Mariana Figueiro, Direktorin des Lighting Research Center

“Das Narrativ rund um das Licht muss sich ändern: Man sorgt sich um das blaue Licht, um die Farbe des Lichts, man sollte aber stattdessen in Zyklen von Licht und Dunkelheit denken, denn es ist sehr wichtig, hier jeden Tag eine Regelmäßigkeit walten zu lassen.“

Das Lighting Research Center (LRC) am Rensselaer Polytechnic Institute von Troy im US-Bundesstaat New York ist eines der weltweit wichtigsten Forschungszentren zum Licht und seinen praktischen Anwendungen. Zu den Themen, mit denen sich Figueiro und andere Wissenschaftler des LRC in den letzten Jahren in Form von Forschungsprojekten und Veröffentlichungen in Fachzeitschriften am häufigsten beschäftigen, zählt sicherlich die Rolle von Smartphones und Tablets bei der Beeinträchtigung des Schlaf-Wach-Rhythmus‘ der Nutzer. Die Auswirkungen von sehr nah und lange vor Augen gehaltenen Bildschirmen, die wir erst beim Einschlafen aus der Hand legen, waren sehr viel höher als die Folgen des Fernsehbildschirms, den wir jahrzehntelang ohne große Hintergedanken „angeglotzt“ haben.

Aber der Reihe nach: Alle oder fast alle Tier- und Pflanzenarten auf diesem Planeten haben circadiane Rhythmen, d.h. physiologische Abläufe, die sich im Laufe von vierundzwanzig Stunden wiederholen und von inneren und äußeren Faktoren abhängen. „Was die Auswirkungen des Lichts auf die circadianen Rhythmen angeht“, so Figueiro, „erfolgte der Durchbruch 1980, als Alfred Lewy zum ersten Mal zeigen konnte, dass blaues Licht die Melatoninausschüttung unterdrückt, also das Hormon, das unser Körper bei Dunkelheit produziert, um dem Gehirn die Ankunft der Nacht zu melden.“

Eine Teilnehmerin an einem Experiment 2018 zu den Auswirkungen des blauen Lichts und zur Wirksamkeit des Night-Shift-Modus auf dem iPad

Auf dieselbe Weise weckt uns die Rückkehr des Morgens wieder wie „eine Tasse Kaffee“ und hilft dabei, uns mit der biologischen Uhr zu synchronisieren. Aber genau wie der Kaffee besitzt auch das Licht eine Kontraindikation: Es hält uns wach, ohne allerdings die Müdigkeit zu bezwingen, der wir früher oder später Tribut zollen müssen. Das Starren auf hinterleuchtete Bildschirme wie die von Smartphones und Tablets am Abend verlängert den Wachzustand und vermindert die Schlafqualität. Als sich ein Bewusstsein für diese ungewollte Wirkung in der Gesellschaft entwickelte, haben viele Menschen zu Anwendungen wie f.lux oder dem Night-Shift-Modus gegriffen, um das blaue Licht in den Nachtstunden aus den Bildschirmen herauszufiltern.

Eine vom LRC durchgeführte Studie zeigt, dass das Filtern des blauen Display-Lichts tatsächlich den Melatonin-Spiegel ansteigen lässt, aber das Problem noch nicht ganz aus der Welt schafft. „Man müsste auch die Farben des Bildschirms ändern und einen schwarzen Hintergrund sowie helle Schrift verwenden, sowie die Helligkeit auf ein Minimum reduzieren“, sagt Figueiro, „aber dann wird es natürlich schwer, etwas auf dem Bildschirm zu erkennen. Am besten ist es, hinterleuchtete Displays zwei Stunden vor dem Schlafengehen auszuschalten, da wir in dieser Zeit Melatonin produzieren. Wer das nicht kann, sollte sich am nächsten Tag möglichst lange dem Tageslicht aussetzen und so lange wie möglich draußen sein, denn das am Tag aufgenommene Licht macht unempfindlicher gegen das Bildschirmlicht am Abend.“ Paradoxerweise, sagt Figueiro, werden Gebäude aufgrund von Energieeffizienzmaßnahmen immer spärlicher beleuchtet. Wer dort arbeitet, ist also tagsüber weniger wach, um dann nach Hause zu kommen und durch den langen Bildschirmkontakt schlechter schlafen zu können.

