Die neuapostolische Kirche von 1961 wurde klimaschonend zum Wohnhaus für eine vierköpfige Familie umgeplant. In Teil 1 “Himmlisch wohnen”  haben wir über die ästhetische Architektur und die bauphysikalisch robusten, baubiologischen Baustoffe berichtet. Kalkschlämme und eigens entworfene Einbauten und Möbel aus Vollholz sorgen für ein angenehmes Raumklima.

(1) Seit ihrem Umbau zum Wohnhaus ist die neuapostolische Kirche nahezu energieautark | Bild: Johannes Maria Schlorke
(2) Die Westfassade von 1961 vor dem Umbau | Bild: Architekturbüro Manderscheid

Ökologische Dämmmaterialien

Obwohl die Wohnhäuser in der Nähe verputzt sind, wollte der Architekt Christoph Manderscheid kein Wärmedämmverbundsystem (WDVS), sondern eine hinterlüftete Holzverkleidung. Hinter der dynamisch schräg gestellten Fassade dämmen Zellulose und Holzweichfaserplatten die Außenwand auf den Standard KfW-Effizienzhaus 85. Das Souterrain erhielt innen acht Zentimeter starke Mineraldämmplatten von Mulitpor, eine Gewebearmierung und eine Kalkschlämme. Ohne diese Innendämmung hätte die gesamte Zufahrt aufgegraben werden müssen. So brauchte die neue Perimeterdämmung außen nur bis knapp unter das Erdreich geführt werden. Der Sturz erhielt im Bereich der oberen Fensterlaibung eine Dämmplatte von 2 cm. Dort, wo eine tragende Wand abgebrochen worden war, war für eine garantierte Rissfreiheit der Decke ein Stahlträger nötig. Damit das Souterrain als Einliegerwohnung genutzt werden kann, wurden auch die Fenster entsprechend vergrößert. Das Dach erhielt zwischen den Sparren eine Einblasdämmung mit Zellulose.

(3) Bis unter das zehn Meter hohe Dach schaffen Pelletofen, Fußbodenheizung und sorptionsfähige Materialien ein angenehmes Raumklima | Bild: Johannes Maria Schlorke

(4) Das Dach ist zwischen den Sparren, die Wände außen mit Zellulose gedämmt | Grafik: Johannes Maria Schlorke
(5) Eine Photovoltaik-Anlage erzeugt den Strom für die Wärmepumpe, welche Erdwärme für die Bodenheizung nutzbar macht | Bild: Johannes Maria Schlorke

Sonne und Erdwärme

Für ein regeneratives und möglichst autarkes Energiekonzept entnimmt eine Solewärmepumpe (WP) über vier Erdbohrungen im Garten Wärme für die Fußbodenheizung und das Brauchwarmwasser. Im Sommer können die Räume mit den im Winter abgekühlten Bohrungen gekühlt und der Erdspeicher wieder für den Winter aufgeladen werden. Ein raumluftunabhängiger, automatisch steuerbarer Pelletofen im bis zu zehn Meter hohen Wohnraum kann behagliche Strahlungswärme zusteuern.

Strom erhält die WP über die batterie-gepufferte Photovoltaik-Anlage auf dem Flachdach. Hier haben 36 Module der Firma Heckert Solar Platz. Damit möglichst viel Eigenstrom verbraucht werden kann, sind die Elemente mit 10° Neigung je zur Hälfte nach Osten und nach Westen ausgerichtet. Mit einer durchschnittlichen Jahresproduktion von zirka 8.700 kW spart sie etwas über 6 Tonnen CO2 jährlich ein.

