Die Stadt Parchim zählte um das Jahr 1600 neben Rostock und Wismar zu den bedeutendsten Handelsstädten im Herzogtum Mecklenburg. Das dreischiffige Giebelhaus gehört zu den ältesten erhaltenen Bürgerhäusern der Stadt. Das Geschäftshaus mit vierstöckigem Speicherboden wurde zwischen 1601 und 1604 in Geschossständerbauweise errichtet. Das schöne Fachwerk ist weitgehend aus der Erbauungszeit erhalten. Ihm vorgeblendet ist ein repräsentativer ziegelsichtiger Ziergiebel im Stil der flandrischen Renaissance. Nach Jahren des Leerstands wurde es ab 2018 vom Architekturbüro „mkk. Architekten“ (Michael Mikolajczyk, Wolfram Keßler, Frank Kirsten) aus Schwerin umfassend unter denkmalpflegerischen Aspekten saniert. Vorher dokumentierten ein Bau- und Kunsthistoriker und ein Restaurator Details seiner Bau- und Nutzungsgeschichte sowie seine Farbigkeit. Sie fanden u.a. ein bauzeitliches geschnitztes Zierholz auf der ganzen Länge eines Raumes und eine zeittypische Begleitstrich-Malerei.

Arbeiten an der Fassade

Zum Hof wurden wenige angegriffene Ziegelsteine der mindestens 24 cm starken Wand einzeln ausgetauscht und die Fugen partiell ausgebessert. Auf der Ostseite waren die 11,5er Ausmauerungen einiger Gefache locker, das Fugenbild war schlecht. Die Ziegel in Zierformatverbänden wurden deshalb zum Großteil aus und wieder eingebaut. Dabei wurde auch das Fachwerk partiell ausgebessert. Das Fachwerk der Westseite zum Nachbarhaus ist mit Lehmstakten gefüllt. Von außen wurde es nur farblich neu gefasst.

Die energetische Ertüchtigung sollte „materialgerecht mit traditionellen Baumaterialien im Verbund“ geschehen, wie es der erfahrene Denkmalsanierer Frank Kirsten von mkk. Architekten formuliert. Außerdem sollte möglichst wenig Fläche beansprucht werden. Die Planer wählten folgende zwei mineralische Innendämmungen wegen ihres robusten bauphysikalischen Verhaltens und der guten Eignung zu den alten Bauteilen: den Blähton-Leichtlehm von Claytec im BigBag mit 0,21 W/mK Wärmeleitfähigkeit und den Kalkdämmputz Tri-O-Therm M von Akurit aus dem Silo mit 0,055 W/mK Wärmeleitfähigkeit. Diese feuchtepuffernden Produkte fördern ein ausgeglichenes Raumklima sowie Schimmelfreiheit durch Erhöhung der Oberflächentemperatur und kapillarem Verteilen von eventuellem Kondensat. Zudem sind sie schadstofffrei.

(1) Das über 400 Jahre alte Giebelhaus in Parchim hat unterschiedliche Fassadenmaterialien wie Backsteine und Fachwerk
(2) Rückseite des Giebelhauses vor der Sanierung. Die ersten beiden Geschosse sind massiv und wurden innen mit einem Kalkdämmputz gedämmt. Das Eichenfachwerk darüber ist ungedämmt
(3) Einblick in die Konstruktion auf das geschnitzte Zierholz mit Zickzack-Band in der Ostfassade. Das Denkmal von überregionaler Bedeutung stand vor der Sanierung jahrelang leer
(4) Variationsreicher Untergrund, dem sich die Blähton-Lehm-Dämmschüttung ohne Hohlräume anpasst

Innendämmung mit Leichtlehm

Die Längsseiten aus starkem Fachwerk und 11,5er Ausmauerung erhielten eine fachwerkverträgliche Leichtlehm-Innendämmung. Der Lehm hält das Holz trocken und verteilt die durch Fugen zwischen Fachwerk und Ausfachung eindringende Feuchtigkeit, so dass sie nach innen und außen rasch abtrocknen kann. Martin Appel von der Firma Putze und Sanierungsarbeiten in Matzlow führte mit drei Mitarbeitern alle Putzarbeiten in etwa einem halben Jahr aus: Für die Innendämmung mit Blähtonleichtlehm fertigten sie zuerst eine Unterkonstruktion aus Holzlatten mit 15 bis 25 cm Abstand vom Mauerwerk, um die Wände wieder lotrecht zu stellen. Darauf tackerten sie 70-stängelige Schilfmatten relativ eng. „Das muss das Stampfen und das Gewicht des Putzes aushalten“, erklärt Appel. Die Schilfmatten zogen sie lagenweise hoch und verdichteten dann die grobe Lehmmischung nach unten. „Wir haben mit einem Handstampfer aus Eisen gestampft“, erinnert sich der Fachmann. Je nach Raumnutzung schraubten sie stabile Holzbretter als Untergrund für Befestigungen auf den Sockel oder eine Zone für Hängeschränke. Die letzten 15 cm am Deckenanschluss stampften sie zur Wand hin und befestigten das Schilf danach.

