicht. Raumseitig wurde in Kombination mit einer 30 mm dicken sägerauen Kletterschalung Stopfhanf in die Gefache eingefüllt. An Elementstößen und Verbindungen von Innen- zu Außenwänden wurden als Dampfbremsen Hanfvliese angebracht, welche mit einem aufgerührten, zähflüssigen Roggenleim-Ton-Gemisch bestrichen wurden. Es schließt sich eine einlagige Schilfrohrmatte als Putzträger an. Darauf folgt ein i.d.R. dreilagiger, bei Wandflächen mit Wandheizung vierlagiger insgesamt bis zu 40 mm dicker Lehmputz. Je nach Gestaltungswunsch wurden in die letzte sichtbar bleibende Putzschicht natürliche Farbpigmente eingemischt. Bei diesem Wandaufbau konnte auf die Verwendung kunststoffbeschichteter Dampfbremsen verzichtet werden.

(6) Der vor Ort errichtete Rohbau aus Vollholz (Fichte)
(7) Deckenbalken auf Streifenfundamenten – dies ermöglicht einfache Details und verbessert die Ökobilanz
(8) 260 mm Stopfhanf sorgen für warme Fußböden
(9) Hanfvliese, bestrichen mit einem Roggenleim-Ton-Gemisch, dienen als Dampfbremsen
(10) Eine Wandheizung aus Kupferrohr. Das Schilfrohr dient als Putzträger für noch folgenden Lehmputz
(11) Das frisch gepflanzte Gründach. Schön zu sehen sind die Überdachungen der Terrassen

Zwischen den Sparren des Pultdaches wurde ebenso wie in den Außenwänden mit Stopfhanf gedämmt. Als raumseitige Untersicht wurden Lehmbauplatten montiert und anschließend mit einem dünnen Lehmputz verputzt. Als wasserführende Ebene standen aufgrund der geringen Dachneigung nur Blech- oder Gründach zur Auswahl. Preislich unterscheiden sich diese Varianten kaum. So war der Entschluss für ein Gründach schnell getroffen, zumal es Vorteile bzgl. der vorgesehenen Regenwasserbewirtschaftung bietet und den sommerlichen Wärmeschutz verbessert. Durch die groß dimensionierte Hinterlüftung (100 mm Konterlatte) kann im Sommer entstehende Hitze perfekt abziehen (Kaminwirkung).

Nach Fertigstellung und Einzug in das Musterhaus machte Franz Reiner eine Kostenbilanz. Ohne Grundstücks- und Erschließungskosten kam er auf einen Quadratmeterpreis von ca. 2.600 Euro. Sein Ziel, baubiologisch und nachhaltig zu bauen, ohne dafür höhere Kosten in Kauf zu nehmen, wurde also erreicht.

Regenwasserbewirtschaftung

Dank des Gründaches wird bereits ein Großteil des Regenwassers auf dem Dach zurückgehalten. Erst bei stärkerem Regen bzw. Dauerregen läuft zeitlich deutlich verzögert das Regenwasser über die Dachrinne ab. Vier Fallrohre münden in vier Regenwassertonnen. Das auf diese Weise gesammelte Regenwasser kann direkt zum Gießen verwendet werden. Sind die Tonnen voll, versickert das überlaufende Regenwasser in einem direkt darunter befindlichem ca. 1 m breiten Schotterstreifen. Eine ergänzende Drainage leitet bei Starkregen überschüssiges Wasser in einen Retentionsteich. Dieses ausgetüftelte und dennoch simple System ermöglicht die komplette Versickerung des Regenwassers auf dem eigenen Grundstück, es wird also zu 100 % der Natur zurückgegeben. Das Regenwasser vom Ziegeldach der nebenstehenden Naturbaustoffhandlung wird in eine Zisterne geleitet, von der aus die Toilettenspülungen versorgt werden.

Elektroinstallation

Die Elektroinstallation ist pro Zimmer auf maximal zwei Wände beschränkt, damit die gegenüberliegenden Wandflächen stets frei von Elektroinstallationen bleiben. Alle Schalter für die Beleuchtung werden mit einem 24-Volt-Datenkabel über ein Bussystem mit Relaisschaltung angesteuert. Somit entstehen keine elektromagnetischen Felder und die Länge der spannungsführenden Leitungen, welche in abgeschirmter Ausführung installiert sind, wird deutlich verringert. Zudem sind die Schlafzimmer mit Netzfreischaltern ausgestattet. Ergänzend wurden weitere Kriterien für eine elektrosmogfreie bzw. -arme Elektroinstallation entsprechend den Kriterien des „Standard der Baubiologischen Messtechnik“ berücksichtigt.

