Auf der Tagesordnung stand ein Bericht des „Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR“ über aktuelle Entwicklungen in der Forschung. Themen waren klimaangepasstes Bauen, praxisgerechte Lüftungskonzepte, Nachhaltigkeitsbewertung von Wohngebäuden und DGNB. Weitere Schwerpunkte waren Studien zur Folgeabschätzung zu den ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Sektorziele (Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft) 2030 des Klimaschutzplanes 2050 und eine Studie zu den Wohntrends 2035.

Wie erreicht die Bundesregierung das Klimaschutzziel 2050?

Die Referatsleiterin Frau Neuhoff begrüßte die Teilnehmer und verwies in Ihrer Begrüßung darauf, dass der Bund in Zukunft Wohnungen errichten muss, die nachhaltig und effizient sind, um die Klimaschutzziele 2050 der Bundesregierung im Gebäudesektor umzusetzen. Dazu wird ein neues Forschungsprogramm aufgelegt, um Impulse für ein klima- und ressourceneffizientes Bauen von kostengünstigem Wohnraum zu schaffen. Die Förderrichtlinien für Forschungsvorhaben werden demnächst veröffentlicht. Herr Rather (BMI) zeigte dann auf, wie die derzeitigen Emissionen von 127 Mio. Tonnen CO2 äquivalent im Bausektor auf 70 Mio. Tonnen reduziert werden sollen.

Ordnungsrechtliche Vorgaben sind nicht geplant, weil dadurch erwartet wird, dass Bauen und Sanieren teurer werden. Deshalb soll es steuerliche Förderungen geben und die Förderung durch die KfW ausgeweitet werden. Bisher wurde dies aber von den Ländern boykottiert. Das Finanzministerium hat jetzt 1 Mrd. Euro pro Jahr in Aussicht gestellt. Der Verband Baubiologie vertritt aber die Auffassung, dass ordnungsrechtliche Maßnahmen, zum Beispiel innerhalb des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) notwendig sind. Das GEG regelt jetzt die Sanierungs- und Baustandards der Gebäude für die Nutzung der nächsten 50 bis 100 Jahre. Zuletzt tagte auch der Klimarat in einer Sondersitzung, um die CO2-Bepreisung zu regeln. Dies liegt im Moment in den Ministerien zur Abstimmung und geht dann in die Verbändeanhörung. Allerdings sieht die CDU eine CO2-Bepreisung als schwierig. Der Verband Baubiologie würde den Zertifikatehandel einer Steuer vorziehen. Zum einen ist eine Steuer der Bevölkerung kaum mehr zu vermitteln, außerdem müsste eine Steuer ständig nachreguliert werden, wenn durch höhere Energiekosten trotzdem keine Reduzierung des CO2-Ausstoßes erfolgt. Durch Zertifikate jedoch könnte die Bundesregierung die erlaubte CO2-Höchstmenge definieren und dann für die entsprechende Menge Zertifikate verkaufen. Manche Branchen könnten den Ausstoß von CO2schnell reduzieren und andere Branchen hätten mehr Zeit, durch die Verschiebung von Zertifikaten ihren CO2-Ausstoß zu reduzieren.

Lebenszyklusanalyse muss Bestandteil des Ordnungsrechtes werden

Sehr begrüßt hat der Verband Baubiologie auch, dass jetzt die Daten des eLCA (Lebenszyklusanalyse des Bundes) in die Energieberatersoftware eingelesen werden können. Damit können jetzt Daten der Lebenszyklusanalyse direkt mit dem Energieausweis ausgegeben werden. Eine nachrichtliche Ausweisung der Ergebnisse aus der Lebenszyklusanalyse ist jetzt auch im Entwurf des GEG vorgesehen. Vermutlich ein toller Erfolg der Verbände mit Ihren Stellungnahmen zum GEG, an denen der Verband Baubiologie auch beteiligt war. Gut ist auch, dass inzwischen für die Architektenwettbewerbe regelmäßig Ökobilanzen der Entwürfe mit eingereicht werdend müssen.

