Als sich Andrea Hassel und Nils Krause nach einem neuen Heim umgesehen hatten, war Bedingung gewesen, dass es naturnah am Rand einer kleinen Ortschaft liegt. Die beiden haben Pferde und zeitweise auch Schafe. Schließlich fanden sie im Nordschwarzwald am Rand von Wenden einen dreigeschossigen Bauernhof von 1925 auf einem Hektar Grund, 1945 abgebrannt und wieder aufgebaut und mehrfach erweitert. Bei dem auch als Eindachhof bezeichneten Gebäude sind die Wohnfläche und der aus Sandstein gemauerte Stall sowie die Scheune untrennbar miteinander verbunden. Im Erdgeschoss befand sich auch ein kleiner Kuhstall für sechs Tiere.

Acht Jahre war der Hof leer gestanden, davor nur noch im Erdgeschoss bewohnt gewesen. Dafür war er noch relativ gut in Schuss – die Fachwerkkonstruktion war bis in die intakte Balkenlage gut erhalten und die Ausrichtung des Dachs nach Süden optimal. „Die Achtung, die die Leute selbst vor ihrem Haus hatten und die, Würde mit der sie es erhalten hatten, war unmittelbar präsent, dass ich Lust hatte, etwas daraus zu machen“, erinnert sich Nils Krause, Bauherr und selbst Architekt. „Das Haus ist schlicht und funktional mit einem einfachen Grundriss, mit dem man viel anfangen kann! Das Gebäude ist ehrwürdig und extrem unschuldig.“ Die anderen Bewerber um dieses Grundstück wollten es abreißen und neu bauen. „Das hat mich nicht interessiert“, betont er. „Ab einer gewissen Sinnhaftigkeit eines Gebäudes kann ich aus dem Aspekt der Nachhaltigkeit dieses Gebäude auch weiter entwickeln.“

Öffnung zur Landschaft

Früher fuhr der Bauer mit seinem Fuhrpark am Wohnhaus vorbei Richtung Scheune. Um mehr privaten Außenraum zu schaffen, wurde diese Erschließung umgedreht. Anstatt der geteerten Zufahrt liegt jetzt vor dem Haus ein grüner Garten. Heute fährt man zwischen Wirtschaftsgebäude und Scheune an einer schmalen Stelle in den sich öffnenden Hof, der sich zu dem so genannten Kulturgarten weitet. Begrenzt wird dieser gepflegte Rasen durch alte, Schatten spendende Bäume. „Das ist eine große Bereicherung“, freut sich der Architekt.

Nachdem auf Wunsch des Bauherrn ein Rutengänger das Haus begangen hatte, plante Krause den kleinräumlichen historischen Grundriss großzügiger und öffnete das Haus, das bisher nur die notwendigen Fenster hatte, über drei neue große Fenster zur Landschaft. Dieser beherzte Eingriff belebt das Haus. Die Dachgaube, die der Architekt zurückbauen ließ, fehlt allerdings. „Mir ging es um die Reduktion, zurück in einen schlichten und einfachen Baukörper“, begründet er die Vereinfachung. Die ehemalige Dachstruktur erhielt er allerdings komplett. Er verzichtet auch weiterhin auf ein Insektengitter – nicht nur für Hornissen eine Einladung zum Siedeln unter den Dachziegeln. Auch den Kamin erhielt er als zentrales Element des Hauses, obwohl er ihn momentan nicht braucht. Er bleibt die Mitte des Hauses.

Die meisten Fenster beließ er an ihrer Stelle und verlängerte sie bis zum Boden. Sie lassen sich nach außen öffnen und werden dadurch bei Wind eher zugedrückt. Vom Essplatz im Norden geht der Blick nun über die Landschaft bis zum Waldrand. Ebenso von der Bibliothek im Geschoss darüber. Das ist energetisch nicht optimal, aber hebt die Aufenthaltsqualität enorm. Das Wohnzimmer öffnet sich nun über ein großes Fenster nach Süden. Die schlanken Holzrahmen der Fenster haben verschließbare Lüftungsschlitze, sind mit drei Scheiben verglast und geschützt durch Aluminiumprofile. Sie liegen in der neuen Dämmebene, so dass die alten Hölzer der Fachwerkwand innen die neuen Laibungen bilden, was dem Haus Atmosphäre verleiht. Der Zimmermann hat für seine sichtbaren Arbeiten nur zurückgebaute Hölzer verwendet. „Ich habe immer versucht, die Materialien, die das Haus gegeben hat, wieder einzubauen“, betont der Bauherr und Architekt.

