ANTWORT

Akustische Probleme sind für Baubiologische Messtechniker, wie mich, immer wieder eine Herausforderung, der ich mich gerne stelle. In diesem Fall dämpfte sich aber beim ersten Vor-Ort-Termin und einer Begehung des Umfeldes mein Optimismus, den Verursacher ermitteln zu können. In Industriegebieten sind viele Lärmverursacher in unmittelbarer Nachbarschaft, hier z. B. ein Heizwerk, eine Großbaustelle und andere „laute“ Firmen. Zudem hatte bereits das örtliche Umweltamt Schallmessungen vorgenommen, konnte aber keinen störenden Schall feststellen und vermutete als Ursache einen Tinnitus.

Tinnitus – was ist das?
Der Begriff Tinnitus (lat. „das Klingeln der Ohren“) bezeichnet ein Symptom, bei dem der Betroffene Geräusche wahrnimmt, welche keine äußeren Schallquellen zugeordnet werden können. Diese Ohrgeräusche kann man also nur selbst hören, andere Personen nicht.

Display des Schallpegelmessgerätes XL2 im 1/6 Terzspektrum mit Signal bei 7,5 kHz – siehe Dreieck

Der Geschäftsführer der Firma, Herr S., beschrieb mir den Pfeifton und dass er besonders in seinem Büro, im Frühstücksraum, aber auch im Außenbereich und selbst zuhause hörbar sei. Auch einige seiner Mitarbeiter hören den Ton. Das Abschalten des Stroms im gesamten Gebäude sowie von kompletten Lüftergruppen im benachbarten Heizwerk führte zu keiner Verbesserung.

Mit einem Schallpegelmesser (XL2 von NTi Audio) versuchte ich, die beschriebene störende Frequenz selektiv über das sogenannte Terzspektrum herauszufiltern und hörbar zu machen. Herr S. bestätigte mir den störenden Pfeifton, den ich auf diese Weise bei 7,5 kHz finden konnte. Mit diesem Basiswissen konnte ich nun mittels Kopfhörer nach möglichen Emittenten auf die Suche gehen.

Im benachbarten Heizwerk fanden sich Aggregate, die bei der gefundenen Frequenz von 7,5 kHz deutlichen Schall emittierten. Nach Abschaltung möglicher Verursacher (über den „kleinen“ Dienstweg, der Leiter des Heizwerkes gehörte zur Frühstücksrunde der Nachbarfirma) war das Signal in der Firma von Herrn S. immer noch messbar. Danach wurde auch das komplette Firmengebäude spannungsfrei geschaltet. Und … der Pfeifton war verschwunden. Somit musste die Ursache im Firmengebäude von Herrn S. liegen. Mit der Abschaltung einzelner Sicherungen wurde ein Stromkreis selektiert, dem das Schallereignis zugeordnet werden konnte. Dieser versorgte u. a. auch den Frühstücksraum mit Kühlschrank, Wasserboiler und Kaffeemaschine. Nach weiteren Trennungen der Verbraucher vom Netz und gleichzeitigen Messungen konnte der Verursacher schließlich ausfindig gemacht werden: die Kaffeemaschine.

Herr S. bestätigte eine Veränderung des Pfeiftones, konnte aber die völlige Beseitigung noch nicht bestätigen. Das Gehirn erinnert sich an störende Schallereignisse und man nimmt es auf diese Weise noch im Nachhinein wahr, also z. B. auch nach der Arbeit zu Hause. Nach einigen Tagen erreichte mich dann der erhoffte Telefonanruf: Herr S. bestätigte mir die Beseitigung des Pfeiftons und dankte mir für meine akribische Arbeit.Die wachsende Zahl elektronischer Gebrauchsgegenstände verursacht also nicht nur mehr Stromverbrauch, Umweltprobleme, elektrische und magnetische Felder und Funkstrahlung, sondern als weiteren Stressfaktor auch eine Zunahme störender Schallereignisse

Tipp
Tinnitus Selbsthilfe Interessengemeinschaft
Datenbank an Kliniken, Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen für Betroffene

Quelle: WOHNUNG+GESUNDHEIT Nr. 165

Diese Frage beantwortete Ihnen Lothar Backhaus, baubiologie-thueringen.de

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