Das diffusionsoffene Dämmsystem aus Lehmmörtel und Mineraldämmplatten ist speziell für die Sanierung von historischen Fachwerkhäusern geeignet, da es unerwünschte Tauwasserbildung in der Wandkonstruktion kompensiert und so die Entstehung von Feuchteschäden nachhaltig verhindert. Im Ergebnis entstand ein Gebäude, das die Anforderungen des GEG für Neubauten erfüllt und ohne Einschränkungen modernen Nutzungsanforderungen entspricht.

Vor dem Hintergrund einer weitreichenden Kriegszerstörung – der alte Stadtkern Hannovers wurde im zweiten Weltkrieg zu 85 % zerstört – wagte die Stadt an der Leine einen radikalen Neuanfang. Statt Altes zu rekonstruieren, bekam die Stadt ein neues Gesicht. Ganze Viertel wurden auf dem Reißbrett neu geplant. Vielspurige Straßen und ein ausgeklügeltes Verkehrskonzept entstanden, um diese Trabantenstädte mit dem Zentrum zu verbinden. In der Folge wurde die niedersächsische Metropole über Jahre hinweg zum Mekka der Stadtplaner und gilt auch heute noch als Inbegriff einer gegliederten 1950er-Jahre-Stadt. Nur noch wenig erinnert an das alte Stadtbild.

Einen Eindruck vom einstigen Aussehen der Residenzstadt der Kurfürsten und Könige von Hannover vermittelt die vom Holzmarkt zur Marktkirche führende Kramerstraße mit ihren historischen Fachwerkhäusern. Ihnen kommt mittlerweile – lediglich 20 Fachwerkhäuser sind heute noch im Stadtbild wahrzunehmen – eine besondere Bedeutung zu.

Unlängst wurde hier eines dieser Relikte aus früherer Zeit denkmalgerecht saniert. Zielsetzung war dabei, die Modernisierungsmaßnahme nach den Standard eines EnEV-Neubaus durchzuführen und das Objekt in einen zeitgemäßen Nutzungszustand zu versetzen. Heute sind im Erdgeschoss die Geschäftsräume eines inhabergeführten Herrenausstatters, in den drei Obergeschossen ein Planungsbüro und eine Kommunikationsagentur sowie im Dachgeschoss eine Wohnung untergebracht.

Erhalt des Gebäudes in der gesamtgeschichtlichen Struktur

Vielfältige, oft auch nur teilweise durchgeführte Umbauten des etwa auf 1680 datierten Hauses legen Zeugnis ab von einer bewegten Vergangenheit. Aber weder die umfassenden klassizistischen Umbaumaßnahmen, noch die insgesamt kleineren Eingriffe des 19. und 20. Jahrhunderts haben den ursprünglichen Bau grundlegend verändert. „Es zeigt sich heute ein heterogenes Gefüge, in dem keine Bauphase das Gesamtbild von Konstruktion und Gestaltung dominiert,“ berichtet Projektplaner und Architekt Rainer Wildmann Ziel der gesamten Maßnahme, so Wildmann, sei daher vor allem der Erhalt des Gebäudes in seiner gesamtgeschichtlichen Struktur gewesen.

Vor allem umfassende Schäden an der Gebäudekonstruktion erforderten eine grundlegende Sanierung. So entwickelten die Projektplaner etwa zur Entlastung des alten Kellergewölbes ein inneres Tragsystem auf Basis der statisch intakten Teile des Bestandes. In den Außenwandkonstruktionen ersetzten sie nicht mehr tragfähige Hölzer. Teile der Holzkonstruktion, die nur partiell geschädigt waren, wurden unter Anwendung traditioneller Techniken repariert. Im gesamten Gebäude mussten schädliche und ungeeignete Anstriche, Spachtelungen und Putze entfernt und ersetzt werden. Geplant war auch eine Dämmung sämtlicher Wände, Decken und Böden. Ergänzt wurde das Konzept durch eine entsprechende Anlagentechnik sowie durch den Einbau hochwärmedämmender Fenster.

