Baubiologisches deutsch-französisches Treffen in Nord-Frankreich

Über ein verlängertes Wochenende im Januar 2019 hat der gemeinnützige Verein für nachhaltiges und gesundes Bauen Globe21 zusammen mit der einheimischen Klimaagentur ein Treffen zwischen einem deutsch-französischen Team von Baubiologen und einem breiten Publikum in Château-Thierry möglich gemacht, um gemeinsam über die Energiewende auszutauschen.

Workshop: Wie stellst du dir das ideale und gesunde Haus vor?

Das Wochenende begann am Freitag den 18. Januar mit einem interaktiven Workshop zum Thema „Wie stellst Du Dir das ideale und gesunde Haus vor?“ Von diesem Schlüsselthema ausgehend gab es sehr schnell intensiven Austausch, der zum Abschluss ein konkretes Miniatur-Modell hervorbrachte. Dabei kamen einige der 25 Leitlinien der Baubiologie zur „praktischen“ Anwendung. Die eingeladenen Baubiologen hatten dafür verschiedene umweltfreundliche Baustoff-Materialproben mitgebracht, deren unterschiedlichen Anwendungen am Model demonstriert wurden. Den Teilnehmern wurde so ermöglicht, die Orientierung an der Natur nachzuvollziehen, sowie einige ungewohnte Baustoffe, wie z.B. Dämmung aus Holzfasern, Hanffasern und Kork kennenzulernen und zu „be-greifen“.

Fahrrad-Rundreise zu baubiologischen Projekten

Der nächste Tag startete mit dem Vorstandsvorsitzenden Patrick Thomas des gemeinnützigen Vereins Hêtre Charmé. Die umfangreiche Materialbibliothek mit zahlreichen Ausführungsmodellen und Mobiliar aus lokalem Holz waren dabei das Hauptthema. Anschließend gab es im Rathaus einen Empfang mit einer Gesprächsrunde um die „Transition Town Bewegung“ mit dem Bürgermeister, einheimischen Bürgern und Politikern. Ziel war es dabei, Vergleiche mit deutschen Städten aufzuzeigen. Das Nachmittagsprogramm beinhaltete Besichtigungen von zwei architektonisch unterschiedlich gelungenen klimafreundlichen Wohnprojekten, einer lokalen Lebensmittelhändlerin, einer Trödel-Wiederverwertungswerkstatt und dem FabLab. Der gesamte Parcours wurde von allen Teilnehmern bewältigt mit dem umweltfreundlichen Verkehrsmittel Fahrrad. Der ereignisreiche Tag wurde abgerundet mit einem deutsch-französischem Abend, mit lokalem Bio-Champagner und deutschen Liedern.

(1) Workshop: „Wie stellst Du Dir das ideale und gesunde Haus vor?“
(2) Materialbibliothek des Vereins Hêtre Charmé
(3) Haus der Migranten aus lokalem Holz ausgebaut
(4 und 5) Gute Ideen sollten über die Landesgrenzen hinausgetragen werden: Die Architekten vom Haus der Migranten überraschten durch ihre unkonventionelle Art, ihre Arbeit vorzustellen. Sie verteilten Schaubilder in chronologischer Abfolge an alle Besucher und jeder hatte Gelegenheit mit eigenen Worten einen Bauabschnitt darzustellen oder einfach nur den Text vorzulesen.

Haus für Migranten in Essômes-sur-Marne

Der dritte und letzte Tag begann in Essômes-sur-Marne in dem Haus für Migranten, das vom Architektenbüro Vivarchi restauriert, teilweise erneuert und mit lokalem Holz ausgebaut wurde. Der Altbau wurde großteils entkernt und mit Holztrockenbau innen neu gestaltet, der Neubau besteht aus einer Holzständer-Konstruktion aus Pappelholz, die Außenverschalung aus Eiche und die Straßenfassade des Anbaus musste dem historischen Straßenbild angeglichen werden (Putz und Klinker). Das Wochenende fand einen gelungenen Abschluss in der nebenan gelegenen Abteikirche und mit einem gemeinsamen Mittagessen.

