Tim, du bist Architekt in Hamburg und hast in renommierten, international erfolgreichen Architekturbüros wie „kadawittfeldarchitektur“ und “Herzog & de Meuron“ gearbeitet. Was hat dich an dieser Arbeit fasziniert?

„Herzog & de Meuron“ ist ein sehr materialhaftes Büro. Das hat mich fasziniert. Dort hat mich das Bild ihrer Elbphilharmonie in den Bann gezogen. „kadawittfeldarchitektur“ haben einen hohen Anspruch, was die Konzeption von Architektur ausmacht. Faszinierend war dort, mich mit anderen auszutauschen und wenn aus zig Studien etwas unverhofft begeisterndes entsteht. Danach habe ich alle Leistungsphasen bearbeitet. Ich wollte wissen, wie das mit dem Bauen funktioniert. Nur Baubiologie spielte da leider noch keine Rolle.

Warum und wie wurdest du Baubiologe?

Ich habe gemerkt, dass das baubiologische Bauen einen viel stärkeren Zugang zum Menschen hat und mit der Natur verbindet. Ich möchte gerne Gebäude planen, die im besten Falle dazu beitragen, den Menschen gesund zu erhalten. Und ich möchte mit natürlichen Rohstoffen traditionell bauen. 

Bedeutet für dich Baubiologie traditionelles Bauen?

Für mich hat Baubiologie traditionelle Komponenten. Ich empfinde traditionelles Bauen als etwas Positives. Das möchte ich gerne wieder etablieren. Früher gab es ein gegenseitiges Befruchten zwischen allen Baubeteiligten, den Gewerken, den Meistern, den Bauherren und den Architekten. Gerne möchte ich diese Baukultur wieder beleben. 

(1) Coworkingspace im Hamburger Oberhafen der Architekten von STLH und weiteren Planern
(2) Nachverdichtung in einem Hinterhof der Schwerefelder Landstraße/Hamburg mit guter Mischung zwischen öffentlich und privat

Wie war dein Weg zur Baubiologie? 

Dadurch, dass ich aus Freiburg stamme, hat mich die ökologische Bewegung früh begleitet. Bereits im Studium habe ich 1996 einen Lehmbaukurs bei Manfred Speidel in Aachen belegt. Und ich habe gemerkt, dass das Material Holz mich am meisten interessiert. 

Was hat dich zum Lehmbau gebracht?

Mich hat Manfred Speidel als Mensch und Professor fasziniert. Als ich das Lehmbau-Gelände gesehen habe, habe ich gesagt, ja das ruft mich. Was ich auch faszinierend fand, dass man aus Lehm mit den eigenen Händen und einfachen Mitteln sehr schöne Sachen gestalten kann.

Haben sich aus deinem Interesse für Holz konkrete Projekt entwickelt?

Parallel zu meiner Selbstständigkeit habe ich mit einem Zimmermeister und einem Unternehmensberater 2012 ‘Holzbauwerke Hamburg’ gegründet. Holzbauwerke steht für urbanes, mehrgeschossiges Bauen mit Holz. Da haben wir anfangs hauptsächlich Baugruppen begleitet. Unserer eigene hieß ‘Unser Eulennest’. Wir wollten die erste Baugruppe in Hamburg sein, die mit Holz baut. Leider ist nichts daraus geworden. Aber wir konnten die Wahrnehmung und das Bewusstsein für das Bauen mit Holz in vielen Bereichen wecken.

Bearbeitest du aktuell ein Holzbauprojekt?

Ja, mit unserem Architekturbüro STLH entwerfen wir gerade einen Neubau für eine Schulmensa in Hamburg Harburg. Dort haben wir Holz vorgeschlagen. In Hamburg gibt es eine Holzbauförderung für öffentliche Bauten.Wie sich im Planungsprozessherausstellte, gilt diese leider nicht für unsere Schule.

Du hast auch an einem Raummodul für Flüchtlinge mitgearbeitet?

Das Modul ‘Hex-house’ ist von ‘Architects for society’, vergleichbar mit ‘Ärzte ohne Grenzen’. Die Idee ist, dass man Flüchtlingsheime als Bienenwabe denkt, also sechseckig. Wir haben das aufgegriffen und es zusammen mit dem Zimmererkollektiv hier aus Hamburg dem europäischen Standard angepasst. Das Zimmererkollektiv und ein Holzbauingenieur haben eine Verbindung entwickelt, so dass die Module nur zusammengesteckt und mit einem 13er Schlüssel zusammengeschraubt werden, fertig. Demontieren geht genauso einfach. Das Dach aus EPDM wird in einem Induktionsverfahren befestigt. Man kann es lösen, zusammenrollen und wo anders wieder aufstellen.