Trockenzeiten beachten

Im Sommer stand die Lehmdämmung 3-4 Wochen „Das reichte zum Trocknen nicht ganz aus. Aber da wir mit Lehm darüber gearbeitet haben, konnte es danach weiter trocknen“, erklärt Appel. Es folgte ein grober Lehmunterputz von Baumit, 2 bis 3 Tage Trocknung, ein Feinputz, in den sie ein Glasfasergewebe mit 4 x 4 mm Maschenweite einarbeiteten und abschließend wieder der Feinputz. Diesen rieben sie mit dem Filzbrett ab. Inzwischen war es Herbst und ein elektrischer Luftentfeuchter wurde eingesetzt. Die Maler strichen zuletzt mit einer diffusionsoffenen Kalkfarbe.

(5) Die Schilfmatte wird sehr eng auf die Dachlatten getackert, um dem Druck des Verdichtens standzuhalten
(6) Holzbretter bilden einen stabilen Untergrund für Befestigungen. Sie werden noch mit Schilf belegt
(7) Bei der Sanierung wurden außen nur einzelne, angegriffene Ziegelsteine ausgetauscht und die Fugen partiell ausgebessert
(8) Geschnitzter Balken nach der Sanierung der Wand und kapillaraktive Innendämmung

Innendämmung mit Kalk

Die massiven Klinkerwände der Giebelseiten verputzten die Stuckateure mit einem ca. 6 cm starken mineralischen Dämmputz mit Portlandzement als Bindemittel und Zuschlägen aus mineralischem Blähton. Dieser Putz ist mit der Druckfestigkeitsklasse CSI so weich und mit einem sd-Wert von ca. 0,3 m so diffusionsoffen, wie es für einen Altbau angebracht ist. Baubiologisch wäre zu prüfen, ob es nicht ein Material mit Kalkbindemittel mit weniger grauer Energie (Primärenergieeinsatz) gegeben hätte.

Die Stuckateure trugen den Putz in zwei bis drei Lagen auf. Bereits nach zwei bis drei Stunden überarbeitet sie die vorherige Lage. Nach dem Aufrauen mit dem Gitterrabot (ein Art Putzhobel) ließen sie ihn ca. 12 Tage aushärten und behandelten ihn dann mit einem mineralischen Tiefengrund. Sie brachten den Armierungsputz auf, in den sie das Armierungsgewebe einbrachten. Mit einem dünnschichtigen Kalkspachtel und einer diffusionsoffenen Mineralfarbe schlossen sie den Aufbau ab. „Wir sind mit dem Ergebnis optisch sehr zufrieden“, freut sich Architekt Kirsten. So ist das Giebelhaus heute wieder gut für seine zweite Lebenshälfte gerüstet und belebt den historischen Marktplatz.

Baudaten

Giebelhaus Parchim

Baujahr1604 (letzte Sanierung 1902 mit neuer Straßenfassade)
Sanierung2018 – 2020
Innendämmung Leichtlehm (von innen nach außen)Kalkfarbe, Lehmfeinputz, Lehmfeinputz mit Glasfasergewebe 4 x 4 mm, Lehmunterputz, 70-stängelige Schilfmatte bzw. Holzbretter als Untergrund für Befestigungen, Holzlatten, Blähton-Leichtlehm 15 – 25 cm
Mineralische Innendämmung (von innen nach außen)Kalkfarbe, Kalkspachtel, Armierungsputz mit Armierungsgewebe, mineralischer Tiefengrund, mineralischer Dämmputz mit Blähton in zwei bis drei Lagen
PlanungFrank Kirsten, Ines Junker für mkk. Architekten, Schwerin / Anja Lemke, Lemke-Uphaus GmbH, Parchim
Ausführung PutzeMartin Appel Putze und Sanierungsarbeiten, Matzlow
BauhistorikerdenkmalANKER Büro für Bauforschung und Kulturvermittlung, Jakob Kayser M.A., Schönfeld
RestauratorDipl. Restaurator (FH) Matthias Bresin

Quellen Fotos: (1, 7, 8) Achim Pilz | (2, 3, 4, 5, 6) mkk. Architekten

Leser-Interaktionen

Ihre Meinung ist uns wichtig

Bitte beachten: Wir freuen uns auf Ihre Meinung, Stellungnahme oder ergänzende Informationen.
Bitte platzieren Sie hier jedoch keine Werbung und keine Fragen. Falls Sie Fragen haben, können Sie diese direkt an die Autor*innen stellen, deren Kontaktdaten Sie in jedem Beitrag finden.
Bitte bleiben Sie konstruktiv und höflich! Alle Kommentare (max. 3.000 Zeichen) werden von der Redaktion geprüft und erscheinen nicht sofort. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.