Baubiologische Beratungsstelle IBN:
Delikate Maltechniken Peter Sellinger
83677 Reichersbeuern
Mehr Infos im baubiologie-verzeichnis.de

Peter, Du hast drei Berufe, unter anderem im Bereich zeitgenössische und historische Maltechniken. 1998 hast du dich als Dekorationsmaler und Raumgestalter selbstständig gemacht. Seit 2018 bist du Baubiologe IBN. Warum hast du dich auch in diese Richtung weitergebildet?           

Ich bin zur Baubiologie gekommen, weil ich gerne mehrere Ansichten der Dinge verknüpfe. Das gelingt mir hier besonders gut. Zudem wollte ich nach einigen Jahrzehnten Ausführung von venezianischen Spachteltechniken nicht mehr nur körperlich arbeiten, sondern auch mein Wissen weitergeben. Außerdem orientiere ich mich ganz stark an der Natur – von Farbmischungen bis Oberflächen. So ist das Verwurzeln in Räumen einfacher. Das finde ich etwas ganz wichtiges in der heutigen Zeit.

Wann hast du deine Baubiologische Beratungsstelle IBN eröffnet?

Wenige Monate nach meiner Prüfung zum Baubiologen IBN, also 2018.

Welche Anfragen erhältst du als Beratungsstelle?

Ich bekomme zum Beispiel messtechnische Anfragen wegen Elektrosmog. Dann mache ich eine Erstanalyse mit einem einfachen Messgerät. Was ich damit in einer Stunde erreiche, ist faszinierend. Wenn es Schlafstörungen gibt, empfehle ich, das Handy mal zehn Nächte auszuschalten oder zumindest den Flugmodus einzuschalten. Der Erfolg ist jedes Mal da. Wenn es aber tiefer in die Messtechnik geht, empfehle ich immer Baubiologische Messtechniker*innen IBN, mit denen ich zusammenarbeite.

Die andere Variante ist die Materialberatung, zu der ich geholt werde. Zu schadstofffreien Materialien kann ich aus meinen Erfahrungen schöpfen. 

Baubiologen wollen naturnah bauen. Wie ist dein Verhältnis zur Natur?

Mein Weg geht von der Natur in die Räumlichkeiten. Nur dann komme ich auf das Grundlegende, was meine Kund*innen eigentlich wollen. Bei einem Spaziergang lasse ich mir zeigen, welche Blumen sie lieben und welche Bäume. Erst danach wieder in Räume zu treten und an der Raumgestaltung zu arbeiten, finde ich sehr wichtig.

Wenn es ein neues Produkt gibt, recherchierst du dann die Inhaltsstoffe?

Ich bin eigentlich ständig am recherchieren: welche Stoffe sind drin. Ich verarbeite die Materialien und probiere sie aus. Dann bemerke ich etwa Acrylate. Die haben einen süßlichen Geruch und verursachen zudem ein Verkleben der Pinselborsten. Manchmal kenne ich das Material auch schon lange und stelle fest, da hat sich etwas verändert. Dann hänge ich ganz schnell am Telefon und bohre nach.

(1) Anteigen von Pigmenten in einem Workshop über Kreativität in der Malerei
(2) Schablonierte Bemusterung mit historischem Motiv
(3) Marmorierende Modellierung mit feuchtigkeitsausgleichendem Kalkputz, mit verschiedenen Erdpigmenten eingefärbt. Der Spitzbogen ist architektonisch charmant

Wie eng arbeitest du mit dem IBN zusammen?

Geistig immer. Die 25 Leitlinien und die Unterlagen des Fernlehrgangs habe ich zum Nachschlagen immer griffbereit im Regal. Außerdem kann ich jederzeit anrufen und bekomme Informationen. Das habe ich auch schon oft gemacht.

Du bietest Workshops für das IBN und vor Ort an. Außerdem berätst du bezüglich Selbsthilfe. Was ist dir dabei am wichtigsten?

Selbst Hand anzulegen ist ein großes Thema bei mir, weil ich gerne auch Menschen erreichen möchte, die nicht viel Geld für eine komplette Gestaltung ihrer Wohnung oder ihres Hauses investieren möchten bzw. können. Dann komme ich stundenweise. Zuerst erarbeite ich in meinem Atelier ein Farb- und Gestaltungskonzept unter Einbeziehung der vorhandenen Originalmaterialien. Dazu trage ich die Farben auf mindestens 80 x 50 cm große Mustertafeln auf. Diese Tafeln nehmen meine Kund*innen mit nach Hause und erleben sie zu jeder Tageszeit und in jedem Licht. Ganz wichtig finde ich, dass sie die Mustertafeln auch mal unter das Bett legen, wegen der Materialverträglichkeit. Dann kann ich stundenweise Materialeinführungen machen oder Putztechniken zeigen. Besonders liebe ich, wenn meine Kund*innen Freude am selbst Gestalten haben und eine Beratung dafür brauchen. Kreativität und Schöpferkraft sind in jeder Kundenberatung wichtige Themen.