(1) Das Pullovermauerwerk vor dem Treppenfenster schützt den Innenraum und verbindet ihn gleichzeitig mit dem Eingangsbereich
(2) Mondänes Anwesen mit Photovoltaik auf dem Dach und langlebigen Materialien wie, Ziegel, Naturstein und Fensterrahmen aus Holz/Aluminium
(3) Die Treppe ist aus massivem Buchenholz, unter dem Dach kamen Lehmbauplatten zum Einsatz
(4) Beim Umbau des ca. 160 Jahre alten Kutscherhauses wurden baubiologische und recycelte Materialien verwendet, z.B. für den Ziegelboden
(5) Das Geländer aus Eiche akzentuiert die plastische Treppe des Kutscherhauses

Wann hast du deine Baubiologische Beratungsstelle IBN aufgebaut?

Offiziell online gegangen bin ich Anfang 2018. Seitdem habe ich den Freitag für die Baubiologische Beratungsstelle in Lübz/Mecklenburg-Vorpommern reserviert. Dort habe ich mir mit meiner Freundin ein altes Stadthaus gekauft. Mit Andreas Breuer werde ich dort unter anderem einen Grundofen bauen mit Wandflächenheizung. Das nächste, das ansteht, ist die Badsanierung. 

Deine baubiologische Firmierung heißt Archetektur. Wie kamst du zu dieser Bezeichnung?

Arche ist für mich das Mutterschiff (lacht), ein geschützter natürlicher Raum. Es steht für mich für einen Neuanfang und die Sache ein bisschen anders zu denken. 

Welche Projekte hast du als Beratungsstelle schon bearbeitet?

Das waren bisher kleinere Beratungen zu Schimmel oder Betreuung einer Sanierung. Mein erster baubiologischer Auftrag ist ein altes Bauernlanghaus, das ich zum Wohnen und als Praxis für eine Heilpraktikerin umbaue. Aber auch als Architekt berate ich baubiologisch. Das ist schwierig zu trennen. Die Beratung ist ähnlich (lacht). Die Ausrichtung unseres Architekturbüros fußt auf natürlichem Bauen. Online haben wir auch eine Verknüpfung zum IBN.

Du bist mit deinen Partnern Anfang 2019 in den Proberaum Oberhafen umgezogen. Was sind das für Räumlichkeiten?

Der Proberaum Oberhafen ist eine alte, nicht gedämmte Industrie- und Lagerhalle. Neben den klimatischen gibt es auch schalltechnische Herausforderungen. Das ganze ist ein Coworkingspace mit einem weiteren Architekturbüro, einer Landschaftsarchitektin, einem Bauleiter für Holzbau, Städtebauer, Baumanagement und einer Firmierung, die virtuell begehbare 3-dimensionale Räume schafft. Außerdem ist der Proberaum eine Plattform für den kulturellen Austausch. Wir bieten auch eine Spielfläche für weitere Kooperationen an.

Ihr habt auf eurer Internetseite ein Bild des Proberaums veröffentlicht. Was ist darauf virtuell, was real?

Die Einbauten aus Holz und Papier sind schon drin. Unser Büro ist oben auf dem Holzeinbau, den wir mit recycelten Materialien aufgewertet haben. Den Ausbau haben wir komplett selbst umgesetzt und dafür auch acht Paletten alter Sperrholzkisten verarbeitet. Das hat ein paar Anläufe gebraucht. 

Welches baubiologische Projekte konntest du mit deinem Büro STLH realisieren?

Den Umbau eines etwa 160 Jahre alten Kutscherhauses an der Alster konnten wir größtenteils baubiologisch realisieren. Dort haben wir auf die Materialien sehr viel Wert gelegt und auch auf Chemie und Bauschaum verzichtet. Die Fenster haben wir mit Hanf abgedichtet, innen mit Kalziumsilikatplatten gedämmt, eine Wandheizung und Heizleitungen in den Laibungen eingebaut, Zellulosedämmung im Dach, Kalkputze. Den Boden mit alten Ziegeln haben wir wieder aufgearbeitet. Die Treppe hatte ein altes Stahlgeländer, jetzt einen Handlauf aus Eichenholz. Das sind kleine Sachen, aber in der Großstadt kosten sie viel Überredungsarbeit. Wo ich gescheitert bin, ist der Trockenbau. Gewünscht habe ich mir Lehm, aber das war dem Bauherrn dann zu teuer. 

Was bearbeitet ihr aktuell?

Unser Proberaum beschäftigt uns permanent. Ihn winterfest zu machen war ein Projekt des Herbsttreffens der Baubiologischen Beratungsstellen IBN. Dann den Schulbau und einen großen Wettbewerb für einen Mediencampus.

Vielen Dank für das Interview!

Kontakt:
Dipl.-Ing. Architekt Tim Lüdtke, 20457 Hamburg
http://archetektur.eu

Baubiologische Beratungsstellen IBN – auch in Ihrer Nähe!
beratungsstellen.baubiologie.de
IBN-Zertifizierungen für Bauweisen, Gebäude und Räume 
zertifizierung.baubiologie.de

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