Hintergrund

Bereits vor rund 10 Jahren wurde im Rahmen der Erkenntnis, dass die deutsche Bevölkerung bald eine der ältesten der Welt sein wird, über alternative Wohnformen im Alter nachgedacht. Es gab Podiumsdiskussionen zu verschiedenen Ansätzen, organisiert von der Koordinationsstelle für Wohnen im Alter. Entwickelt wurde letztendlich eine Senioren-Siedlung mit einem Nimm-Gib-System, in dem die Bewohner selbstbestimmt wohnen und in einer organisierten Gemeinschaft zusammen leben können.

Konzept

Anders als bei vielen Altersheimen und Seniorenresidenzen, sollte hier ein Wohnpark entstehen, also eine Gruppe von Wohnhäusern in einem Park mit Bäumen und Gärten und einem Gemeinschafts-Pavillon. Die Häuser sind dabei baubiologisch gebaut, zumal ältere Menschen häufiger gesundheitliche Probleme haben und sich mehr Zeit drinnen statt draußen aufhalten. Gärten und überdachte Terrassen sollen den Aufenthalt im Freien fördern. Das Gemeinschaftshaus mit Fitnessraum und einer Art Bistro mit Küche und großer Terrasse lädt alle ein, miteinander etwas zu unternehmen und füreinander da zu sein.

Ort

Waldmünchen ist für dieses Projekt ideal: ein Luftkurort mit See im Naturpark “Oberer Bayerischer Wald” mit allen Versorgungseinrichtungen in unmittelbarer Nähe. Das Grundstück für den Wohnpark – ein Süd-West-Hang unweit von der Trenck-Burg und vom Marktplatz mit Rathaus – bietet viel Sonne und einen freien Blick in die Ferne. Die Preise sind moderat, die Auswahl an Handwerkern ist groß und die Einwohner sind herzlich. Ein Glücksfall ist das Mehrgenerationenhaus, ein historisches Haus am Marktplatz, in dem die Stadt zu Veranstaltungen einlädt und das Zusammensein aller Generationen fördert. Um die Stadt herum gibt es ein umfangreiches Wander- und Radwegenetz und ein vielfältiges Angebot für Freizeit und sportliche Betätigung.

Genossenschaft

Ziel ist, mit wenig Eigenkapital und geringer finanzieller Belastung ein eigenes Heim zu haben, dabei abgesichert und gemeinsam stark zu sein und klare Regelungen für die Erben zu haben. Die Gründung der Genossenschaft erfolgte im März 2021 auf Basis einer selbst entwickelten Satzung, in welcher der die Struktur der Gemeinschaft, die Investitionen und Finanzierungen, die Regelungen im Falle eines Ausscheidens und viele rechtlich erforderlichen Festlegungen pragmatisch definiert sind. Die juristische Prüfung und die Eintragung ins Handelsregister dauerte jeweils ein viertel Jahr, währenddessen erfolgte Mitte 2021 der Erste Spatenstich. Die Genossenschaft berechnet den Mitgliedern nur die tatsächlich entstehenden Kosten, weil sie nicht gewinnorientiert ist. Zudem bildet sie bei der GLS-Bank Rücklagen. Die gemeinsame Vorgehensweise ermöglicht auch Kostenreduzierungen u.a. durch die gemeinsame Planung und Erschließung, einen zentralen Telefon- und Internetanschluss oder eine gemeinsame SAT-Anlage.

(1-2) Gut zu sehen ist das achteckige Gemeinschaftshaus im Zentrum der Seniorensiedlung in Waldmünchen.

Planung

Die Idee des Wohnparks beruht darauf, dass die Senioren zwar in Ruhe unter sich sind, der Wohnpark aber dennoch in das anschließende Wohngebiet und die städtische Struktur integriert ist. Der Bebauungsplan wurde Mitte 2019 von der Stadt beschlossen und Mitte 2020 als Satzung von der Stadt unter Einbeziehung des Landratsamtes Cham und der Träger öffentlicher Belange verabschiedet. Er regelt die Größe der einzelnen Grundstücke, die bauliche Nutzung, die Typologie und Anordnung der Gebäude, die Erschließung, die Entwässerung und Bepflanzung.

Erschließung

Ursprünglich gab es die Idee einer Ringstraße. Letztendlich wurden es zwei Stichstraßen, einmal aus Kostengründen, aber auch, weil dadurch eine Terrassierung in vier Häuserzeilen möglich wurde und die Hanglage etwas entschärft werden konnte. Jedes Haus erhielt eine Regenwasserzisterne als Zwischenspeicher (Retention) für das Dachwasser und als Wasservorrat für das Garten-Gießwasser Wasser, Heizung, Telefon und Strom werden über das Gemeinschaftshaus verteilt, damit die Ablesung zentral erfolgen kann und wenig Grundgebühren anfallen. Die Zufahrten zu den Carports bestehen aus wasserdurchlässigem Pflaster, das im nahen Rötz hergestellt wird, um eine Bodenversiegelung zu vermeiden und den Transportaufwand zu minimieren. Die Planer und Baufirmen aus der Region sind auch für die Stadt Waldmünchen tätig.

