In Teil I dieser Artikelserie ging es um die Herstellungsenergie, die Festigkeit und die Stabilisierung durch Naturfasern für vielseitige Lehmbaustoffe. Sie ermöglichen im Sommer kühle, im Winter warme Holzhäuser, die auch ohne Lüftungstechnik auskommen.

Und wenn es regnet?

Die erste Frage ist oft, was denn bei Regen mit dem Lehm passiert. Die unbegrenzte erneute Bildsamkeit nur durch Wasserzugabe wird als Nachteil einer Wasserempfindlichkeit gesehen. Man zweifelt Wasserfestigkeit und Dauerhaftigkeit an und greift dann auf “vernünftige” Lösungen zurück, meist Massivbau. Vergessen ist, dass Lehm in vorindustrieller Zeit in Form von Lehmfachwerk die verbreitetste Bauweise in Nordeuropa war. So werden die gut erhaltenen Jahrhunderte alten Zeugnisse in Fachwerk-Innenstädten nicht als Lehmbau wahrgenommen, weil der Hauptbaustoff Lehm in Wänden, Decken, Dach unter Putz verborgen ist. Doch das zeigt ja gerade: Lehmfassaden lassen sich ganz einfach durch Putz oder Verkleidungen schützen (Abb. 6).

Normaler baulicher Feuchteschutz reicht aus

Untersuchungen zeigen: wenn Lehm vor Feuchtigkeit geschützt ist, erfüllt er theoretisch unbegrenzt seinen Zweck. Eingeschlossenes Stroh und Holzteile zeigen sich völlig unversehrt und frisch wie am ersten Tag, wenn man einmal ein altes Gefach auflöst (Abb. 7) [Lit. 3]. Voraussetzung ist natürlich, dass der Lehm immer trocken bleibt, wozu ein ganz normaler baulicher Feuchteschutz genügt, wie er zum Beispiel auch für Holzbau gilt.

(6) Verputzte Holz-Lehmbauten in der Innenstadt von Troyes
(7) Gut erhaltenes Stroh eines 700 Jahre alten Lehmgefaches von 1298, Limburg [Lit. 3]

Deshalb hermetisch abzudichten wäre falsch. Vielmehr kommt es darauf an, dass gelegentlich eingedrungene Feuchte jederzeit ungehindert trocknen kann. Ungehindert heißt, dass alle Schichten wie Putz oder Dämmung feuchteleitfähig und miteinander in Kontakt sind, um die ständige Trocknung zu fördern. Der kapillar sehr leitfähige Lehm trocknet schnell, bis seine sehr niedrige Normalfeuchte erreicht ist.

Kondensationsfeuchte stellt in Lehmbauteilen keine Gefahr dar

Feuchtetransport durch Diffusion ist um Größenordnungen geringer als der kapillare Transport (flüssigen) Wassers. Schließlich diffundiert nur die in der Luft gebundene Luftfeuchte als “Dampf”, und zwar in Richtung des Dampfdruckgefälles, meist in entgegengesetzter Richtung wie die Kapillartrocknung. Trotzdem werden teilweise immer noch veraltete Rechenverfahren wie das Glaserverfahren angewendet, die ausschließlich Wasserdampfdiffusionsvorgänge berücksichtigen. Wärme- und Feuchtespeicherung, gleichzeitige Trocknung durch kapillaren Feuchtetransport und die unterschiedlichen Eigenschaften der Baustoffe bleiben dabei unberücksichtigt. Noch dazu werden als Klimarandbedingung acht Wochen Dauerfrost mit minus 10 °C angesetzt. So wundert es nicht, wenn manche bewährte und sichere (Innendämm-) Konstruktionen aus kapillaren und diffusionsoffenen Baustoffen wie Lehm und Pflanzenfasern rechnerisch als kritisch erscheinen. Mit aktuellen hygrothermischen Simulationen nähert man sich der Realität eher an.

