Baubiologische Beratungsstelle IBN:
Stefanie Conjé
14542 Werder (Havel)
Mehr Infos im baubiologie-verzeichnis.de

Stefanie, du bist Architektin und Innenarchitektin. Wann und warum hast du dich zudem zur Baubiologin IBN weitergebildet?

Während meines Studiums war ein Baubiologe zu Sonder-Vorlesungen eingeladen, das Thema hat mich berührt. Zum Berufseinstieg habe ich mir später bewusst ein Büro für ökologisches Bauen ausgesucht.

Ab 1999 war ich für zehn Jahre Mitinhaberin eines größeren Büros. Wir haben anfangs konventionell gebaut, es kamen aber immer mehr ökologisch ausgebaute Holzständergebäude dazu. Die Bauleitung für solche Gebäude ist eine sehr sinnliche Erfahrung: die Baustoffe riechen besser, besonders das Holz. Die Gebäude sind trocken und haben sofort ein anderes, angenehmes Klima.

Als wir damals für meine eigene Familie eine alte Scheune ausgebaut haben, war für mich intuitiv klar, dass das auch ökologisch werden soll. Der schnellste, rationellste und gesündeste Weg war, ein Haus im Haus als Holzständerbau auszuführen.

Ein Kollege hatte mir damals von der IBN-Ausbildung erzählt. Ich habe das dann nebenberuflich abends in meiner ausgebauten Scheune gemacht und hatte das Gefühl, ich studiere alles noch einmal – diesmal mit dem Fokus Baubiologie (lacht).

Was interessiert dich an der Baubiologie besonders?

So genannte baubiologische Baustoffe benutzt die Menschheit doch schon immer: Lehm, Holz, Stein, Stroh etc. Für mich sind sie die Basis – auch für die heutige Bautechnik, die immer noch neue Baustoffe daraus entwickelt, um sie an die heutigen komplexen bauphysikalischen Ansprüche anzupassen.

Seit wann bist du Baubiologische Beratungsstelle IBN?

Ich habe zwei Jahre in und um Paris gearbeitet. Das Thema Baubiologie war dort kaum vorhanden. Nachdem ich 2017 zurückkam, wollte ich unser Architekturbüro auch nach außen hin sichtbarer zur Baubiologie ausrichten.

(1) In der eigenen Küche kontrastieren der gereinigte Stuck und die rohe Wand mit der schlichten, glatten Möblierung
(2) Detail im eigenen Büro

Du hast in Frankreich und Deutschland gearbeitet. Was sind die wesentlichen Unterschiede?

In Frankreich sehen sich Architekten eher als Künstler, sie sind meist keine Ingenieure. Nach meinem Eindruck sind ihnen Baukultur und Ästhetik wichtiger, allerdings waren sie weniger ökologisch unterwegs.

Was schätzt du besonders an deiner Arbeit als Beratungsstelle?

Dass ich mit dem IBN einen fachlich starken Partner hinter mir habe, zudem ein offenes, herzliches Netzwerk. In meinem Arbeitsalltag hat sich kaum etwas verändert: ich plane Räume für Leute, denen dieses Thema von vornherein wichtig ist, manchen mehr, manchen weniger. Und ich berate Menschen, die gesundheitliche Probleme haben. Auf ihrer langen Suche nach den Ursachen dafür finden sie diese zuletzt in ihrer „baulichen Hülle“.

Du bist Mitglied der Architektenkammern NRW und Brandenburg. Worin unterscheidet sich deine Arbeit in den alten und den neuen Ländern?

In NRW waren die zu sanierenden Altbauten jünger, meist von nach dem 2. Weltkrieg, hier in Brandenburg sind es oft Häuser aus der Zeit um 1900.

Ich arbeite hier wie dort wenn möglich immer mit den gleichen regionalen Handwerkern. In einer Kleinstadt ist der “gute Ruf” den Handwerkern so viel wert, dass alle darauf achten, eine gute Leistung zu vernünftigen Preisen abzuliefern. Das nutzt den Projekten mehr, als ein supergünstiger Betrieb, der sich bei Problemen verdrückt. Menschen, die sich kennen und Vertrauen in der Zusammenarbeit entwickelt haben, kommunizieren zudem reibungsloser miteinander – ein großer Vorteil für das Projekt. Es läuft viel konfliktärmer und damit oft schneller. Und das wirkt sich wiederum auf die Kosten positiv aus.

Ein großer Unterschied ist, dass hier tatsächlich nicht so viel weggeworfen wird.