Tauwasserschäden an der Holzkonstruktion verhindern

Im Fokus der Dämm-Maßnahmen standen vor allem die Außenwände. Sie sollten im Rahmen der energetischen Modernisierung eine Innendämmung erhalten. Damit konnte gleichzeitig die historische Fachwerk-Fassade erhalten bleiben. Hierzu Georgios Schade, Geschäftsführer der SMB Baugestaltungs-GmbH, die das Projekt fachtechnisch beraten und die Innendämmungs-und Lehmbauarbeiten durchgeführt hat: „Die Innendämmung von Gebäuden stellt sowohl an die Planenden und Ausführenden, als auch an die gewählten Materialien besondere Anforderungen. Da es dabei vor allem um die Berücksichtigung bauphysikalischer Aspekte geht, ist die richtige Materialwahl äußerst wichtig.“

„Vor allem bei Fachwerk,“ weiß Schade, „ist der Dämm-Konstruktion eine hohe Bedeutung beizumessen. Die Kombination von so verschiedenen Materialien wie Holz, Ziegel, Naturstein, Lehm und Kalk und deren unterschiedliches Verhalten bei veränderten klimatischen Verhältnissen erfordern eine genaue Betrachtung. Speziell bei der Ausführung einer Innendämmung sind Besonderheiten zu berücksichtigen, die dem Schutz der tragenden Holzkonstruktion dienen.“ Dabei gelte es, betont Schade, das Hinterströmens des Dämmsystems mit warmer Raumluft zu verhindern sowie Tauwasserschäden an der Holzkonstruktion zu vermeiden: „Das wird nur erreicht durch die Verwendung eines kapillaraktiven Dämmstoffs, der einen Teil des anfallenden Tauwassers kapillar zum Raum hin zurückführt.“

(1) Fachwerkhaus in Hannover, Kramerstraße
(2) Oberflächen innen nach Abtragen ungeeigneter Materialien
(3) Aufbringung des Lehmmörtels
(4) Die Mineraldämmplatten (d = 80 mm) wurden mit Lehmmörtel verklebt
(5) … und anschließend mit Lehm-Unterputz (d = 8 mm) verputzt
(6) Aufbringung des Lehm-Unterputzes auf ganzflächige Gewebeeinlage
(7) Lehm-Oberputz (5–6 mm) durch Reiben und Filzen streichfertig bearbeitet
(8) Die Endbeschichtung erfolgte mit Silikatinnenfarbe
(9) Das Ergebnis kann sich sehen lassen

Kapillaraktives Dämmsystem

Zum Einsatz kam ein System aus Mineraldämmplatten und einem darauf abgestimmten Lehmputz (Multipor Innendämmsystem), also ein diffusionsoffenes, kapillaraktives System, das ohne Dampfsperre ausgeführt wird. Ausschlaggebend für die Materialwahl war auch die Tatsache, dass die Mineraldämmplatte gegen Schwamm- und Schimmelbefall resistent ist und Lehm aufgrund seiner sehr geringen Ausgleichsfeuchte eine konservierende Wirkung auf die umschlossenen Hölzer hat. „Außerdem,“ so Schade, „ist das System einfach zu verarbeiten. Eine unkompliziert zu montierende und wenige Schichten umfassende Innendämmung birgt ein geringeres Fehlerpotenzial und trägt somit wirkungsvoll zur Bauteilerhaltung bei.“

Architekt Rainer Wildmann ergänzt: „Die Materialien passen zusammen und harmonieren miteinander. Wir erhalten im Ergebnis energieeffiziente Werte und ein gutes Raumklima. Außerdem lässt sich das Ganze wirtschaftlich umsetzen.“

Multipor Lehmmörtel ist ein umweltfreundlicher Baustoff, der frei von Schad- und sonstigen Zusatzstoffen ist. Durch seine große Diffusionsoffenheit verfügt er über eine gute Feuchteaufnahme- und -abgabefähigkeit. Seine wärmespeichernden Eigenschaften wirken sich positiv auf das Raumklima aus. Reste können zu 100 % recycelt oder problemlos in den Naturkreislauf zurückgeführt werden.

Breites Anwendungsspektrum

Speziell im vorliegenden Fall bot der Lehmmörtel jedoch vor allem Vorteile durch sein breites Anwendungsspektrum, das es ermöglicht, komplette Innendämmungsaufbauten mit nur einem Mörtel zu erstellen. Das ausschließlich aus Lehmpulver und Natursanden bestehende Material kann gleichermaßen als Ausgleichsputz bei Unebenheiten im Untergrund oder als Klebemörtel für die Mineraldämmplatte eingesetzt werden, außerdem als Armierungsputz mit Gewebeeinlage bzw. als abschließender Oberputz, auch als Putz beim Einbau einer Wandheizung.