Unkomplizierte Konstruktionen mit robustem Feuchteschutz

Aus diesen bauphysikalischen Erkenntnissen erklärt sich zum einen die Dauerhaftigkeit bewährter Konstruktionen mit Holz und Lehm. Zum andern eröffnen sich für Neu- und Altbau völlig neue Möglichkeiten unkomplizierter Konstruktionen mit einem robusten Feuchteschutz von Außenbauteilen, gut gedämmt mit kapillaren Zellulose- oder Naturfaserdämmstoffen wie beim Haus J. in Darmstadt (Abb. 8).

(8) Neubau, Leichtlehm mit Innendämmung, Haus J. Darmstadt (vgl. Teil 1, Abb. 1-2)
(9) Feuchteaufnahme von Baustoffen und Bauteilen, 1 Stunde nach Erhöhung der Raumluftfeuchte von 40 % bzw. 50 % auf 80 % relative Luftfeuchte bei 20 °C, nach verschiedenen Quellen [Lit. 4]

Sorptionsfähigkeit kein Alleinstellungsmerkmal von Lehmbaustoffen

Die gute Sorptionsfähigkeit von Lehmbaustoffen ist kein Alleinstellungsmerkmal und hat auch ihre Grenzen. So ist z.B. die normale Inneneinrichtung mit Möbeln, Textilien und Büchern wesentlich sorptionsfähiger (Abb. 9). “Feuchtesprung”-Versuche mit einer über mehrere Stunden und Tage gefahrenen extrem hohen Raumfeuchte, bei dem Lehm höhere Sorptionswerte zeigt, blenden aus, dass in Innenräumen Feuchtestöße nur sehr kurzfristig sind und kaum ein wirkliches Problem darstellen [Lit. 4].

Im letzten Teil der Serie geht es um bewährte Lehmbauteile wie Lehmsteine, Innendämmungen, Trockenbauplatten, Brand- und Schallschutz sowie Abdichtung mit Lehm.

Dieser Beitrag besteht aus 3 Teilen:

Lehm – der unterschätzte Superbaustoff, Teil I

Potenziale von Lehmbaustoffen im zukunftsfähigen und baubiologischen Holzbau in Verbindung mit Dämmstoffen aus Pflanzenfasern. Geringe Herstellungsenergie, ausreichende Festigkeit und eine Stabilisierung durch Naturfasern führen zu vielseitigen Lehmbaustoffen.

Lehm – der unterschätzte Superbaustoff, Teil III

Erprobte Lehmbauteile wie Lehmmauerwerk, Stapeltechnik, Innendämmung, Trockenbauplatten, Brand- und Schallschutz sowie Abdichtungen ergänzen einen nachhaltigen Holzbau.

Gesamt-PDF der Beitragsteile I, II, III

 Literaturtipps:

[1a] Bauen mit Leichtlehm. Handbuch für das Bauen mit Holz und Lehm. 9. Auflage, Volhard F., Birkhäuser Verlag, Basel 08/2021

[1b] Light Earth Building, A Handbook for Building with Wood and Earth, Birkhäuser Verlag, Basel 2016

[1c] Construire en Terre Allégée, Actes Sud, Arles 2016

[2] Dachverband Lehm (Hrsg.): Lehmbau Regeln – Begriffe, Baustoffe, Bauteile, 3. Auflage, Vieweg + Teubner Verlage, Wiesbaden 2009  

[3] Lehmausfachungen und Lehmputze – Untersuchungen historischer Strohlehme, Volhard, F., Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart 2010

[4] Lehm – feucht oder trocken? Lehmbaustoffe und Raumklima. In: Lehm im Innenraum – Eigenschaften, Systeme, Gestaltung., Volhard, F., 2. Auflage, Hrsg. Achim Pilz, IRB Fraunhofer-Verlag, Stuttgart 2012; S. 29 – 36

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  1. Ein wunderbarer Artikel über die Vorteile des Lehmbaus von dem Architekten und Leichtlehmbauer Nr. 1 in Deutschland Franz Volhard. Vielen Dank!

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