(1) Der Eindachhof wurde 1925 erbaut und stand die letzten Jahre leer
(2) Auch energetisch ist die Umnutzung modern: Eine Wärmepumpe und hybride PV/Thermie-Kollektoren sind intelligent vernetzt und decken den Jahresenergiebedarf des Gebäudes

Reich detailliert

Architektonisch klare Einbauten sorgen für Ordnung im Raum. Etwa die als Möbel eingestellte Küche aus reich gemustertem Birnbaum. Der Birnbaum stand einst in einem Garten der Krauses. Aus neuem Vollholz hingegen ist der kubische Schrank in der neuen großzügigen Diele. Die nach innen springende Dämmung des Sandsteinsockels wird für Sitzflächen und ein großzügiges Regal genutzt. Auch sonst gibt es einige sorgfältig entwickelte Details zu entdecken, wie das schlichte Treppengeländer, die Absturzsicherung vor den Fenstern und die Halterung für leicht zu öffnende Vorhänge. Glücklicherweise hatte das Haus schon relativ hohe Decken. Um das weiter zu verstärken, wird auf eine Trittschalldämmung verzichtet. Acht Zentimeter dicke Vollholzdielen liegen direkt auf den Deckenbalken und vergrößern so die Raumhöhe. Über dem Wohnbereich öffnet sich nun die Decke ganz bis unter das Dach. So dringt das Südlicht der oberen Fenster selbst im Winter weit in den Raum. Ein weiteres Element, das die Geschosse verbindet, ist die skulpturale Faltwerktreppe. Ihre schrägen Setzstufen und die Trittstufen sind zu einem dynamischen Band handwerklich gefügt. Bis zum ersten Podest befindet sich unter der blitzförmigen Treppe gut integrierter Stauraum für die Küche.

Kontrast

Dabei setzt der Architekt bewusst auf den Kontrast zwischen alt und neu und wählt für Fenster und Türen im rauen, roten Sandstein einen glatten, fast neongrünen Lack. „Als erstes ist das eine Farbe, die meine Frau sehr schätzt. Uns war es wichtig, da eine gewisse Energie reinzubringen.“ Auch die hinterlüftete Fassade des Obergeschosses gestaltet er modern mit einem geschosshohen Band aus Fenstern und Faserzementplatten im Wechsel. Die übrige Fassade schützt eine Lärchen- Leistenschalung. Sie war natürlich günstiger als die alten Holzschindeln. „Ich fand das Haus so machtvoll, wie es an der Straße stand, dass ich eine Gliederung wollte“, begründet der Gestalter diesen Eingriff. Das Band allerdings ist ebenso wie die Stütze beim Essplatz noch nicht ganz fertig. Hier will er noch weiter detaillieren. Die inneren Wände verlieren an Atmosphäre, da sie überwiegend mit Gipsfaserplatten verkleidet sind, nur die Wand zum Stall mit ihrem roten Sandsteinportal ist traditionell mit Kalk verputzt.

(1) Skulpturale Treppe: Das Band aus Trittstufen und dynamischen Setzstufen wirkt wie Sägezähne
(2) Das alte Haus ist an manchen Stellen nur noch in den Fensterlaibungen präsent
(3) Um dem Giebel seine „Mächtigkeit“ zu nehmen, wird er durch ein Band aus bodentiefen Fenstern und Zementfaserplatten zerteilt
(4) Heute befindet sich vor dem neu verwurzelten Hof ein grüner Garten anstatt einer geteerten Zufahrt
(5) Malerische Ortsrandlage im Nordschwarzwald: Die Sanierung wertschätzt die Substanz und inspiriert zum Weiterbauen