Welche Technik führst du selbst gerne aus?

Ich liebe lebendige Farbgestaltungen mit Pinselanstrichen, Untermalungen und Lasierungen. Kalkspachtel mit Pigmenten, changierende Oberflächen, alles, was natürlich aussieht, das ist meins. Sehr gerne führe ich auch Schablonenmalerei aus und kombiniere sie mit Freihandmalerei. Ich habe ein Repertoire an Motiven aus über 30 Jahren. Von Häusern, die schon lange nicht mehr stehen, habe ich die Bordüren fotografiert und Schablonen selbst nachgeschnitten.

(4) Schablonierungen werden besonders schön mit Silikatkreiden
(5) Einem Grundanstrich in Eierschalenweiß folgen Gelbocker oben und Türkis unten als reine Silikatlasur mit zweilagiger Schablonenmalerei in Solarplexushöhe
(6) Als Untergrund eignen sich besonders Pinselanstriche und Verputze
(7) Die Putze und Spachtelmassen sind mit alkalibeständigen Erdpigmenten lebendig eingefärbt, eine chanchierende Technik mit einer natürliche Ausstrahlung

Was ist dein Lieblingsmaterial für architektonische Oberflächen?

Möglichst reine Kalk- und Silikatmaterialien, weil es lebendige Materialien sind. Im Gegensatz zu acrylatmodifizierten Materialien changieren sie und haben eine große Tiefe und sind zudem gesundheitlich unbedenklich. Die untere Schicht scheint durch die obere durch. Wenn ich Kalk- oder Silikatfarben modifiziere, dann mit Zellulosekleister. So bleiben ihre Lebendigkeit und die natürliche Ästhetik erhalten.

Was macht für dich eine gesunde, schöne Oberfläche aus?

Neben der Ästhetik gleicht so eine Oberfläche auch das Raumklima aus. Zudem altert sie elegant und zeigt weniger schnell Verschmutzungen auf.

Wie wichtig ist dir der Geruch bei deinen Arbeiten?

Ausgesprochen wichtig. Geruch ist fantastisch. Ich beginne damit, dass ich Kunden aufkläre, dass ich nicht gerne direkt über alte Wände streiche, sondern sie vorher gerne reinigen möchte. In der Regel sind sie begeistert. Für die Reinigung empfehle ich desinfizierende Heilkräuter, zum Beispiel Rosmarin, Lavendel oder Salbei. Diese Gartenkräuter ergeben einen tollen Raumduft. Im Winter gehe ich in den Bioladen. Das Ganze wird angesetzt wie ein Tee. Dann wird der Sud verdünnt, bevor ich damit die Wände mechanisch abbürste. Manchmal kommt da ein wahnsinniger Dreck runter. Nach dem Trocknen beginne ich mit der Renovierung.

(8, 9, 10) Möbelstücke werden auf Leinölbasis oder mit wasserverdünnbaren Ölfarben bearbeitet
(11, 12) Weil es schnell gehen sollte, wurde der Rechecktisch mit Lascaux Farben auf Acrylatbasis bemalt
(13) Schon mit einen kleinen Sortiment an Mustertafeln bekommen Kunden Sicherheit für die Gestaltung, können die Haptik erspüren und die Materialverträglichkeit austesten

Wie machst du Werbung für deine Arbeit?

Ich lebe tatsächlich von der Mundpropaganda, werde von Kunde zu Kunde weiterempfohlen und mache sonst keine große Werbung.

Auf deiner Internetseite sieht man auch, wie du einen Bauernschrank bemalst. Ist das ein Standbein von dir?

Durch die Pandemie kommt die Möbelmalerei gerade wieder stark raus. Ich habe seit vielen Jahren nicht mehr so viele Möbel zum renovieren, restaurieren, gestalten bekommen, wie 2020. Die Leute haben zuhause etwas ausgegraben, das sie nicht wegwerfen wollten; oder fragen mich, ob ich aus einem einfachen, alten Möbelstück oder Ikeateil, das eine schöne Form hat, etwas neues machen kann? Da bin ich genau der Richtige.

Du nimmst dir auch ein Ikeamöbel vor?

Selbstverständlich. Klar, wenn der Mensch daran hängt, dann machen wir etwas ganz anderes daraus. Das kann dann nachher aussehen wie ein antikes Möbelstück. Je nachdem, was die Kunden möchten.

Vielen Dank für das Interview!

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Thema: Architektur + Handwerk


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