Der Multipor Lehmmörtel kann auf fast allen Untergründen verarbeitet werden: Mineraldämmplatten, Leichtmörtel, Kalk- oder Kalkzementputze, Lehmsteine und Lehmbauplatten, alle Arten von Mauerwerk, Schilfrohr, Ziegeldraht oder Fachwerkgeflecht. Einzige Voraussetzung ist ein Putzgrund, der sauber, trocken und staubfrei ist.

Perfekter planebener Untergrund

Um den historischen Unterbau möglichst weitgehend zu erhalten, wurde im vorliegenden Fall darauf verzichtet, den gesamten alten Wandbelag komplett bis auf das Ständerwerk und die Ausfachung zu entfernen. Vielmehr entfernten die Restauratoren lediglich die nicht tragfähigen Putzstellen und besserten die Schadstellen in dem für Norddeutschland typischen Strohlehmschlag- Untergrund aus. Anschließend wurde die Fläche mit Lehmmörtel als Ausgleichsputz begradigt. Es gelang dabei, einen perfekten planebenen Untergrund herzustellen. So konnte die anschließende Verlegung der Mineraldämmplatten (Dicke = 80 mm) deutlich vereinfacht und somit beschleunigt werden.

Sobald der Ausgleichsputz ausgetrocknet war, begann die Verarbeitung der Mineraldämmplatten, die im Fugenverband auf den ebenen und trockenen Untergrund geklebt und zusätzlich mit vier Schraubfestigern pro m2 im Fachwerkholz befestigt wurden. Zuvor wurde Lehmmörtel vollflächig mit einer Zahntraufel bis zu 10 mm dick auf der Plattenunterseite aufgetragen und anschließend mit den Zähnen der Glattkelle „durchgekämmt“.

Geringes Gewicht, Druckfestigkeit und Formstabilität sowie das handliche Format von 600 x 390 mm sorgen für einfache Handhabung sowie einen schnellen Arbeitsfortschritt. Die Platten liegen im Stoß fugenlos nebeneinander, die Stoßfugen werden nicht vermörtelt. Durch das vollflächige Auftragen des Lehmmörtels als Dämmplattenkleber konnte die gesamte Dämmung hohlraumfrei erstellt werden. Die Gefahr der Hinterströmung des Dämmsystems mit warmer Raumluft bestand damit nicht. „Weil man die Mineraldämmplatten in Kombination mit dem Lehmmörtel satt und vollflächig auf der Wand aufbringen kann“, erläutert Rainer Wildmann, „funktioniert eine Innendämmung auch bei den unregelmäßigen Wänden eines denkmalgeschützten Fachwerkhauses.“

Ganzflächiger Gewebeeinlage

Nach dem Verkleben der Mineraldämmplatten wurde Lehmmörtel mit ganzflächiger Gewebeeinlage als Armierungsschicht aufgebracht und frisch in frisch verdübelt. Die Schichtdicke betrug ca. 8 mm. Sobald die Armierung erhärtet war – die Trocknungszeit beträgt etwa 1 mm/Tag – konnte abschließend eine 5 – 6 mm dicke Oberschicht aus Lehmmörtel aufgetragen werden.

Sämtliche mit Lehmmörtel ausgeführten Schichten, angefangen von der Ausgleichsschicht bis hin zum zweilagigen Oberputz wurden mit der gleichen Mischung ausgeführt. „Uns fielen,“ hat Rainer Wildmann beobachtet, „die sehr guten Haftungseigenschaften des rein mineralischen Lehmputzes in Kombination mit einem sehr geringen Trockenschwundverhalten auf.“ Abschließend wurde der Lehmoberputz durch Reiben und Filzen streichfertig bearbeitet. Die Endbeschichtung erfolgte mit Silikatinnenfarbe, damit die Diffusionsoffenheit bestehen bleibt.

Ebenfalls mit Lehmmörtel wurden die Innenwände und die Decken in allen fünf Etagen des Gebäudes ausgeführt. Bei den Decken entschied man sich bauseits jedoch nicht dazu, die alten Putzschichten abzureißen, sondern gleich eine neue Unterlattung mit einer Schilfrohrmatte als Putzträgergrund einzubringen. So ist es auch gelungen, die historischen Decken mit alten, jedoch nicht aufbereiteten Malerei-Resten dahinter zu konservieren.

Fazit

Die Planer traten bei diesem Projekt den Beweis an, dass auch für historische Fachwerkhäuser wirtschaftliche und energieeffiziente Modernisierungsmöglichkeiten bestehen. Zwei weitere historische Fachwerkhäuser wurden im Anschluss nach dem gleichen Prinzip renoviert und einer modernen Nutzung zugeführt.