(6) Damit die Eigenverbrauchsquote möglichst hoch ist, sind die Hälfte der PV-Panele 10° nach Osten, die andere Hälfte 10° nach Westen geneigt | Bild: Achim Pilz
(7) Wechselrichter und Batteriespeicher mit 6 kWh | Bild: Achim Pilz
(8) Damit auch im Souterrain gewohnt werden kann, wurde innen mineralisch gedämmt und die Fenster der Räume vergrößert | Bild: Johannes Maria Schlorke
(9) Historisch inspiriert: Weil mit Leinöl gestrichen, konnten die Profile der Rahmen scharfkantig ausgeführt werden und sind damit dauerhafter | Bild: Johannes Maria Schlorke

Batterie mit Optimierungspotenzial

Im November 2017 ging die Anlage ans Netz. Als Batterie wurde eine mit 6 kWh relativ kleine – damals noch recht teure – Lithium-Ionen- Batterie mit einer erwarteten Zyklenanzahl von 8000 gewählt. Bis 2021 betrug die Autarkie- und die Eigenverbrauchsquote nur je 30 %, die Direktverbrauchsquote 19 %. Zum einen hat das seine Ursache darin, dass das Haus zuerst nur sporadisch genutzt wurde. Seit Mai 2020 ist es dauerhaft bewohnt, wodurch sich auch der Direktverbrauch verdoppelte. Im gleichen Monat ging die Batterie kaputt und musste durch eine neue ersetzt werden – Kosten ca. 5.000 €. Theoretisch könnten die Stromverbraucher zeitlich besser auf den Ertrag abgestimmt werden, zum Beispiel durch Aufheizen des Warmwassers oder Wäsche waschen bei Sonnenschein. „Da steckt noch Potenzial drin,“ bestätigt Jacqueline Bolduan, Projektleiterin Photovoltaik/Elektro bei Ruoff Energietechnik, die Firma, welche die Solaranlage einbaute. Weil der Umbau die energetische Optimierung mit hohen ästhetischen Ansprüchen, schöner Detaillierung und gesunden Baumaterialien verbindet, erhielt es 2018 einen Effizienzpreis Bauen und Modernisieren, des baden-württembergischen Umweltministeriums.

(10) Erst 2020 stieg der Eigenverbrauch mit der dauerhaften Nutzung des Gebäudes | Grafik: Achim Pilz
(11) Im Mai 2020 war die Batterie defekt und wurde Anfang September ausgetauscht | Grafik: Achim Pilz
(12) Wenn Warmwassererzeugung und Wäschewaschen bei Sonnenschein Energie verbrauchen würden, könnte die Eigenverbrauchsquote noch gesteigert werden | Grafik: Achim Pilz

Projektdaten

Umbau einer neuapostolischen Kirche zum Wohnhaus in Reutlingen-Altenburg

FensterHolzrahmen, dreifach verglast mit Argonfüllung Ug = 0,60 W/m²K | Uw = 0,90 W/m²K
SchrägdachZwischensparrendämmung 22 cm Zellulose, U = 0,16 W/m²K
Außenwandhinterlüftete Holzverkleidung | 5,2 cm Holzweichfaserplatte |
12 cm Zellulose | Bestandsmauerwerk | Gewebearmierung | Kalkschlämme U = 0,19 W/m²K
Außenwand im SouterrainInnendämmung 8 cm Mineraldämmplatte, U=0,45 W/m²K
EnergieberatungDr. Jakob Sierig, Ruoff Energietechnik GmbH, Riederich
Daten SolaranlageLeistung = 9.900 kWp |
Jahresproduktion ca. 8.712 kWh (880 kWh/kWp)
Primärenergiebedarf53,40 kWh/m²a
Endenergiebedarf26,00 kWh/m²a
Transmissionswärmeverlust0,340 W/m²

Hinweis zu Teil 1
In Teil 1 “Himmlisch wohnen” geht es vor allem um die ästhetische Architektur und die bauphysikalisch robusten, baubiologischen Baustoffe. Kalkschlämme und eigens entworfene Einbauten und Möbel aus Vollholz sorgen für ein angenehmes Raumklima.

Literaturtipps:

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