Ziel ist, die hervorragende Ökobilanz und Ästhetik von Massivholz mit den Vorzügen textiler Konstruktionen zu verbinden. Die Vorteile von Textilien liegen in ihrer überragenden Eignung für den Leichtbau, ihren Funktionalisierungs- und Formgebungsmöglichkeiten, ihren hochentwickelten und erprobten Herstellungs- und Verarbeitungstechnologien, sowie in ihrer seit Jahrtausenden bekannten und immer wieder wandelbaren charakteristischen Ästhetik paralleler und sich überkreuzender Fäden.

(1) Weidenanbaufläche
(2) Besäumen von Weidenschienen (Skizze)

Die Kasseler Wissenschaftler und Gestalter um Prof. Heike Klussmann fügen leichte, flexible und zugfeste Flechtweidenschienen mit einem Querschnitt von wenigen Quadratmillimetern stirnseitig zu einem Endlosfaden. So entsteht ein neuartiges Halbzeug für die Weiterverarbeitung zu textilen Strukturen: ein Massivholzmonofil. Das Monofil lässt sich aufspulen und anschließend mit unterschiedlichen Verarbeitungsverfahren zum Beispiel verknoten, weben, flechten, legen und wickeln. Über den Umbau handwerklicher Geräte, wie einem Webstuhl, wird die Kontrolle über das Materialverhalten gewonnen. Ziel ist die automatisierte Fertigung an Web- und Flechtmaschinen sowie Leg- und Wickelrobotern.

Weidenholz ist seit Jahrtausenden aus dem Korbmacherhandwerk bekannt. Es ist besonders biegsam und hat ein besonders günstiges Verhältnis von Gewicht und Zugfestigkeit. Der Anbau des schnell nachwachsenden Rohstoffs ist auf der Nordhalbkugel besonders auf wasserreichen Böden landwirtschaftlich interessant. Je nach ergänzender Behandlung erhalten die Holztextilien anschließend Festigkeit. So lassen sich verschiedene textile Formholzteile gewinnen, die in der Architektur, im Bauwesen, im Fahrzeugbau oder im Produktdesign verwendet werden können – beispielsweise für Strukturbauteile, Fassaden, Möbel oder Innenausstattung von Autos.

(3) 60 Meter Weidenmonofil auf einer Spule
(4) Knoten in einer Weidenschiene
(5) Gewebe aus Massivholzmonofil

“Unsere Entwicklung vereint die Vorteile von Textilien mit den Vorteilen von Massivholz”, beschreibt Professor Klussmann. “Textilien sind leicht, flexibel, sehr formbar und ästhetisch. Dazu kommt, dass Holz nachhaltig ist und sein vielseitiger Anbau Perspektiven für die Landwirtschaft bietet, auch in Deutschland.” Projektleiterin Stefanie Silbermann ergänzt: “Im Grunde nehmen wir buchstäblich einen Faden wieder auf, der vor etlichen Jahrzehnten abgerissen ist – Korbflechterei hat in Mitteleuropa eine lange Tradition. Auch für die Holzweberei gab es Ansätze im Handwerk des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Bemühungen an der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR in Eberswalde in den 1980er Jahren, endlose Fäden aus Weidenholz zur Bestückung von Webstühlen zu entwickeln, brachen mit der deutschen Wiedervereinigung ab.”

(6) Weidenmonofilgewebe
(7) 3-D-Druck Abstandsstruktur

Quelle

Forschungsverbund TETHOK – Textile Tektonik für den Holzbau

Zum Forschungsverbund TETHOK – Textile Tektonik für den Holzbau an der Universität Kassel gehören die folgenden Fachgebiete:
Forschungsplattform BAU KUNST ERFINDEN | Prof. Heike Klussmann | Sprecherin
FG Experimentelles und Digitales Konstruieren und Entwerfen | Prof. Philipp Eversmann,
FG Trennende und Fügende Fertigungsverfahren | Prof. Dr.-Ing. Prof. h.c. Stefan Böhm
Institut für Werkstofftechnik/Kunststofftechnik | Prof. Dr.-Ing. Hans-Peter Heim,
FG Baumechanik/Baudynamik | Prof. Dr.-Ing. habil. Detlef Kuhl
FG Bauwerkserhaltung und Holzbau | Prof. Dr.-Ing. Werner Seim

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IBN-Kommentar
Gegenstände aus Weidengeflecht sind schön, aber oft unbezahlbar. Dieses Forschungsprojekt verbindet ein altes Material und das fast schon ausgestorbene Handwerk der Korbflechterei mit neuen Technologien, so dass ein konkurrenzfähiges Produkt entsteht. Nachwachsendes Massivholz kann so noch vielseitiger eingesetzt werden und als Ersatz für aus ökologischer Sicht problematische Kunststoffe dienen. Auch lässt es eine organische Formensprache zu. Sehr schön! Ein Projekt das zukunftsweisend ist und die Vision einer nachhaltigen Produktionskette unterstützt.
Josef Frey, Innenarchitekt und Baubiologe IBN

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