Wann und warum wurdest du Baubiologe?

Vor zehn Jahren habe ich mit dem Fernlehrgang Baubiologie IBN angefangen. Ich hatte mich dafür interessiert, weil ich als Tischler vermehrt Spanplattenmöbel bauen musste mit irgendwelchen Plastikdekoren. Da konnte ich nicht dahinter stehen. Es musste mehr Sinn her. Ein Lehmbauer in der Region erinnerte mich an die Baubiologie. Während meiner Wanderschaft hatte ich den ersten Kontakt mit ihr.

Du warst als Tischler auf Wanderschaft und dabei ist dir die Baubiologie begegnet?

Genau. Das war in Süddeutschland. Auf einer Baustelle, auf der ich gearbeitet habe, gab es einen Tag der offenen Tür, auf dem ein mit den Bauherren befreundeter Baubiologe einen Stand hatte. So konnte ich ihn löchern.

Wie bist du vom Tischlerhandwerk zum Lehm gekommen?

Das war tatsächlich Zufall. In den letzten Wochen meines Tischler-Daseins habe ich mir noch eine Fingerkuppe abgefräst. So hatte ich Zeit nachzudenken. Danach habe ich einen Lehmbauer kennen gelernt, dem ich bei einem Anbau half. Tischler gibt es im Lehmbau unheimlich Viele, das scheint eine gute Voraussetzung zu sein.

Gab es einen wichtigen Lehrer für dich?

Mit Piet Karlstedt habe ich mal eine Baustelle gemacht, da konnte ich einiges lernen. Aber das meiste habe ich durch Machen gelernt. Eigentlich habe ich im Lehmbau keinen Lehrer. 

Und im Bereich Baubiologie?

Na ja, das IBN. Ich stehe mit dem IBN in Kontakt. Wenn ich unsicher bin, habe ich keine Hemmungen und frage dort nach.

Wird deine Qualifikation als Baubiologe IBN angenommen?

Ich habe das Gefühl, dass dieser Titel ein Qualitätskriterium ist. Er signalisiert den Kunden, dass sie eine gute Beratung bekommen. Das Meiste läuft definitiv über meinen Online-Shop. Und da ist tatsächlich meine Qualifikation als Baubiologe IBN positiv zu bewerten.

Hast du andere wichtige Kooperationspartner?

Ich arbeite eng mit den Herstellern zusammen, deren Produkte ich vertreibe. Sie sind meine Partner und wir stehen immer in einem engen Austausch. Ihre Waren verschicke ich europaweit.

Europaweit?

Ja. Das meiste natürlich in Deutschland, aber es gibt auch immer wieder Anfragen aus den Nachbarländern.

Was war denn deine spektakulärste Aussendung?

Zwei komplett volle LKWs Hanfdämmung und ein LKW Lehmputze, die in die Schweiz geliefert wurden. Da muss man das auch verzollen. Gerade wenn es um Hanf geht, ist das spannend (lacht). Der LKW-Fahrer musste an der Grenze anhalten und ich musste eine Bescheinigung der Hanffaserfabrik beibringen, welche genaue Pflanzenart das ist.

Seit wann betreibst du deinen Online-Shop?

Den Online-Shop habe ich seit 2011. Angefangen habe ich mit einem gemieteten Shop-System und Produkten von Kreidezeit. Am Anfang war es sehr mühsam. Irgendwann habe ich beschlossen, dass das gut ist und Spaß macht und habe mir dann ein größeres Shop-System besorgt und ausgebaut. Seitdem läuft das wirklich gut.

Was hast du aktuell für Pläne?

Auch mein derzeitiges Shop-System muss schon wieder aktualisiert werden. Außerdem ziehe ich mit meinem Lager um und versuche mein Büro fertig zu bauen. Es gibt immer spannende Sachen.

Welche Produkte verkaufst du?

Natürlich Lehm als Lehm-Laden, Kalk, Hanfdämmungen, verschiedene Flächenheizungen, Bücher und Werkzeuge. Als Lehm-Laden möchte ich dem Kunden zeigen, welche Vielfalt es gibt. Soweit ich weiß, bin ich der Einzige, bei dem man Lehmprodukte von Markenherstellern als auch von regionalen Herstellern bekommt, so dass ich ein breites Produktsortiment habe.

Du bietest also auch bewusst Produkte regionaler Hersteller an?

Ja genau. Ich habe verschiedene lokale Hersteller im Programm. So wird dem Kunden auch gezeigt, wie lokal verfügbar Lehm eigentlich ist.

Das Meiste läuft aber tatsächlich über die großen Marken. Die Kunden wollen Marken haben, die Rang und Namen haben. 

