In einem intensiven Gestaltungsprozess mit handwerklichem Fokus entstand ein konstruktiv elegantes und haptisch ansprechendes Gewölbe aus filigranen Bögen.

Bis 2016 gab es für die Modellbauwerkstatt der Universität Liechtenstein nur ein Provisorium. Im Rahmen eines Workshops wurde eine schwungvolle Holzkonstruktion entwickelt, welche elegant die organische Spannung des Naturbaustoffs nutzt. Der Workshop war Teil des Erasmus-Programms „Crafting the façade“, an dem auch die Akademie van Bouwkunst (Amsterdam) und die Mackintosh School of Architecture (Glasgow) teilnahmen.

Im Vorfeld experimentierten die Studierenden drei Tage mit Holzbrettern und -balken und entwickelten daraus verschiedene statische Konzepte für den Entwurf. Nach einem Analyse- und Rechercheschritt verblieben vier von ursprünglich acht Varianten. Diese wurden überarbeitet und anschließend als Prototypen im Maßstab 1:1 konstruktiv überprüft. In einer weiteren Seminarwoche stellten sie Rohbauelemente in der Werkstatt her. Christoph Frommelt und seine Handwerker der Zimmerei Trommelt unterstützten sie dabei fachmännisch. Schon am Ende der Woche konnten sie die Elemente auf den vorbereiteten Fundamenten hinter der Universität aufrichten.

Bogen und Spannung

Die Form der Werkstatt war vorgegeben: Auf länglichem Grundriss eine Nurdach-Konstruktion. Die elegante Tragstruktur der ausgewählten Variante besteht aus gebogenen Brettern, sowohl für den Boden, als auch für das Dach. Für das gewölbte Dach wurden sie bogenförmig ausgelegt und auf einer Lehre um die halbe Breite versetzt wellenförmig miteinander verbunden. Durch Spannung und Gegenspannung konnte trotz der Feinheit der Bretter eine große Höhe realisiert werden. Wo die Bretter stark gebogen sind, wurden sie dünner gehobelt. Auch der Boden trägt über eine gebogene Konstruktion. Viele Versuche und Bruchtests optimierten die einzelnen Tragelemente.

Ober- und Untergurt wurden mit verleimten Hartholzkeilen und wenigen sichtbaren Schrauben verbunden.

Die Dachelemente bereiteten die Studenten in der Werkhalle der Zimmerei vor. Jedes Element ist einen Meter breit, in sich stabil und trotzdem leicht in der Handhabung. Von Hand und nur mit Hilfe einiger Böcke richteten sie die Elemente auf der Baustelle auf.

Eine verbindende Bretterlage stabilisiert die Konstruktion in Längsrichtung und bildet die Unterlage für eine moderate Dämmebene, Hinterlüftung und schließlich die Wetterhaut aus Lärchenschindeln.

(1) Selbst das Aufrichten der großen Giebelfassaden gelang alleine durch Muskelkraft, Bild: Universität Liechtenstein
(2) Die StudentInnen beim Verlegen der Lärchenschindeln, Bild: Bruno Klomfar
(3) Identifikation durch Hand anlegen. Auch die filigranen Dachelemente wurden in einer handlichen Größe vorgefertigt, Bild: Darko Todorovic
(4) Die neue Modellbauwerkstatt der Universität Liechtenstein wurde von Studenten geplant und gebaut, Bild: Bruno Klomfar

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Selbstbau verbindet

„Im steten Vertiefen von konzeptionellen Ideen von der Handskizze bis zum Prototypen im Maßstab 1:1 können Dinge freigelegt werden, welche entscheidend für den weiteren Prozess werden“, erklärt Dr. Carmen Rist-Stadelmann, Hochschuldozentin am Institut für Architektur und Raumentwicklung. Das Projekt verbindet so die verschiedenen Ebenen, von der Großform über die Details bis zur greifbaren Realität.