Etwas ältere Handwerker, die schon vor der Wende gearbeitet haben, sind kreativer und nehmen sich Zeit, Fehler zu finden, zu reparieren und nach Ersatzteilen zu forschen. Das kostet manchmal etwas mehr Zeit, ist aber nachhaltiger und senkt die Kosten.

Die sehr viel kleinere Architektenkammer hier in Brandenburg ist nahbarer als die in NRW, das gefällt mir. Und es gibt den “Brandenburgischen Tag des nachhaltigen Planens und Bauens”, eine ganz tolle Veranstaltung, die wir jährlich besuchen.

Wie wichtig ist dir deine Homepage?

Eigentlich brauchen wir sie nicht. Wir leben hier von Empfehlungen. Und ich bin seit zwei Jahren bei Instagram. Da schreibe ich vom Berufsalltag wie eine Art Tagebuch: Impressionen, was mich beeindruckt, freut oder einen besonderen Blick auf unsere Baustellen. Jüngere Leute, die mich kennenlernen wollen, leite ich dorthin.

Wie viel Zeit investierst du dafür etwa?

Vielleicht 30 Minuten die Woche. Manchmal Sonntagmorgens um 7 Uhr mit einem Kaffee auf dem Sofa.

Was ist dein Lieblingsprojekt auf Instagram?

Oh (überlegt kurz), da gibt es zwei, drei Denkmale. Mein Herz hängt an einem baubiologisch sanierten Haus direkt an der Havel, das wir inzwischen auch an Feriengäste vermieten. Es ist von 1892 und war total verbaut. Es war ein großes Glück, es kaufen zu können. Mein Mann und ich bekamen den Zuschlag, weil wir die einzigen waren, die es nicht abreißen und durch ein mögliches Vierfamilienhaus ersetzen wollten. Stattdessen wollten wir dessen “Urzustand” wieder herstellen. Das war den Vorbesitzern wichtig und freut die Nachbarn.

(3) Das Ferienhaus an der Havel vor der Kernsanierung. Die Garage noch mit Pultdach und 4 Anbauten, die später abgerissen wurden
(4) Handkolorierte Zeichnung für die Kernsanierung
(5) Neue Fassade nach Westen – ein Unterschied wie Tag und Nacht
(6) Ansicht Westen mit neuer Terrasse auf Garagen-Flachdach, neuen Fenstern, Schlagläden, gedämmtem Dach
(7) Die offene Küche ist wie eine offene Werkstatt: für alle Gäste und ihre Ideen zu haben
(8) Wintergarten-Anbau als Holzständerbau-Konstruktion mit dänischen Fenstern, die nach außen öffnen
(9) Studio mit neuem Bad, offen bis unter das mit Holzfaser-Werkstoffen gedämmte Dach
(10) Gefunden, geschenkt, gebraucht, entdeckt und dann verändert. Vintage. Upcycling. Nicht wie überall. Neu sind nur Dinge wie Betten und die Kaffeemaschine

Das ist ja wirklich nachhaltig.

Ja, ich habe da sehr viel recycelt, mit Kalkputz weiter gearbeitet usw. Ein Großteil des Inventars ist zudem gefunden, geschenkt, gebraucht, entdeckt und dann verändert – Vintage, Upcycling. Das hat was sehr Bodenständiges und die Feriengäste finden, es hat einen ganz eigenen Charme und lädt ein, sich zu entspannen.

Wie hast du die Recyclingbaustoffe für dein Haus gefunden?

Zum einen beim Abriss der zahlreichen Anbauten dort, zum anderen bei einem Abbruchunternehmer aus Berlin, von dem wir viele Rückbauarbeiten ausführen lassen. Er schickt mir Fotos, wenn er etwas entsorgen soll: historische Baustoffe, Stahlträger, alte Dielen, Türen und Dachtritte, die ich um- und aufarbeiten lasse. So sind alle Geländer im Außenbereich wiederverwendet. 18 Meter – das spart auch enorm Baukosten! Ich habe inzwischen viele Quellen, bin da zu einem Eichhörnchen geworden und sammle auch für unsere anderen Projekte. Es gibt z.B. einen Berliner Kollegen, der alte Ziegel aufschneidet, die habe ich als Bodenbelag verwendet. Die Tischler hatten einfache, aber historische Türdrücker in Berlin ausgebaut, die entsorgt werden sollten – passten bei uns perfekt.

Was sind wichtige Kooperationspartner von dir?