Eine Teilnehmerin an einem Experiment 2019 über die Auswirkungen des Lichts auf den Wachzustand und die Qualität des Schlafs für Büroangestellte

Aber das Problem, fährt Figueiro fort, sei nicht das Licht selbst, sondern die Regelmäßigkeit des Zyklus Schlaf-Wachzustand. „Immer mehr Studien“, erläutert sie, „zeigen, dass die Phasenverschiebung der biologischen Uhr gegenüber der Umwelt mit einer Reihe von Problemen verbunden ist, wie Schlafstörungen, Leistungsabfall, Schläfrigkeit. Zieht sich die Phasenverschiebung über Jahre hin, wie bei Menschen, die nachts arbeiten und tagsüber schlafen, kommt es vermehrt zu Fällen von Diabetes, Fettleibigkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und sogar Krebs. Auch im Bereich der geistigen Gesundheit können wir ein größeres Risiko zu Depression und anderen Störungen nachweisen.“

Eine wichtige Erkenntnis der Studien von LRC ist die Tatsache, dass Heranwachsende zwischen 15 und 17 Jahren empfindlicher gegenüber der Senkung des Melatoninspiegels durch das blaue Licht sind, während andere Studien zeigen, dass Kinder zwischen 6 und 8 Jahren sogar noch empfindlicher sind. Eine Studie aus dem Jahr 2015 weist nach, dass die Melatonin-Ausschüttung bei Heranwachsenden nach einer Stunde am Bildschirm um ca. 23% abnimmt, nach zwei Stunden um 38%. Obgleich in allen Altersstufen mittlerweile eine ungehemmte Nutzung elektronischer Geräte vorherrscht, sind es also die jüngsten unter uns, die die schwersten Schäden davontragen.

Ein Raum bei Tag- und Nachtbeleuchtung

In den letzten Jahren, vor allem, seitdem dieselben Hersteller elektronischer Geräte den Night Shift-Modus eingeführt haben, sind sich die Nutzer der negativen Auswirkungen hinterleuchteter Bildschirme bewusster geworden. Dennoch kann man nicht sagen, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen ihre Gewohnheiten im großen Stil geändert hätte. Laut Figueiro “ist das wie bei jeder Abhängigkeit: Es braucht Jahre, um die negativen Auswirkungen zu spüren, während Smartphones oder Tablets uns im Hier und Jetzt den Alltag erleichtern.“ Aber Maßnahmen zur Wiederherstellung des natürlichen Schlaf-Wachrhythmus wirken wie „eine Diät oder körperliche Betätigung: Du weißt, dass sie dir guttun, aber du musst dich selbst aus dem Bett schälen, niemand kann dich dazu zwingen. Bleibst du untätig, liegt es in deiner Verantwortung.“

Quelle: iGuzzini Illuminazione Deutschland, www.iguzzini.com

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    2. keine Verglasungen bis zum Boden. Solche werden bei Sonne bis zum Boden abgeschattet – weder Ausblick noch ausreichend Tageslicht. Glasgebäude brauchen 60 % mehr Beleuchtungsstrom. Bei 2-Scheiben Kaltluftabfall > abrücken vom Fenster – noch weniger Licht (diffuses Licht nimmt mit dem Quadrat des Abstandes ab – meist ab 1,5 m Abstand zum Fenster kein biorhythmusrelevantes Licht mehr). Norm sagt 1 m Abstand Glaswand zum Tisch, wegen der Reinigungsarbeiten! Wäre bei herkömmlichen Fenstern nicht nötig. Erholung durch Ausblick hängt davon ab, was man sieht, nicht wie groß die Scheibe ist! Es gibt noch ein paar Argumente mehr, z.B. sind Glasgebäude das größte Klimarisiko der Städte (c) MunicRe)

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