Fazit

Während dieser drei Tage konnten die Teilnehmer regionale Besonderheiten und Initiativen kennenlernen. In dieser von der Landwirtschaft geprägten Gegend werden Hanf und Flachs angebaut, dessen Abfallprodukte lokal in Dämmstoffen verwertet werden können. Auch lokal und sehr beliebt ist der „métisse“, ein Dämmstoff, der aus gebrauchten Textilien gewonnen wird und von der Organisation Emmaus angeboten wird. Lehm hat hier schon in der Vergangenheit eine Rolle gespielt und kann auch weiterhin noch in den modernen Bauweisen integriert werden.

Allgemein ist festzustellen, dass sich beide Länder nach den Weltkriegen sehr unterschiedlich entwickelt haben. Die deutschen Städte wurden sehr stark in Mitleidenschaft gezogen und mussten schnell und mit wenig finanziellen Mitteln wieder aufgebaut werden, um die Wohnungsnot zu mildern, die mit dem Babyboom noch einmal zunahm. Daher gab es in Deutschland auch mehr durch die schlechte Bausubstanz hervorgerufene gesundheitliche Probleme, welche dazu führten, dass Architekten, Handwerker und Mediziner sich zusammen fanden, das Institut für Baubiologie + Nachhaltigkeit IBN gründeten und ökologische Baustoffe entwickelten.

Der Trend zum gesunden Wohnen hat sich dadurch in Deutschland viel weiter entfaltet, nicht zuletzt auch, weil Deutsche viel Wert auf das Heim legen. In Frankreich dagegen gilt es dagegen, einen großen Bestand an Altbauten korrekt zu sanieren. Aber auch dabei kann Baubiologie eine wichtige Rolle spielen. Positiv ist anzumerken, dass es in Frankreich mehr Bauprojekte mit Strohballen gibt als in Deutschland. Des Weiteren haben deutsche Baubiologen 1984 in Frankreich den landesweiten Verein bâtir sain (gesundes Bauen) gegründet.

Auf jeden Fall ist es schön und wichtig, dass Franzosen und Deutsche sich trotz aller geschichtlichen Hintergründe weiterhin gut verstehen, dicke Freundschaften pflegen und voneinander lernen. Es hat sich schon oft gezeigt, dass deutsch-französische Teams sehr gut funktionieren.

Zeitungsartikel

Gegenbesuch in Deutschland

Der Gegenbesuch sollte nächstes Jahr in Deutschland stattfinden, damit auch die französischen Teilnehmer sich über deutsche Eigenheiten und Fortschritte informieren können. Auf dem Programm könnte unter anderem stehen: Besichtigung der Masterplanstadt Kaiserslautern und der Holzwerkstatt in Frankelbach, mit Übernachtung in der ehemaligen Öl- und Getreidemühle und nun Tagungs- und Freizeithaus Galappmühle bei den „Brückenbauern“ (ein Projekt zwischen jungen Flüchtlingen und einheimischen Deutschen), einem baubiologischen Fachhändler in Bad Dürkheim und das Gebäude des Institut für Baubiologie + Nachhaltigkeit IBN in Rosenheim. Eine Gruppe von ungefähr 10 Franzosen freut sich schon, dabei mit deutschen Baubiologen in Kontakt zu kommen.

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Das deutsche-französische Team aus Baubiologen bestand aus:
Isabelle Hahn, die Autorin dieses Beitrags, ist gebürtige Deutsche mit deutscher und französischer Staatsangehörigkeit und deutsch-französischem Studienabschluss. Sie lebt nun seit etwa 20 Jahren in Frankreich. 2009 hat sie am französischen Institut für Baubiologie in Straßburg ihre Baubiologie-Prüfung erfolgreich absolviert und ist Vorstandsvorsitzende des gemeinnützigen Verein Globe21, welcher gesundes und nachhaltiges Bauern fördert. Zusammen mit Yannick Champain und Patrick Thomas ist sie Geschäftspartnerin im Architektenbüro Vivarchi.
Martin Kempf, Architekt und Geschäftsführer des IBEF (Institut français de baubiologie et d’écologie), Partnerinstitut des IBN
Regina Mathiszig, Dipl.Ing. Architektur, Planerin für Baubiologie, Vorstandsmitglied vom Verein bâtir sain, Referentin für Konzeption im ökologisch orientierten Kollektivbetrieb „Alter Bâtir“ (Anders Bauen).

Seminare und Qualifizierung: 
➔ Baubiologische Raumgestaltung IBN

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