Wir sind ein kleines Team, meine beiden Mitarbeiter, Bauingenieure für Konstruktiven Ingenieurbau und Bauwerkserhaltung und ich. Und wir haben ein großes Netzwerk an regionalen Handwerker*innen, die Altbauten schätzen und damit umgehen können, Fachingenieur*innen, Restaurator*innen etc. Wir betrachten auch die Bauämter und das Denkmalamt als Partner. Auch die Firma Biofarben Berlin, ein ökologischer Baustoffhändler, der sich auch beim IBN weitergebildet hat, ist wichtig für uns. Dann haben wir eine Energieberaterin, die im Denkmalschutz fit ist und Statiker, die keine Angst vor alten Gemäuern haben.

Seit 2020 kooperieren wir mit dem Lehrstuhl für konstruktiven Ingenieurbau und Bauwerkserhaltung der Fachhochschule Potsdam. Inzwischen haben wir die Diplomarbeiten von drei Studierenden als Co-Prüfer betreut. Damit es auch der Allgemeinheit nutzt, haben wir u.a. das denkmalgeschützte Kino von 1940 hier als Thema eingebracht.

Haben dich die aktuellen Schwankungen der Baukosten behindert?

Nicht groß. Wir haben die hier natürlich ständig auf dem Schreibtisch, aber keine Projekte dadurch verloren. Das fordert alles zu noch mehr Kreativität auf: ‚Was retten wir?‘. Wir müssen noch mehr Einsparpotenziale finden, durch Recycling oder Weglassen – less is more. Das kostet mehr Zeit bei der Planung und beim Erläutern der Umsetzung. Bei Kostenschätzungen setzen wir zudem noch mehr Sicherheitsprozente an.

Aber wir beschäftigen uns ja fast nur mit Altbauten. Die Neubau-Kolleg*innen sind deutlich mehr davon betroffen. Die haben dran zu knabbern.

Woran arbeiten du und dein Team gerade?

Von Anbau Ponyhof (lacht) bis Umbau Arztpraxis; dann acht Kernsanierungen von Häusern um 1900 gebaut, davon drei Denkmale. Ein Vierseithof wird zu Wohnungen umgeplant. Eine Doppelhaushälfte von 2002, die wir für die Enkelgeneration energetisch sanieren.

Schließlich habe ich kürzlich eine Delegation der GRÜNEN über die historische Inselstadt hier geführt, die ja komplett unter Denkmalschutz steht. Dabei habe ich von unserem planerischen Alltag und den Herausforderungen an Projekten dort berichtet.

(11) Ausbau eines Vierseithofes zu Wohnungen
(12) Kernsanierung und Ausbau des Dachgeschosses eines Denkmals
(13) Sanierung und Ausstattung eines historischen Pförtnerhauses zum Ferienhaus
(14) Antrag auf denkmalrechtliche Erlaubnis zum Ausbau der Remise eines Biohofs und Beratung beim Bau
(15) Material-Inspirationen für die Innenarchitektur eines Altbaus
(16) Überarbeitetes Bad mit Stahl-Badewanne und Terrazzoboden. Ergänzung mit poliertem Zementestrich und neuem Farbkonzept
(17) Kreatives Bad mit Kalkspachtel an der Wand, Regal aus einem Abriss und vom Installateur nach Vorgabe gebauter Heizung
(18) Innenarchitektur für eine gynäkologische Praxis im Altbau

Was ist deine Vision für die Zukunft?

Ich möchte Bestandsgebäude wieder zum Leben erwecken und “zum Leuchten” bringen, Potenziale für heutige Nutzung wecken und aufzeigen. Mein Talent ist vielleicht, dass ich den Leuten ausmalen kann, was aus ihren Altbauten werden kann. Ich kann sie inspirieren, kreativ mit dem umzugehen, was schon vorhanden ist, zu ergänzen, zu erweitern, umzudenken und das Gebäude neu zu sehen.

Vielen Dank für das Interview!

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  1. Ich bin begeisterte Ferienhaus-Testerin im Haus an der Havel gewesen und kann nur bestätigen, dass sich die Baubiologie positiv auswirkt. Total entspannt nach nur 3 Tagen Aufenthalt. Frau Conjè geht sehr feinfühlig mit dem Materialmix um und überzeugt nicht nur mit Wissen, sondern auch mit einem guten Gespür dafür. Beim Betreten “ihrer” gestalteten Häuser verspürt man sofort eine Leichtigkeit und Freude, genauso wie sie selbst eine Gelassenheit und Sicherheit ausstrahlt.
    Frohes Schaffen weiterhin.

    Liebe Grüße aus Venedig, Inge

  2. Glückwunsch an das “Eichhörnchen” Stefanie für Ihr baubiologisches Schaffen 🙂 Dankeschön für den Einblick in die Sanierungsarbeiten.

    Gruß aus dem Allgäu – Charlie

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