Nachhaltig

Das Gebäude erfüllt die Anforderungen eines KfW-85 Effizienzhauses. Es wird von einer Luft- Wasser-Wärmepumpe mit Wärme versorgt und einer Reihe Solarthermie-Kollektoren auf dem Dach. Die Thermie kühlt die oberste Reihe der Photovoltaikanlage. Mit insgesamt 9.36 kWp deckt sie den Eigenbedarf weitgehend. Ein 2.000 l Pufferspeicher hält die Wärme für Brauchwasser und Heizung geschichtet vor. Der Jahresenergiebedarf des Gebäudes wird durch das computergestützte Zusammenspiel der unterschiedlichen Aggregate mehr als gedeckt. Auf eine mechanische Lüftung verzichtete der Planer bewusst. Das Regenwasser des Hauptdachs wird in einer 3 m3 fassenden Zisterne in der alten Güllegrube gesammelt und für Toiletten, Stall sowie Garten genutzt. Der Hof wurde zur Hälfte entsiegelt. Verbundmaterialien wurden nicht verbaut. Ein sortenreiner Rückbau ist also möglich.

Materialien und Bauteile

„Das Haus ist mehr vom Ort, weniger von den Materialien bestimmt“, erläutert der Planer. Dennoch sind auch die Materialien weitgehend nachhaltig. Die Terrasse etwa besteht aus zurückgebauten Steinen. Das Holz der neuen Einbauten beließer roh. Es ist nicht einmal geölt. Da werden später Gebrauchsspuren zu sehen sein, die er bewusst in Kauf nimmt. Die Wände sind mit Kalk- oder Silikatfarbe gestrichen. Er zeigt die alten Materialien nur an ausgesuchten Stellen und lässt viel hinter Gipsfaserplatten verschwinden, hinter denen auch die Installationen verschwinden. Ein Makel ist, dass die Dämmung in der Fassade und unter dem Dach nicht baubiologischer ist. Der Primärenergieaufwand für die verwendete Mineralfaser ist höher als der vieler Naturdämmstoffe. Auch ihre spezifische Wärmespeicherkapazität ist gering. So ist der sommerliche Wärmeschutz der bis unter das Dach offenen R.ume nicht optimal. Aber eine solche Beanstandung führt am Ziel vorbei. Nachhaltigkeit sollte weniger ein Abarbeiten von Vorgaben durch Gebäudezertifizierer wie dgnb, bream oder Leed sein, als das Schaffen eines würdigen Ortes, den seine Nutzer zu schätzen wissen und mit dem sie sich identifizieren. Bei dem Wohnhaus in Wenden ist das vollauf gelungen. Die historische Konstruktion ist verwandelt worden und für die nächsten Jahrzehnte gut gewappnet. Nils Krause integriert die alten Bauteile in ein zeitgemäßes Gebäude, würdigt die bei der Erbauung klug getroffenen Entscheidungen zu seiner Lage und Ausrichtung und belebt den ungenutzten Ort neu.

Baudaten Eindachhof Krause in Wenden

Baujahr1925
Sanierung2014
Buntsandstein Außenwand und SockelAusgleichsputz, Innendämmung aus Schaumglasplatten (Foamglas), Gipsfaserplatte, U-Wert 0,36 W/m2K
DeckendielenBSH 80 x 190 mm
FassadeHolzverschalung oder Faserzementplatten hinterlüftet, Unterspannbahn, Stegträger mit Mineralfaserdämmung, Dampfbremse,
Fachwerkwand (Bestand), Vorsatzschale mit Gipsfaserplatte, U-Wert 0,18 W/m2K, U-Wert Bodenplatte = 0,32 W/m2K
DachDachziegel (Bestand ergänzt), Unterspannbahn, Vollholzschalung, Sparren und Aufdopplung mit Gefachedämmung Mineralfaser, Dampfbremse, Vollholzschalung Fichte gehobelt, U-Wert 0,22 W/m2K
Fenster
Holz/Alu
Dreifachverglasung mit Argonfüllung (Ug-Wert 0,5 W/m2K), Klickventil zur natürlichen Querlüftung, Uw-Wert 0,8 W/m2K
EnergiesystemLuft/Solar-Wasser-Wärmepumpe, Photovoltaik-Kombianlage (warmes Wasser und Strom), 100 % Eigenstromnutzung (nominell)
Jahres Primärenergiebedarf53,01 kWh/m2a

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