Wie Digitalisierung und Mobilfunk zur Klimakrise beitragen

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„Jede digitale Operation hinterlässt ihren CO2-Fußabdruck, der inzwischen insgesamt auf weltweit zwei Milliarden Tonnen pro Jahr angewachsen ist. Das entspricht dem doppelten des globalen Flugverkehrs.“

Digital bedingter Anstieg des Stromverbrauchs

Gewiss bringt die Digitalisierung beachtliche Chancen und Vorteile mit sich – auch auf dem Umweltsektor; doch diese dürfen nicht über die damit verbundene ökologische Problematik hinweg­täuschen. So betont Physikprofessor Armin Grunwald, die Digitalisierung sei keines­wegs an sich umwelt­freundlich, sondern er­zeuge „sogar neue oder verschärft beste­hende Um­welt­pro­bleme.“ 1

Wie der Metereologe Sven Plöger unterstreicht, wächst der Stromver­brauch der Digital-Tech­no­logien um jährlich rund 9 %.2 Da sich die Rechnerleistung pro Kilo­watt­stunde alle anderthalb Jahre verdoppelt und immer mehr Geräte produziert und genutzt werden, dürften erreichte Ein­spar­po­tenziale ver­puf­fen. Stef­fen Lange und Tilmann Santarius sehen den glo­balen Strom­verbrauch durch Informations- und Kom­mu­nika­tions­techno­logien bis 2030 auf etwa 8.000 Tera­wattstunden hochklettern.3 Umso mehr müsste – statt zu sehr auf er­neu­erbare Ener­gien zu setzen – das wachstumsbasierte Gesellschaftsmodell re­for­miert wer­den.4 Heute laufen aber allein für den Betrieb des Internets etwa 40 Großkraft­werke. Nament­lich die fürs Digitale nötigen Super­com­puter-An­lagen namens “cloud” verbrau­chen gigantische Ener­giemen­gen.

„Die Entscheidung, ob die Digitalisierung zum Fluch oder Segen für den Klimaschutz wird, ist noch nicht gefallen.“

Bundesumweltministerin Svenja Schulze

Energiefresser Mobilfunk

Im Dezember 2019 warnte der Stromversorger E.on, durch den 5G-Mobil­funk werde der ohne­hin stark wachsende Energiebedarf von Rechenzentren bis 2025 um 3,8 Mil­liarden Kilo­watt­stunden steigen – genug Strom, um beispielsweise alle Einwohner der Großstädte Köln, Düs­seldorf und Dortmund ein Jahr lang zu versorgen! 5 Im September 2020 mahnte das Ber­liner Öko-Institut, der Stromverbrauch in Rechenzentren müsse massiv gesenkt werden, und beim Breitbandausbau sei dem Ausbau von energieeffizienten Glasfasernetzen bis zum End­verbraucher klar der Vorzug gegenüber anderen Übertragungstechnologien zu geben.6 Doch der Mythos Mobilfunk7 bleibt wegen der Interessen auf Nutzer- und Industrieseite mäch­tig.

Im Sommer 2020 hat die Telekom in Deutschland 5G breitflächig starten lassen, begleitet von einlullenden 5G-Werbespots im TV. Zweifellos lässt sich mit Funktechnik auch viel Energie sparen. Doch per­ma­nente und bald flä­chen­deckende Mobilfunk­strah­lung dürfte ihren Anteil an der Aufheizung des Erdkli­mas haben. Die fast überall in der Luft präsente Energie kann ja bei näherer Betrachtung gar nicht wirkungslos sein – und der Ver­brauch der be­nötigten Infra­struktur für die Sendeanlagen ist noch hinzuzu­rechnen! Ökolo­gisch befürchten Experten eine Ver­dreifa­chung des Energie­verbrauchs von 5G-Anlagen im Vergleich zu 4G. Laut Huawei verbrauchen 5G-Router zuhause zehnmal mehr als bisher. Auch benötigt 5G be­kannt­lich viel mehr Sendestationen, was den Energie­verbrauch durch Mobilfunk weiter in die Höhe treiben dürfte.8 Demgemäß fordert der BUND Hamburg vor dem Hintergrund der Klimakrise „zu prüfen, welcher zu­sätzliche Energie­verbrauch durch die bis zu 800.000 neuen Sende­anlagen sowie die Millionen für den Standard 5G entwickelten neuen technischen Ge­räte und Einrich­tungen anfällt.“ 9 Während aber die Technik­folgen erst mühsam reflektiert werden und das Vorsorgeprinzip sichtlich erodiert, ist fast die Hälfte der deutschen Bevölkerung gegen diesen Mobilfunk-Aus­bau.10