Susan Draeger von „WSgreen Technologies“ arbeitet an einem Forschungsprojekt, um die Ertüchtigung von Bauwerken gegen den Klimawandel zu erforschen. Am Beispiel eines begrünten Flachdaches zeigte sie auf, dass dieses gegenüber einem Foliendach viele Vorteile hat. Einzig das „Global warming potential“ (GWP) stellte sie beim Gründach negativ dar. Hier hat sich der Verband Baubiologie in die Diskussion eingebracht und sein Unverständnis darüber geäußert, dass ein Gründach durch den erhöhten Materialeinsatz von Konstruktion, Substrat und Pflanzen in der Ökobilanzierung schlechter abschneidet, als ein „totes“ Flachdach. Mindestens sollte über die Lebenszeit des Daches die O2-Produktion der Pflanzen auf dem Dach als Gutschrift dem GWP der Konstruktion abgezogen werden.

Interessant war noch der Beitrag von Thomas Hartmann, der ein Berechnungstool entwickelt hat, um den rechnerischen Nachweis der Fensterlüftung für die Einhaltung von CO2-Konzentrationen bei der Fensterlüftung zu führen.

Michael Neitzel (INWIS-Studie) erforscht die Wohnungstrends 2035. Eine Umfrage ergab, dass der Trend hin zu 1-Personen-Haushalten und weg von Familien-Wohnkonzepten zunimmt und zugleich die Wunschgrößen für Wohnungen zunehmen. Auf der anderen Seite nimmt der Trend zu kleineren, flexibleren, als „Homeoffices“ oder „Coworking-spaces“ nutzbare Wohnungen ebenfalls zu, wobei die Schwerpunkte bei Gemeinschaftswohnungen und ökologischem Wohnen liegen. Bei den älteren Menschen in der „Empty-Nest-Phase“ ab einem Alter von etwa 55 Jahren ist der Wunsch nach an die Lebensphase anpassbaren Grundrissen ungebrochen. Außerdem wird das Wohnen digitaler durch „Smarthome“ und intelligenter Energiesteuerung. Auch das Leben im Quartier wird immer digitaler, um Nachbarschaft und Gemeinsamkeiten im Quartier zu organisieren.
Hier finden Sie die Studie hierzu.

Der Vortrag zur Folgeabschätzung zu den ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgewirkungen der Sektorziele für 2030 innerhalb des Klimaplans 2050 hatte interessante Aspekte. Im Kern ging es darum, dass alle Sektoren gemeinsam betrachtet werden müssen, um zu verhindern, dass erneuerbare Energien in verschiedenen Sektoren berücksichtigt werden und damit eventuell mehrfach bilanziert werden. So kann eine Ackerfläche nicht gleichzeitig für Energiepflanzen und nachwachsende Rohstoffe genutzt werden.Insgesamt sehr interessant, wie viel Know-how und Expertenwissen in den an die Ministerien angeschlossenen Forschungsinstituten vorhanden ist. Erschreckend, dass dieses Wissen nur zögerlich von der Regierung genutzt wird. Hinter vorgehaltener Hand konnte man auch hören, wie unzufrieden man mit dem Amtsinhaber ist, der ein Superministerium Inneres, Bau und Heimat führt, sich aber nur für das Thema Inneres interessiert. Persönlich hätte ich mir gewünscht, dass es mehr ein runder Tisch ist, als „Frontalunterricht“. Aus meiner Sicht kamen die Fragen zu kurz und eine Diskussion konnte sich auf Grund des engen Zeitplanes auch nicht entwickeln. Bei rund 80 Teilnehmern, aus den verschiedenen Verbänden hätte ich mir eine kontroverse Diskussion um die besten Lösungen gewünscht.