(12) und (13) Wohn-, Koch- und Essbereich mit großen Fenstern nach draußen
(14) Lageplan: oben das Wohnhaus, unten das Dach der Naturbaustoffhandlung
(15) Grundriss

Heizung

Der berechnete Wärmebedarf für die große Wohnung beträgt 5,2 kW, der für die kleine Wohnung 2,8 kW. Um diesen Wärmebedarf abzudecken, entschieden sich die Bauherren für folgendes dreistufige Konzept:

  • Grundlastabdeckung durch thermische Bauteilaktivierung (TBA): 30 %
  • Mittellastabdeckung durch Wandheizung an den Außenwänden: 30 – 70 %
  • Spitzenlastabdeckung durch Stückholzofen im Wohnbereich: 70 – 100 %

Als TBA dienen individuell gebaute Küchentheken mit einer Höhe von 0,9 m und einer Länge von 2,5 m. Sie sind aus massiven und deshalb sehr gut wärmespeichernden Lehmziegeln gemauert und werden mittels sog. Harfenregistern aus Kupferleitungen erwärmt. Aufgrund der Sonnenkollektoren auf dem Dach der nebenstehenden Naturbaustoffhandlung bleiben sie selbst an kühlen Sommertagen warm. Die TBA sollen das früher vorhandene Feuer in Raum- oder Hausmitte ersetzen.

Die Wärmebereitstellung erfolgt mit Solarthermie und Holzpelletkessel. Das Trinkwasser dagegen wird separat mittels einer Luft-Warmwasser-Wärmepumpe erwärmt. Diese arbeitet mit der Abluft der beiden Badezimmer und Küchen und stellt zugleich den Mindestluftwechsel und Feuchteschutz sicher. Den erforderlichen Strom für die Wärmepumpe (ca. 1000 kWh/Jahr) liefert eine Photovoltaikanlage auf dem Carport der Naturbaustoffhandlung.

Fazit

projektarbeit kohout max
Download (PDF): Projektarbeit „Wohnen im Lichthof“ von Max Kohout

Im Zusammenhang meiner Projektarbeit konnte ich sehen und fühlen, dass sich die positive Energie der richtigen Baustoffe und der Menschen, die es errichten, in der Atmosphäre des Hauses widerspiegelt und sich auf dessen Bewohner überträgt.

Wenn man bedenkt, wie viele Stunden pro Tag wir in unseren Häusern verbringen, sollte uns klar werden, wie wichtig , das Haus als dritte Haut des Menschen für unsere Gesundheit ist.

Wir Menschen haben keine Zeit mehr, uns darüber Gedanken zu machen, was wir wollen, was wir brauchen, was uns gut tut oder schadet. Wir sollten einfach das nehmen, was uns die Natur schenkt.

Baudaten “Wohnen im Lichthof” bei Straubing-Bogen

ArchitekturbüroKirchmair + Meierhofer, Kumhausen bei Landshut
Bauzeit2016 – 2019
Wohnflächeca. 150 m²
Baukosten395.000 €
Bauteile und -elemente
Außenwände (von außen nach innen)Lärchenschalung stehend 24 mm | Traglattung 40/60 mm | Konterlatten 40/60 mm | Kalkputz 25 mm | Sägeraue Fichtenschalung 30 mm | Holzrahmen mit Stopfhanf als Dämmung 200 mm | Sägeraue Fichtenschalung 30 mm | Putzträger Schilfrohr | Lehmputz 40 mm (z.T. in Kombination mit Wandheizung aus Kupferrohr)
Aufbau Dach (von außen nach innen)Gründachaufbau ca. 150 mm | EPDM-Folie | Fichtenschalung 30 mm | Konterlatten 80/100 mm als Hinterlüftungsebene | Fichtenschalung 24 mm | Sparren mit Dämmung aus Stopfhanf 220 mm | Sägeraue Fichtenschalung 30 mm | Lehmbauplatten 25 mm | Lehmfeinputz
InnenwändeHolzrahmen Fichte 120 mm | Fichtenschalung beidseitig 20 mm | Putzträger aus Holzweichfaserplatten oder Schilfrohr | Lehmputz oder Kalkputz
Fußböden3-fache Lattung 50/60 mm | massive Holzdielen 25 mm, Oberfläche geseift
FensterLärche massiv, geölt
TürenFichte unbehandelt
Haustechnik
PlanungFrank Hartmann, Baubiologe IBN, Forum Wohnenergie, Zeilitzheim
Energieverbrauch5.000 kWh Stromverbrauch
WärmeerzeugungFernwärmeleitung von nebenstehender Naturbaustoffhandlung (dort Pellets) | ergänzend Stückholzofen und Luft-Wasser-Wärmepumpe
LüftungFensterlüftung Lüftung
Solarthermieauf dem Dach der Naturbaustoffhandlung
Photovoltaik145 m² auf Carportdach, ca. 23 kWp
RegenwassernutzungToilettenspülung und Anschluss an Waschmaschine
Trinkwasserleitungenaus Edelstahl
Regenwasserversickerung 100 % auf dem Gelände
Weitere baubiologische KriterienStreifenfundamente (anstatt Beton-Bodenplatte) mit unterlüfteter Bodenplatte aus Holz | Gründach | Favorisierung regional verfügbare Baustoffe | Strahlungsarme Elektroinstallation | Verzicht auf Folien und Klebefolien, Dampfbremse hergestellt aus Roggenleim-Hanftapete

