In Teil 1 ging es vorrangig um Grundwissen, Planung der Trocknung und Beschreibung möglicher Sanierungsverfahren. In diesem Teil 2 wird nun beispielhaft ein konkreter Schadensfall vorgestellt.

In einem kürzlich von uns begutachteten Schadenfall gab es gravierende Mängel im Zeitablauf, der Planung und Umsetzung des Trocknungsaufbaus, was zu einer erheblichen Schadenausweitung geführt hat.

Aufgrund einer undichten Pressverbindung an einer in einer Vorwandsinstallation befindlichen Klospülung einer Wohnung des ersten Obergeschosses, die sich schlagartig löste, ergossen sich in einer Januarnacht ca. 8.000 Liter Wasser in einen erst kurz davor fertiggestellten Wohnhausneubau, der bereits teilweise bezogen war. (Bild 1)

Von dem Schaden waren, wie sich später herausstellte,alle drei auf diesem Stockwerk befindliche Wohnungen, ebenso wie die drei im Erdgeschoss liegenden Wohnungen (zusammen rund 400 m2 Wohnfläche), das Treppenhaus und der Keller betroffen. Das Wasser verteilte sich vertikal über Schächte und die Treppe und horizontal im Bodenaufbau. Dabei nahm das Wasser bei den seitlich angrenzenden Wohnungen den Weg über den dem Treppenhaus vorgelagerten Flur und unterhalb der Wohnungseingangstüren weit in die angrenzenden Wohnungen. Die einzelnen Wohnungen selbst waren durch Stahlbetonwände voneinander getrennt, so dass keine direkte seitliche Verbindung für das Wasser gegeben war.

Erste leider nur oberflächlich durchgeführte Prüfungen der wenige Tage nach Schadeneintritt hinzugezogenen Trocknungsfirma davon aus, dass lediglich eine Teilfläche im ersten Obergeschoss und im Erdgeschoss betroffen sei. Auf dieser Basis wurde die Trocknung nach Absaugung von stehender Flüssigkeit im unmittelbaren Schadenbereich nur in vier von sechs Wohnungen und dabei auch nur in Teilflächen aufgebaut. Es wurde eine Trocknung im Saugverfahren gewählt, die den Bodenaufbau und auch die Trockenbauwände umfasste. Vergessen wurde jedoch, die Randfugen in größerem Umfang zu öffnen (d.h. Randleisten zu demontieren bzw. bei Fliesenböden die Randfugen incl. dahinter liegender Abdichtung und im Keller die Kunststoffversiegelung im Randbereich aufzuschneiden), so dass ein Nachströmen von mittels Kondenstrocknern im Raum getrockneter Luft nicht bzw. nur sehr eingeschränkt möglich war. Folglich wurde der Bodenaufbau bis zu unserer Einschaltung drei Wochen nach Schadeneintritt nur in Teilflächen und dort teilweise unzulänglich getrocknet. Die Raumtemperaturen lagen dabei durch den Geräteeinsatz bei bis zu 40 Grad Celsius. (Bild 2)

(1) Schadenstelle Pressverbindung
(2) Geräteintensiver Trocknungsaufbau ist keine Garantie für eine effektive Trocknung
(3) Probenahme Estrichdämmschicht
(4) Rückbau von Bodenaufbauten und Sockel von Trockenbaukonstruktionen aufgrund übermäßiger Verteilung

Sinnvoll wäre gewesen, unmittelbar nach Schadeneintritt die Böden nach Abstufung entweder im Überdruckverfahren oder im Druck-Saugverfahren und die Trockenbauwände, in denen Schimmel wesentlicher schneller entstehen kann, separat im Saugverfahren zu trocknen – selbstverständlich bei vollständig geöffneten Randfugen. Dies hätte mit der Anzahl der eingesetzten Geräte problemlos bewerkstelligt werden können.

Nach Bemängelung des Trocknungsaufbaus wurde dieser umfangreich nachgebessert, allerdings erst vier Wochen nach Schadeneintritt. Noch während der laufenden Trocknung, d.h. in einem sich im Hinblick auf evtl. Vernehmungen noch entwickelnden Zustand, wurden auf Veranlassung der Wohnungseigentümer rund 30 Proben der Estrichdämmschicht aus den 6 Wohnungen in einem Fachlabor untersucht. (Bild 3)

Dabei zeigte sich bei 85 % der untersuchten Proben bereits ein mikroskopisch nachweisbarer deutlicher Schimmelpilzbewuchs. Eine nachfolgende Suspensionsanalyse, bei der die zum Rohboden zeigenden unteren Millimeter der Dammschicht zerkleinert und in einer Nährlösung auf keimfähige Bestandteile untersucht werden, zeigte ebenfalls deutliche Belastungen, die v. a. in den anfänglich nicht getrockneten Wohnungen sehr deutlich oberhalb der in der Fachliteratur und zwischenzeitlich auch vom Umweltbundesamt als eine Art Schwellenwert zu bezeichnenden Konzentration von 100.000 Keimen je Gramm Dämmstoff lagen. Ab dieser Zahl wird empfohlen, in Abhängigkeit von der Raumnutzung und der Dichtheit der Bodenbeläge aus Vorsorgegründen einen Bodenaustausch in Erwägung zu ziehen, da die Materialbelastungen deutlich über üblichen Hintergrundbelastungen lägen. Teilweise waren Belastungen von mehreren Millionen Keimen je Gramm nachweisbar.

Die Laborergebnisse der Proben aus der unmittelbar schadenbetroffenen Wohnung, in der relativ kurzfristig und umfassend getrocknet wurde, lagen dagegen fast durchwegs in einem unauffälligen Bereich. (Bild 4)

Diese Ergebnisse führten letztlich dazu, dass zur Vermeidung von langwierigen Streitigkeiten mit den Wohnungskäufern eine vollständige Erneuerung der Bodenaufbauten in allen sechs schadenbetroffenen Wohnungen, zusammen mit einer Erneuerung der Sockel von dort befindlichen Trockenbauwänden und anschließender Feinreinigung durchgeführt wurde. Für vier bereits bezogene Wohnungen musste eine alternative Unterbringung organisiert werden. Die Kosten für Abriss, Reinigung, Wiederaufbau, Begutachtung, Rechtsanwälte, Unterbringung und Nutzungsausfälle für 6 Monate lagen bei ca. 800.000 Euro. Bei fachgerechter und schneller Trocknung hätte vermutlich ein Großteil dieser Kosten und viel Ärger vermieden werden können.

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