Bautafel

BauherrAltstadtwohnen, Kramerstraße KG
ArchitektRainer Wildmann, Wildmann Architekten,
Hannover
Projektberatung, Lehmbauarbeiten und DämmungGeorgios Schade,
SMB Baugestaltungs-GmbH
MaterialMultipor Mineraldämmplatten
und Multipor Lehmmörtel

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  1. Innensilikatfarbe ist meist eine Acrylat-Dispersion mit Silikatanteilen. Hierdurch kann die kapillar-hygroskopisch aktive Lehmputzoberfläche in ihrer Kapillaritat sehr beeinträchtigt werden. Der sd-Wert ist deshalb in der Praxis wenig aussagekräftig.

  2. Einschlägigen Meinungen zufolge soll bei Innendämmungen von Sicht-Fachwerk die Dämmdicke über den Hölzern 4 cm nicht überschreiten, damit die (tragenden) Holzkonstruktionen ausreichend Transmissionswärme erhalten, um bei hohen Außenluftfeuchten noch austrocknen zu können. 8 cm Dämmplattendicke erscheinen zu viel.
    Entscheidend ist hier vermutlich auch die Art der Heizung. Gerade für Fachwerke ist die Strahlungsheizung wichtig, da bei Konvektionsheizungen (Heizen mit warmer Luft) die Außenwand stets kühler bleibt.

    • Hallo Herr Rainer Hollar,

      vielen Dank für Ihren Kommentar. Wir empfehlen bei dickeren Innendämmungen und/oder ungünstigen Rahmenbedingungen stets eine professionelle rechnergestützte Berechnung (hydrothermisches Simulationsverfahren) sowie Planung/Detaillierung durchführen zu lassen. Generell sind alle Details fachgerecht auszuführen und hierzu gehört u.a. nicht nur die konsequente Vermeidung von Wärmebrücken, sondern auch die regendichte Ausführung der Fachwerkwände sowie ein bestmöglicher Schlagregenschutz. Als Lektüre können wir Ihnen folgende Beiträge im “baubiologie magazin” sowie das genannte WTA-Merkblatt empfehlen:
      Innendämmung und Bauphysik
      Innendämmung und Schutz vor tauwasserbedingten Feuchteschäden
      WTA-Merkblatt 8-5 “Fachwerkinstandsetzung Innendämmungen”

      Ihr IBN

    • Hallo Herr Hollas,
      grundsätzlich stimme ich Ihnen zu: Sichtfachwerk und Innendämmung können eine heikle Kombination sein. Jedoch kommt es stark darauf an, wie das Gebäude ausgerichtet ist und wie gut es (z.B. in innerörtlicher Lage) vom Schlagregen abgeschirmt ist.
      Allgemein gilt: Die feuchtetechnische Funktionsfähigkeit eines Innendämmsystems steht und fällt mit der Schlagregenbelastung (Wetterseite!) und dem Schlagregenschutz (Dachüberstand, Außenputz, Vorsatzschale). Während bspw. 8 oder 10 cm kapillaraktive, diffusonsoffene Innendämmung bei Sichtfachwerk auf der wetterabgewandten Seite oder bei Vorsatzschale bzw. WTA-konformem Außenputz auf der Wetterseite absolut problemlos sein können, sieht das bei Sichtfachwerk auf der Wetterseite ganz anders aus. Häufig ist da sogar von einer Innendämmung völlig abzuraten!
      Im Einzelfall ist immer mittels hygrothermischer Simulation nach DIN EN 15026 (WUFI vom Fraunhofer IBP oder Delphin vom Institut für Bauklimatik der TU Dresden) zu ermitteln, ob die Innendämmung feuchtetechnisch funktioniert oder nicht.
      Ein Problem ist dabei manchmal, dass per Gemeindesatzung Fachwerke aus falsch verstandenem Historismus auf der Wetterseite freigelegt werden (sollen), wo früher eine Vorsatzschale war. Nun gut, die war vielleicht aus Eternit. Dann kann man sie mit Schiefer neu machen. Aber, wie gesagt, Sichtfachwerk auf der Wetterseite und Innendämmung sind i.d.R. ein “no go”.
      Die Art der Beheizung spielt dabei auch eine Rolle, allerdings nur untergeordnet. Aber auch da haben Sie grundsätzlich recht!
      Viele Grüße
      Frank-Stefan Meyer
      Fachverband Innendämmung (FVID e.V.)
      WTA International, Referat 6 (Bauphysik), Arbeitsgruppe Innendämmung

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