Wir leben im Zeitalter der Automatisierung: Mäh- und Staubsaugerroboter allerorten, selbsttätig nachjustierende Rollläden, autonomes Fahren – nur bei sich nicht selten innerhalb weniger Jahre selbst kompostierenden Dächern will keine rechte Freude aufkommen. Dabei ist es doch ganz einfach: Man nehme ein funktionierendes Warmdach, begrüne es, und schon nimmt die „Selbstkompostierung“ ihren Lauf! Nicht gut? Ganz Ihrer Meinung. Deswegen schauen wir nun ein einfaches Warmdach an, „saubere“ Baustoffe inklusive:

Der U-Wert ist mit 0,19 W/m2K in Ordnung, der Tauwassernachweis nach Glaser erfüllt, nur für die Trocknungsreserve nach DIN 68800 reicht es nicht ganz (siehe Artikel „Trocknungsreserve im Holzbau“ in W+G 164): sie ist mit 193 g/m2 kleiner als die geforderten 250 g/m2. Zwar könnte man das Dach trotzdem so bauen, doch müssten dann die Hölzer mit biozidhaltigen Holzschutzmitteln behandelt werden – aus baubiologischer Sicht inakzeptabel, zumal es auch anders geht.

Weil solche oder ähnliche wenig fehlertolerante Dachaufbauten dennoch häufig anzutreffen sind, sollen sie als Ausgangsbasis dienen: Was passiert, wenn wir auf dieses Flachdach nun 10 cm Substrat mit Filtermatte, Drainage usw. packen? Nach Glaser… nichts! Nichts? Ein Blick in die Norm hilft: So steht in DIN 4108-3 zum Anwendungsbereich geschrieben: „Das hier zugrunde liegende Verfahren zur stationären Berechnung von Diffusionsvorgängen nach Glaser ist nicht anwendbar bei … begrünten Dachkonstruktionen.“ Glaser ist also zum Nachweis gar nicht zulässig. Und weiter heißt es: „Für die oben genannten Fälle wird auf Anhang D verwiesen.“ Anhang D ist informativ und verweist auf „Genauere Berechnungsverfahren“. Gemeint ist die hydrothermische Simulation nach DIN EN 15026. Kurzum: Sobald ein hölzernes Flachdach begrünt wird, ist der Feuchteschutz nur noch durch Simulation nachzuweisen!

Einfaches Warmdach ohne Zusatzdämmung:

Deckenaufbau

(1) Gipsfaserplatte (12,5 mm)
(2) Installationsebene (40 mm)
(3) Dampfbremse sd = 5 m
(4) Zellulosedämmung (260 mm)
(5) GFM-Diagonalplatte (30 mm)
(6) Bitumendachbahn

Um dies zu verstehen, müssen wir uns vor Augen halten, was hier bauphysikalisch passiert: In der kalten Jahreszeit gelangt Wasserdampf per Diffusion und Konvektion in die Konstruktion hinein. Auf der kalten Seite führt dies zu einer Auffeuchtung der Holzbauteile. Solange sich diese in Grenzen hält und im Sommer wieder austrocknen kann, ist alles gut – doch wie stellt man dies sicher? Zum einen, indem die äußeren Hölzer „ins Wärmere“ zu liegen kommen, z. B. durch eine zusätzliche Dämmung oberhalb der Tragkonstruktion. Zum anderen, indem auf der Unterseite die dampfbremsende Schicht so diffusionsdicht wie nötig ist, um den winterlichen Feuchteeintrag zu begrenzen, und so diffusionsoffen wie möglich, um die Feuchte zum Innenraum hin (nach außen geht ja nicht) austrocknen zu lassen: Man spricht von der sommerlichen Rücktrocknung.