Immerhin diagnostizierte der Wissen­schaftliche Beirat der Bundesre­gierung für Globale Um­weltverän­derungen(WBGU) 2019: „Ohne aktive poli­tische Gestal­tung wird der digitale Wan­del den Res­sour­cen- und Energie­verbrauch sowie die Schädigung von Umwelt und Kli­ma weiter be­schleu­nigen.” 11 Solch politische Gestaltung erweist sich jedoch als nach wie vor stark lobby­is­tisch beeinflusst. Das Ja des Bundestags zur Förderung „Künstlicher Intelligenz“ (KI) ist nur ein Beispiel da­für. Zurecht warnt der Phi­losoph Richard David Precht am Ende seines Buches „Künstliche In­telligenz und der Sinn des Lebens“ (2020): „Millionen Jahre der Evolution haben den Men­schen ziem­lich gut an die Lebens­be­dingungen unseres Planeten angepasst, wenige Jahr­zehnte der KI werden ihm kein besseres Paradies bauen können…“

Wo bleibt eine breite öffentliche Debatte, die ökologische und ethische Prob­leme der Digitalisierung so artikuliert, dass sie auch auf den Regierungsbänken ankommt? 

Ausführlichere Textversion in Salzkorn 4/2020: Cloud frisst Erde. Die Illusion einer umweltverträglichen Digitalisierung

IBN Kommentar

Ohne Zweifel lässt sich durch klug eingesetzte Digitalisierung und Funktechnik viel Energie sparen. Durch den massiven weltweiten Ausbau wächst aber derzeit der dafür nötige Energieverbrauch dennoch schnell. Deshalb unterstützen wir die vom Autor Prof. Dr. Werner Thiede geforderte öffentliche Debatte auch auf politischer Ebene. Vor- und Nachteile sind klug gegeneinander abzuwägen. Klima, Umweltschuz und Gesundheit dürfen dem Altar des technischen Fortschritts und wirtschaftlichen Interessen nicht geopfert werden.

Beim weiteren Ausbau der Digitalisierung und der Funktechnik fordern wir die Beachtung folgender Kriterien:

  • Deutliche Reduzierung des Energieverbrauchs auf allen Ebenen (Computer, Smartphones, Rooter, Server, Rechenzentren, Funktechnik etc.)
  • Weiterer Ausbau nur, wenn dafür „grüner“ Strom verwendet wird
  • Entwicklung umweltfreundlicher Akkus sowie deren einfache Austauschmöglichkeit
  • Vorbeugender Gesundheitsschutz: Funktechnik nur da, wo kabelgebundene Lösungen nicht möglich sind. Funktechnik erst dann, wenn gesichert ist, dass damit keine gesundheitliche Risiken verbunnden sind. Unabhängige Forschung zu gesundheitlichen Risiken.

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1 Kommentar

  1. KLIMAKRISE

    Wir denken nicht darüber nach, wie die Digitalisierung unsere Umwelt belastet, auch ich nicht wirklich.
    Wir wollen das schnellste Netz, das schnellste Handy, ohne daran zu denken, dass das Ressourcen verbraucht und CO2-Emissionen verursacht.
    Wie viel habe ich zur KlimakKatastrophe beigetragen, während ich diesen Beitrage poste? Wir müssen alle unsere Handlungen auf den Prüfstand stellen und daraus positive KONSEQUENZEN ziehen, sonst wird unser Planet für die folgenden Generationen unbewohnbar.

    Antworten

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Quellenangaben und/oder Fußnoten:

Dr. Prof. Christoph Meinel, Professor für Internet Technologien und Systeme
Titelbild: AdobeStock,Rawf8

(1) Armin Grunwald: Der unterlegene Mensch. Die Zukunft der Menschheit im Angesicht von Algorithmen, künstlicher Intelligenz und Robotern, 2019, 225
(2) Sven Plöger: Stromfresser Internet, auf: Telepolis vom 8.6.2020 (tp/features/Stromfresser-Internet-4776573.html)
(3) Vgl. Tilman Santarius/Steffen Lange: Smarte grüne Welt, 2018, 34
(4) So Joshua Floyd u.a. (Hrsg.): Das Ende der Kohlenstoff-Zivilisation. Wie wir mit weniger Energie leben können, 2020.
(5) faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/wie-viel-energie-das-5g-netz-benoetigt-16528789.html (Zugriff 12.6.2020)
(6) umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/publikationen/politische-handlungsempfehlungen-green-cloud-computing_2020_09_07.pdf (Zugriff 17.9.2020)
(7) Vgl. mein Buch „Mythos Mobilfunk. Kritik der strahlenden Vernunft“ (2012)
(8) Vgl. Werner Thiede: Die digitale Fortschrittsfalle. Warum der Gigabit-Gesellschaft mit 5G-Mobilfunk freiheitliche und gesundheitliche Rückschritte drohen, 2019
(9) openpetition.de/petition/online/ausbau-des-5g-mobilfunknetzes-in-hamburg-stoppen (Zugriff 20.8.2019)
(10) bitkom.org/Presse/Presseinformation/Studie-zur-Akzeptanz-von-Mobilfunkmasten (Zugriff 22.6.2020)
(11) Siehe wbgu.de/de/publikationen/publikation/unsere-gemeinsame-digitale-zukunft (Zugriff 23.7.2019)

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