Die kleinen Hersteller laufen ganz wenig. Aber mein Herz ist dabei. Einer Kundin habe ich einmal erklärt, dass es Zeigerpflanzen gibt, die einen lehmhaltigen Boden anzeigen oder dass man anhand der Dorfgeschichte herausfinden kann, wo die Lehmkuhle war bzw. ist oder dass Straßennamen wichtige Hinweise sein können. Obwohl sie in einer Straße, die ‘In der Lehmkuhle’ hieß wohnte, hat sie fertigen Lehm gekauft. Alles andere war ihr zu viel Arbeit.

Unseren Lehm, der hier aus dem Kieswerk geholt werden kann, vertreibe ich auch. Für regionale Baustellen, wo man das Material mit dem Kipper hinfahren kann, ist das grandios und kostet einen Bruchteil des anderen. Aber alleine das Abfüllen in den BigBag und die Palette für den Versand fertig machen, macht ihn so teuer, dass man für ein bisschen mehr Geld auch einen fertigen Putz kaufen kann, der genormt ist.

(1) Stampflehmboden mit Lehm-Leinöl Spachtelung als Abschluss in denkmalgeschütztem Haus
(2) Nach der Wärmebildaufnahme erhielt das Fachwerkhaus eine Innendämmung mit Blähtonleichtlehm
(3) Mit Lehm verputzte Außenwand in einem Fachwerkhaus

Wie werden deine Kunden aufmerksam auf dich?

Ganz viele kommen über Mundpropaganda – und ganz klar über die Suchmaschinen. Ich habe online gute Texte stehen, so dass ich gefunden werde.

Dadurch, dass ich gute und ehrliche Texte habe, geht viel von alleine. Eine SEO-Agentur habe ich auch versucht, die machen aber immer irgendwelche Tricks, die ich nicht gut finde (SEO = Suchmaschinenoptimierung).

Schreibst du deine Texte selbst?

Ja. Sie sind authentisch, stimmen und sind auf den Kunden ausgerichtet und nicht auf irgendwelche Keywords.

Wo triffst du sonst noch Kunden?

Durch mein Netzwerk kommt sehr viel, durch Zeitungsanzeigen und demnächst durch eine Messe. Gerade baue ich einen Messestand mit verschiedenen Musteraufbauten für das Tiny-Living-Festival Ende August 2019, das hier im Wendland stattfinden wird. Und da ist das baubiologische Bauen unheimlich wichtig. Viele Leute in der Tiny-House-Szene bauen gar nicht ökologisch. Und das darf so nicht sein, wenn man diesen Gedanken des tiny living dahinter hat. 

Was ist beim Tiny-Living-Festival geboten?

Da gibt es zwei Tag einen internen Austausch der Akteure mit vielen Workshops und Vorträgen. Und dann haben wir noch zwei Tage, an denen es für Endverbraucher offen ist und es viele Präsentationen gibt. Da entsteht etwas spannendes.

Tiny Houses sind ja gerade sehr angesagt, nicht nur in Berlin. Ist das der Weg, unser Wohnproblem zu lösen?

Ich stehe dem ein bisschen zwiespältig gegenüber. Das Tiny House hat etwas sehr egoistisches. Man hat seine eigenen vier Wände, das ist ein Vorteil, aber man hat tatsächlich viel Außenhaut für wenig Innenraum, der geheizt und gedämmt werden muss. Gemeinschaftliches Wohnen ist auf jeden Fall ökologischer.

Aber der Vorteil von einem Tiny House ist, dass die Leute tatsächlich eher bereit sind, ökologisch zu bauen, weil alles kleiner ist und weniger Material gekauft werden muss. Dementsprechend ist es eher bezahlbar.

Sind die Modellaufbauten, die du machst, für Tiny Houses entwickelt?

Teilweise ja, teilweise sind sie fürs Wohnhaus. Dazu gibt es schöne Skizzen und Beschreibungen.

Einer deiner Wandaufbauten ist aus Stampf-Leichtlehm. Ist das nicht ein Widerspruch, Stampflehm und leicht?

Das ist jetzt nicht klassische “rammed earth”, sondern eine Mischung aus Hanfschäben und Lehm, die in eine Schalung gestampft wird. Nach dem Ausschalen trägt sich die Wand von alleine und man kann sie direkt verputzen. Das ist eine schöne Mischung aus Speichermasse für Wärme und Feuchtigkeit.

Was machst du noch für Modellaufbauten?

Einen für einen Holzrahmenbau mit einer schönen Diagonalschalung ohne Plastik. Innen ist eine Wandheizung mit Lehmbauplatte, außen eine Holzweichfaserplatte mit Kalkputz.

Dann mache ich verschiedene Deckenaufbauten, mit Hanfdämmung, mit Fußbodenheizung, für Altbau und Neubau. Insgesamt habe ich dann sechs verschiedene Wandaufbauten und drei Deckenaufbauten.

Was bedeutet bauen mit Lehm für dich?

Mit Lehm zu arbeiten bringt unheimlich Kraft. Es ist natürlich körperlich anstrengend, gibt einem aber auch viel. Lehm regt unheimlich die Sinne an, wenn man sich darauf einlässt.