Nur: Wie viel Zusatzdämmung brauchen wir oben? Und wie soll die Dampfbremse bemessen sein, damit sie möglichst wenig Feuchte ins Dach und möglichst viel wieder heraus lässt? Schauen wir uns die realen Feuchteverläufe in der Holzschalung der oben beschriebenen Konstruktion an – einmal ohne, einmal mit Dachbegrünung:

Das Feuchteverhalten der Konstruktion (grüner Verlauf) wurde über einen Zeitraum von 14 Jahren stundengenau simuliert. Dabei wurde eine Leckage in der Dampfbremse „eingebaut“ (Gebäude-Dichtheitsklasse B mit q50 = 3 m3/m2h), um den konvektiven Feuchteeintrag bei einer üblichen Ausführungsqualität der Luftdichtheitsebene abzubilden. Die Holzschalung trocknet – auch dank der dunklen Dachabdichtung, die sich bei Sonneneinstrahlung gut erwärmt – schnell auf ein völlig unkritisches Niveau um einen Mittelwert zwischen 11 und 12 Masseprozent herunter.

Setzt man nun auf diese Dachbasis einen Aufbau mit 10 cm extensiv begrünten Substrat, sieht es für die Holzschalung schon völlig anders aus: Schon nach dem ersten Winter wird die nach DIN 68800 zulässige Holzfeuchte von 20 M-% leicht überschritten, was noch unkritisch ist. Jedoch schaukelt sie sich aufgrund der stark verringerten, sommerlichen Rücktrocknung von Jahr zu Jahr weiter auf, bis nach etwa 20 Jahren (im Bild nicht mehr dargestellt) die Fasersättigung erreicht wird. Dies bedeutet: So geht es nicht, so können wir das Dach nicht bauen, denn es wird nach einigen Jahren durch holzzerstörende Pilze zerstört.

Nun beginnt die eigentliche Planungsarbeit, die feuchtetechnische Bemessung. Unser Dach benötigt eine Zusatzdämmung, die auf die vorhandene Dachbahn verlegt und mit einer weiteren Abdichtung versehen wird. Als feuchteresistenter, baubiologisch akzeptabler Dämmstoff käme hier Schaumglas, als Abdichtung eine EPDM-Bahn in Betracht. Wir fangen z. B. mit 6 cm Dämmstärke an und schauen, was passiert. Gehen die Feuchtespitzen über 20 %, erhöhen wir auf 10 cm und schauen wieder, was passiert, usw. Dann probieren wir es nochmal mit 6 cm, diesmal jedoch mit einer feuchtevariablen Dampfbremse:

Im Vergleich zur Gründachvariante ohne Zusatzdämmung (rote Kurve) sieht es mit 6 cm Formglas WLS 039 schon deutlich besser aus (gelbe Kurve). Doch noch liegen die spätwinterlichen Feuchtespitzen immer noch über der 20-%-Marke, Tendenz leicht steigend. Ob dies tatsächlich Schäden verursachen kann, lässt sich nach einem im WTA-Merkblatt 6-8 beschriebenen Verfahren untersuchen – ein eigenes Thema für einen Folgeartikel. Mit 10 cm Zusatzdämmung (grüne Kurve) hingegen liegen wir fast schon zu weit auf der sicheren Seite. Setzt man nun eine feuchtevariable Dampfbremse ein, anstatt einer mit einem sd-Wert von 5 m, bestätigt sich, dass die Feuchtevariabilität die Konstruktion deutlich fehlertoleranter macht. Die 6 cm reichen dann aus, wie die hellblaue Kurve zeigt! Die Mehrkosten für diese Bahn liegen deutlich unter denen für 4 cm mehr Foamglas – womit die Wahl nicht schwer fallen dürfte.