Entsprechend dem Fortschritt im Bauprozess lösten die Studierenden unterschiedliche Bauaufgaben, wie etwa den Dach- und Wandaufbau, die Stirnfassaden, die Dachlaterne und den gesamten Innenausbau. Anschließend bauten sie die Details. „Die dabei gemachten Erfahrungen im realen Maßstab stellen einen unschätzbaren Wert für die Studierenden dar“, betont die Hochschuldozentin und Leiterin einer der beiden Entwurfsgruppen. „Das durch Computer dominierte Entwerfen hat das Entwickeln aus der Logik der Materialien zunehmend aus der Architekturausbildung vertrieben“, fährt sie fort. Auch die Studierenden freuen sich über den direkten Kontakt mit den Materialien beim Bohren, Sägen, Hobeln und Schindeln. „Wer das Material kennt, weiß auch, zu was das Material fähig ist. … “, beschreibt es die Studentin Miriam Ender und fährt fort: „Generell finde ich es wirklich von Vorteil, dass wir in diesem Entwurf so viel Handwerkliches lernen, denn ich bin mir sicher, dass man als zukünftige Architekten dieses Wissen sehr wohl gebrauchen kann.“

Baudaten der Modellbauwerkstatt der Universität Liechtenstein

BauherrUniversität Liechtenstein, Institut für Architektur und Raumentwicklung
Nutzfläche72 m2
Konstruktion320 jeweils 5 m lange gebogene Holzlamellen stabilisieren sich gegenseitig
ProjektbeteiligteEntwurfsleitung Dr. Carmen Rist-Stadelmann und Prof. Urs Meister, 53 StudentInnen
Begleitung UmsetzungZimmerei Frommelt Ing. Holzbau AG

Mehr zum Thema:
– Internetseite Universität Liechtenstein: kurzlink.de/Modellbauwerkstatt
– Aufbau der Modellbauwerkstatt: youtu.be/Uk5bB7wJjcU
– Interview mit Dr. Carmen Rist-Stadelmann, Prof. Urs Meister, Studierenden und dem Zimmerer: youtu.be/N0ZvEiSM2LI

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  1. Vielen Dank für den interessanten Beitrag zu der studentischen Holzbauwerkstatt. Interessant, dass die Studierenden ihre eigenen Projekte planen und durchführen konnten und dabei von einer Zimmerei unterstützt wurden. Als Studierende wünsche ich mir, dass solche Projekte vermehrt gefördert werden und häufiger stattfinden.

  2. Die Architekt*innen in Liechtenstein haben schon vorher Projekte realisiert:

    Projekt Tuas 2014:
    In diesem Erasmus-geförderten Projekt waren 8 Universitäten mit jeweils 4 Studierenden + 1 Dozierende involviert. Auf 1.500 Meter in den Liechtensteiner Bergen gelegen, war unsere Aufgabe eine moderne Interpretation der traditionell verankerten Strickbauweise zu entwickeln und zu finden. Da die Zeitspanne für die Fertigstellung der Hütten durch die Studierenden sehr kurz war, war dies eine Kooperation mit einer Zimmerei, deren Auszubildende die Hütten anschließend fertig stellten. Wie in einer mittelterlichen Werkstatt waren Studierende, Gesellen, Auszubildende und Meister gemeinsam im Einsatz.

    Projekt Loipahötta 2011:
    Über ein Semester entwarfen Studierende eine Langlaufhütte. Im darauf folgenden Semester entwickelten daraus 2 Studierende diese Aufgabe in enger Kooperation mit der Zimmerei weiter und bauten diese Hütte.

  3. Vielen Dank für diesen Bericht über dieses tolle studentische Holzbauprojekt. Es ist schön, dass die örtliche Zimmerei bei der Umsetzung geholfen und unterstützt hat. Die Handwerkskunst finde ich auch sehr interessant und überlege, mich beruflich noch einmal umzuorientieren.

  4. So ein Projekt fördert die Freude am Bauen und Erschaffen von Räumen. Ein tolles Projekt, zur Nachahmung dringend empfohlen!

  5. So ein Projekt ist ein hervorragendes Beispiel für eine Investition in die Zukunft und sollte zum Nachmachen animieren. Der direkte Umgang mit Materialien und die Umsetzung in einer internationalen Gruppe (Erasmus-Studenten) prägt hier unsere zukünftigen Architekten und diese wiederum werden in Zukunft unser Umwelt gestalten und unsere Gesellschaft prägen.
    Ich wünsche mir noch mehr Hochschulen, Ausbildungsstätten, Kommunen, Visionäre, die solchen Projekten einen Platz zur Verfügung stellen und diese unterstützen!

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