Kalk ist ökologisch und gut, aber wenn ich mit Lehm arbeite, erdet mich das. Das muss man erspüren und machen. Dass man wieder ins Tun kommt. Dass die Leute wieder etwas machen, selbstständig anfangen und die Sache in die Hand nehmen und eine Entscheidung treffen können. Das geht mit Lehm einfach sehr gut.

Wird damit auch eine bestimmte Ästhetik transportiert?

Nein. Lehm kann alles sein. Modern, rustikal oder altbacken. Das ist nicht EINE Ästhetik. Wenn man sich ein altes Fachwerkhaus ansieht oder ein modernes Gebäude oder ein Haus in Afrika. Alles ist mit Lehm gebaut. 

Wie gefällt dir die moderne Ästhetik des Alnatura Campus?

Arbeit mit blauem Kalk
Handwerkliche Verarbeitung von wasserfestem Tadelakt

Das ist nicht mein Geschmack (lacht). Aber ich freue mich, dass es mit Lehm gemacht wird. Es muss gesehen werden, was alles damit möglich ist und das geht nur über solche Leuchtturmprojekte.

Meinst du, die Lehm-Ästhetik sollte weiter entwickelt werden?

Sie entwickelt sich von alleine weiter.

Und was hältst du von Wettbewerben wie dem Terra Award oder der Claytec Oberflächenwerkstatt Lehmputze?

Der Terra Award, und auch der Wettbewerb von Claytec zeigt, was schon da ist. Der Terra Award ist ja ein internationaler Wettbewerb, hier finde ich es unheimlich schön, dass der weltweit unterschiedliche Lehmbau gezeigt wird und die weltweite Vielfalt des Lehms gut sichtbar wird. So entsteht ein weltweiter Wissenstransfer, der durch das begleitende Buch richtig gut kommuniziert wird.

Ein solcher Wettbewerb würde, wenn er vom Dachverband Lehm ausgerichtet wird, ein größeres Klientel erreichen. Aber es ist gut, dass den Lehmschaffenden die Plattform geboten wird, faszinierende Techniken zu zeigen. Da sind schon echt spannende Ergebnisse gebracht worden.

Was ist deine Vision für die Baubiologie?

Ich glaube an die Kraft der Gedanken. 

Die Vorstellung, dass Chemieriesen nicht mehr existieren, global tätige Unternehmen gesellschaftsoptimiert arbeiten, große industrielle Anlagen zurückgebaut sind, dass zum Bauen und Leben nur ökologische und natürliche Materialien verwendet werden, dass es sozial ein gemeinschaftliches Miteinander gibt, die Bevölkerung weltweit wieder eins mit der Erde ist. – Das sind meine Zielgedanken für die nächsten 50 Jahre.

Die Baubiologie ist dann völlig normal. Es gibt nichts anderes mehr. 

Vielen Dank für das Interview!

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  1. Das Selbermachen bei Lehmputzen ist so simpel, dass es fast garantiert auch handwerklich Unbegabten eher gelingt als schief läuft. Ich kann das bestätigen, da ich als Planerin ja normalerweise nicht selbst anpacke. Als es bei der Sanierung in den eigenen vier Wänden anstand, einen Lehm-Verputzer zu engagieren, habe ich einen Professionellen gefunden, der mir eine Einführung gegeben hat, und danach habe ich sämtliche Außenwände selbst von innen mit einem 2 Millimeter Dekorputz versehen. Darauf bin ich stolz, und das Ergebnis ist mehr als zufriedenstellend.

    • Hi Regina, genau das ist der Effekt den nur Lehm hat. Die Hausbauer kommen wieder in das Tun, und verbinden sich durch selbst geschaffenes mit Ihrem Haus. Solche Anleitungen geben sehr viele Lehmbauer, das mache ich hier auch oft und freue mich jedesmal wenn die Kunden hinterh stolz Ihre Arbeit präsentieren

  2. Der Stampflehmboden im Denkmalhof ist eine sehr fundierte Arbeit. David Feldbrügge hat hier wieder einmal handwerkliches Geschick und bauphysikalisches Wissen bewiesen. Ein tiefer gehender Artikel erschien in “Wohnung + Gesundheit” Nr. 164 mit dem Titel “Lehm-Öl-Spachtelboden” und hoffentlich auch bald hier :).
    Für das das Tiny-Living-Festival Ende August alles Gute!

    • Danke Achim, ja der Stampflehmboden war eine schöne Baustelle. Da mussten wir direkt bei Baubeginn den eigentlichen Plan umwerfen und einen neuen Aufbau, den ich bis dahin noch nicht gemacht hatte, umsetzen. Das war sehr spannend. Eine kleine Fotostrecke dazu gibt es auf meiner Seite bei Facebook. Der Lehm-Öl-Spachtelboden ist danach schon mehrfach verbaut worden, unter anderem im Earthship im Tempelhofer Feld.

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