Ulrich Bauer
Architekt, Baubiologe IBN, 1. Vorsitzender Verband Baubiologie

verband-baubiologie

Diesen Beitrag präsentiert Ihnen:
Verband Baubiologie VB
www.verband-baubiologie.de

Hier finden sie alle Beiträge zu diesem Thema:

Leser-Interaktionen

Ihre Meinung ist uns wichtig

  1. Sehr geehrte Damen,
    sehr geehrte Herren,

    ein guter Anfang! Im Weiteren wünsche ich mir mehr Berücksichtigung grauer Energien. Der Abbau von Ressourcen verursacht bereits einen CO2 Abdruck. Auch die Beachtung von Arbeitsschutz (Menschenwürdiger Abbau von Ressourcen) ist unabdingbar. Nach meinem Verständnis dürfte es auch an der Zeit sein, die Baustoffindustrie zu einer lückenlosen Volldeklaration zu motivieren, wenn nicht sogar zu zwingen. Verbraucher bzw. auch Verarbeitende der Baustoffe, werden im Unklaren darüber gelassen, mit welchen Chemikalienmixturen man es zu tun hat. Warum nicht einfach CAS-Registrierungsnummern aufzulisten lassen oder sogar einen Nutri Score für Baustoffe fordern. Die Herkunft der Stoffe, ob mineralisch, fossil oder nachwachsenden Ursprungs, ist dabei bestenfalls mit anzugeben. Das sind auch wichtige Kriterien für eine spätere Wiederverwendung der Stoffe (Cradle to Cradle) . Warum verwenden wir zum Beispiel Titandioxid als Weißmacher in diversen Baustoffen, ohne die Auswirkungen auf die Gesundheit zu kennen?! Müssen wir irgendwann die Tapete mit Farbe vom Fachentsorger aus unseren Wohnungen entfernen lassen?
    Wie ich finde gibt es noch genügend für ein besseres, gesünderes und ökologisches Wohnen zu tun. Nachwachsende Rohstoffe und ökologische Baustoffe müssen für die Verbraucher günstiger sein als konventionell hergestellte Produkte voller unbekannter Komponenten und Additive.

    Mit freundlichen Grüßen
    Helmut G. Fell

    • Sehr gut,
      eine umfassende Transparenz über die Zusammensetzung aller Bauprodukten ist längst fällig.
      Nachhaltiges Bauen wäre so viel einfacher, wenn zu jedem Baustoff und Anstrichmittel die Auflistung der Inhaltsstoffe, mit Angabe der Registrierungsnummern für Chemikalien und der Zuordnung woher der Einzelstoff kommt bzw. woraus er gewonnen wird, per Gesetz verbindlich festgelegt wäre.
      Wir sind selbst Hersteller von Bauprodukten und praktizieren die 100% Volldeklaration. Allerdings tun dies leider nur ganz wenige Hersteller im Markt. Die langjährige Erfahrung zeigt, dass sich hier auf Basis von Appellen an die Industrie mit freiwilliger Selbstverpflichtung nicht viel erreichen lassen wird. Die gesamte Bevölkerung ist Verbraucher von Baustoffen, Farben und Putzen.
      Eine umfassende Produkttransparenz bei allen Baustoffen müsste Bestandteil des Verbraucherschutzes werden. Nur wenn uns als Verbraucher ausreichende Information über die Zusammensetzung der einzelnen Baumaterialien und deren Rohstoffherkunft von der Industrie bereitgestellt werden, kann sich jeder selbstbestimmt entscheiden, was er sich in seine vier Wände holt und verbauen lässt.
      Wir sind überzeugt, dies würde in kurzer Zeit eine enorme Dynamik für nachhaltige Baustoffe in Gang setzten.
      Mit besten Grüßen
      Peter Rehberger

Ihre Meinung ist uns wichtig

Kommentarregeln: Wir freuen uns auf Ihre Meinung, Stellungnahme oder ergänzende Informationen.
Bitte platzieren Sie hier keine Werbung und keine Fragen. Falls Sie Fragen haben, können Sie diese direkt an die Autoren stellen - deren Kontaktdaten finden Sie im Autoren-Infokasten.
Bitte bleiben Sie konstruktiv und höflich! Alle Kommentare (max. 3.000 Zeichen) werden von der Redaktion geprüft und erscheinen nicht sofort. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.