(1) Mit Begrünung des unveränderten Dachs schaukelt sich die Feuchte immer weiter auf
(2) 6 cm Zusatzdämmung reichen, wenn die Dampfbremse feuchtevariabel ist. 10 cm sind noch besser, aber teurer
(3) Im kälteren Klima braucht es zum Schutz der Hölzer mehr Zusatzdämmung!
(4) Die Dachbegrünung wirkt sich feuchtetechnisch noch ungünstiger aus als Verschattung

Einen großen Einfluss hat das Außenklima. Bislang – das wurde noch nicht erwähnt – stand unser Gebäude in Holzkirchen, einem Ort am Alpenrand südlich von München in 691 m Höhe. Wir verpflanzen es nun nach Mannheim:

Wie oben zu sehen, hat auch das lokale Klima einen ganz erheblichen Einfluss auf das Wohl und Wehe im Dach: Im milden Rheinklima erreichen wir mit nur 4 cm Zusatzdämmung ein deutlich gutmütigeres Feuchteverhalten als mit 6 cm im Toralpenland.

Gründach im Vergleich zur Verschattung

Einige werden sich nun fragen, wie es sich mit dem Gründach im Vergleich zu einer Verschattung verhält, die ja ebenfalls die sommerliche Rücktrocknung mindert. Zunächst einmal muss unterschieden werden zwischen vertikaler und horizontaler Verschattung. Erstere entsteht z. B. durch hohe Attiken oder Nachbargebäude, letztere durch PV-Anlagen oder aufgeständerte Terrassenbeläge. Beide eint, dass sie am Tag die solare Einstrahlung und somit die Erwärmung der Dachhaut stark vermindern. Sie unterscheiden sich jedoch in der Nacht ganz wesentlich: während bei der Vertikalverschattung die Oberfläche Wärme ungehindert in den Nachthimmel abstrahlt und damit stark unterkühlt, ist dieser Effekt bei Horizontalverschattung stark (oft um über 50 %) eingeschränkt: Die Oberfläche unterkühlt nicht, sie bleibt wärmer, auch weil die verschattenden Elemente sich tagsüber selbst erwärmen und diese Wärme auch nach unten abstrahlen. Die vertikale Verschattung wirkt sich also ungünstiger auf den Feuchtehaushalt im Dach aus als die horizontale. Dies zeigt sich deutlich im Vergleich bei unserem Warmdach ohne Zusatzdämmung:

Im obigen Bild sieht man gut die abgestuften Effekte von Gründach und Verschattung: Während man bei der vertikalen Verschattung aufgrund der starken nächtlichen Abkühlung ähnlich viel Zusatzdämmung benötigt wie beim Gründach, um die Feuchtespitzen im Holz bei oder unter 20 Masse-% zu halten, käme man bei horizontaler Verschattung im Prinzip ohne sie aus. Zur Erhöhung der Fehlertoleranz wäre jedoch auch hier – wenn auch deutlich weniger – Zusatzdämmung empfehlenswert.

Fazit

Mit einer geeigneten, feuchtetechnischen Bemessung von Zusatzdämmung und Dampfbremse lässt sich auch ein Gründach langfristig sicher planen. Auch die Wirtschaftlichkeit spielt hier eine Rolle: Irgendwo zwischen „gar nichts machen“ aus Unkenntnis und „viel hilft viel“ aus mit Angst gepaartem Halbwissen liegt die Wahrheit. Denn Ersteres führt schnell zum Haftungsfall und Letzteres zu meist unnötig hohen Kosten für den Auftraggeber.

Eine Faustregel für die Bemessung lässt sich leider kaum herleiten. Zu vielfältig sind die möglichen Einflüsse auf das Feuchteverhalten des Dachs. Einige wurden hier gezeigt. Ziel war die Sensibilisierung für die Komplexität des Themas, und die Erkenntnis, dass man beim Gründach nicht „einfach mal machen“ kann. Wenn dies hilft, die Anzahl zukünftiger Schadensfälle zu reduzieren, ist schon viel erreicht.

In der Planung sollte man nach Möglichkeit von vornherein berücksichtigen, dass die Nutzer irgendwann auf die Idee kommen das Dach nachträglich zu begrünen. Und selbst wenn sie es nicht tun: Oft wird sich nicht verhindern lassen, dass der auf der Südseite gelegene Nachbar aufstockt und so einen Teil des Flachdachs verschattet – mit den beschriebenen Folgen.

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