Literaturtipps:


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beratungsstellen.baubiologie.de
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  1. Schönes Projekt!
    Aber: 2633,00 €/m2 Baukosten sind zu teuer.
    Wir brauchen gesunden + bezahlbaren Wohnraum für alle. Mit Lowtech-Lösungen, mit einer Reform der Bauordnungen, mit einer Bodenreform.

    • Hallo Herr Neuert,
      Ihre Forderung nach gesundem und bezahlbaren Wohnraum für alle ist für mich nachvollziehbar. Ob Lowtech-Konzepte oder politische Reformen beim Bau- und Bodenrecht letztlich zum gewünschten Erfolg führen, ist ein spannender Prozess, der im Rahmen meiner Antwort den Rahmen sprengen würde.

      Zu den Baukosten pro Quadratmeter möchte ich noch präzisieren: In den angeführten Baukosten sind alle Kosten des Projektes enthalten, also die Erd- und Fundmentarbeiten, die Anbindung der gesamten Haustechnik an unseren Naturbaustoffmarkt, die Planungs- und Projektierungskosten für die Häuser und die baubiologische Haustechnik und auch die beiden überbauten Carports mit den Lichthöfen. Die reinen Baukosten für das größere Haus (das eigentliche Musterbauprojekt) belaufen sich auf ca. € 2100,00 pro qm Wohnfläche. Damit liegen wir im unteren Bereich vergleichbarer Holzhäuser in unserer ländlichen Gegend. Derzeit werden Holzhäuser in unserer Region schlüsselfertig mit ca. 2100,00 – 3000,00 € pro qm angeboten, die aber i.d.R. nicht die hohe baubiologisch und ökologische Konsequenz unseres Projektes erreichen.

      Ich denke, wir konnten zeigen, dass es möglich ist, technisch hochwertige Häuser mit sehr hoher baubiologischer und ökologischer Konsequenz zu marktüblichen Preisen oder sogar darunter zu bauen. Nach meiner Erfahrung gelingt das am besten, wenn Planer, Handwerker und Baufamilien gemeinsam dieses Ziel verfolgen.

      Zu den Preisen pro Quadratmeter möchte ich noch anmerken, dass wir hier mit den Preisen freistehender Einfamilienhäuser vergleichen. Der Preis pro Quadratmeter für deutlich größere Gebäude würde sofort deutlich niedriger ausfallen, allerdings würden dann die absoluten Baukosten deutlich steigen. Auch bei Mehrfamilienhäusern und Geschosswohnungsbau kann der Quadratmeter-Preis deutlich niedriger sein. Leider wird hier noch viel zu selten Wert auf baubiologische und ökologische Konsequenz gelegt.

  2. Ich war selbst schon in diesem Haus und kann zu der freundlich-warmen Atmosphäre nur gratulieren. Alles ist wohl durchdacht und sehr gut umgesetzt. Besonders die optimale Raumaufteilung mit kurzen Wegen und intuitiver Gestaltung überzeugten mich. Man kann die Nachhaltigkeit und das Umweltbewusstsein sehen und sogar fühlen. Darauf können die Familie Reiner sowie alle beteiligten Firmen und Planer mit Recht stolz sein.

  3. Herzlichen Glückwunsch allen Beteiligten für die gelungene Realisierung dieses wirklich ganzheitlich nachaltigen und baubiologischen Projekts. Chapeau!

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