Häuser

Zunächst waren die Häuser eingeschossig geplant. Nach vielen Gesprächen mit den zukünftigen Bewohnern erhielten die Häuser ein Pultdach, um unter den Dächern zusätzlichen Platz in Form von Galerien schaffen zu können. Der Grundriss besteht aus zwei Schlafzimmern, einem Privat- und einem Gästebad, einer Speise und einem offenen Küche-Essen-Wohnbereich. Das versetzte Pultdach mit Fenstern im Pultbereich führt zu einem großes Raumvolumen der Schlafzimmer, eine gemütliche Ecke im Wohnbereich und viel Licht von oben. Bodentiefe Fenster im Schlafzimmer ermöglichen einen guten Ausblick vom Bett nach draußen. Die große Hebe-Schiebetüre im Wohnbereich erlaubt einen barrierefreien Zugang auf die überdachte Süd-West-Terrasse.

Baubiologie

Die Häuser im Wohnpark sind weitgehend baubiologisch geplant und gebaut. Es wurden möglichst natürliche Baustoffe verwendet, Kunststoffe vermieden, viel natürlicher Lichteinfall geplant, durch Verwendung von Holz und Lehm für ein gesundes Raumklima gesorgt, geologische Störungen berücksichtigt, PVC-freie und abgeschirmte Elektroleitungen verwendet, Netzfreischalter eingebaut, WLAN-Router ins Gemeinschaftshaus ausgelagert, Strahlungswärme via Lehm-Wandheizungen realisiert, mineralische Wandfarben eingesetzt, Massivholzparkett verlegt und die meisten Gewerke mit Handwerkern ortsnaher Firmen ausgeführt. Durch die baubiologischen Ausführungen soll die Gesundheit der Senioren lange erhalten bleiben.

(3-6) Gemeinschaftshaus und drei der insgesamt elf Häuser in verschiedenen Bauweisen

Nachhaltigkeit

Die Häuser sind energieeffizient gebaut und wurden entsprechend von der KfW-Bank gefördert. Der Wohnpark ist über Fernwärme an das Böhmerwald-Biomasse-Heizkraftwerk angeschlossen, sodass sie keine eigene Heizung, sondern nur Wärme-Übergabe-Stationen benötigen und mit erneuerbarer Energie versorgt werden. Es wurden weitgehend nachwachsende und CO2-neutrale Baustoffe eingesetzt, bei den Terrassen und Carports heimisches Holz verwendet, Natursteinmauern gebaut, wasserdurchlässiges Pflaster bei den Zufahrten verbaut sowie die Dachentwässerung über Zisternen geführt. Strom wird über eigene Photovoltaikanlagen auf den Dächern selbst erzeugt. Ziel ist ein möglichst positiver ökologischer Fußabdruck als Vorbild für zukünftiges Bauen.

(7-9) Individuelle Einrichtung/Gestaltung der offenen Küche-Essen-Wohnbereiche im Erdgeschoss der Häuser

Lebensqualität

Alle Maßnahmen entspringen einem ganzheitlichen Ansatz und erzeugen eine hohe Lebensqualität: physische, psychische, geistige und soziale Gesundheit der Bewohner und der Gemeinschaft. Die Natur des nördlichen bayerischen Waldes, die Einbettung in eine Kleinstadt, vielfältige Freizeitmöglichkeiten, gesundes Wohnen, ein gutes Gefühl durch nachhaltige Ökologie, gemeinschaftliches Leben, füreinander da sein zeigt sich zusammen gefasst im Motto „richtig gut leben“.

Forschungsprojekt 

Nach Fertigstellung der Häuser werden im Rahmen eines geförderten Forschungprojektes der Technischen Universität München zusammen mit dem IQUH, dem IBN, Ascona und holzhausscout ein Jahr lang Messungen, Analysen und Nutzerbefragungen u.a. zu folgenden Kriterien stattfinden:

  • Bauphysik
  • Raumklima
  • Energieeinsatz und -verbrauch
  • ökologischer Fußabdruck

Ziel des Forschungsprojektes ist, Erkenntnisse zu gewinnen, wie sich die verschiedenen Bauweisen (Holzleichtbau, Holzmassivbau, Ziegelbau u.a.) auf diese Kriterien auswirken. Die Ergebnisse werden wir hier im Baubiologie Magazin vorstellen.

Baudaten

Planungsgemeinschaft Kleinschmidt-Gehringer-Tochtermann

Baujahr2021 – 2022
Wohnflächeca. 1300 m2 + Gemeinschaftspavillon
Gesamtkostenca. 5,9 Mio €
Außenwändeverschiedene Holzbauweisen + 1 Ziegelhaus
FensterHolz-Alu-Fenster
EnergiestandardKfW-Effizienzhaus 55
HeizungskonzeptBiomasse-Fernwärme
WärmeverteilungKombi Lehmwand- und Fußbodenheizung
LüftungFensterlüftung
Photovoltaik11 Anlagen, gesamt ca. 55 KWp
Regenwassernutzung11 Zisternen
GärtenFür jedes Wohnhaus eigener Garten und überdachte Holzterrasse
Baustoffeweitestgehend nachwachsend und naturbelassen
Elektroinstallationabgeschirmte Kabel und Netzfreischalter

Fotos: (1-2) QXXQ | (3-9) Werner Tochtermann

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