Baubiologie macht Schule

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Praxiseinsatz Renovierung: An der Montessori Schule in Wertingen können sich Jugendliche im „Projekt Mühlwinkel“ bei der Renovierung eines alten Häuschens selbst finden und Handwerkskunst "be-greifen".

An der Montessori Schule in Wertingen bei Augsburg renovieren Schüler seit sieben Jahren ein zunächst baufälliges Haus und bewirtschaften den Garten. Auf dem Grundstück gleich neben der Schule werden für drei Klassen der Jahrgänge 7 und 8 praktische Erfahrungen vermittelt. Die Jugendlichen werden dabei von Pädagogen, Lehrern und Praxis-Experten betreut. Diese vermitteln grundsätzliches Verständnis und die Zusammenhänge für die jeweiligen Aufgaben. Eine große Chance für die Jugendlichen, zu begreifen und besser zu sich zu finden. Die einzelnen Projekte mit Experten vor Ort werden von den Jugendlichen selbst organisiert.

Anschauliche Vermittlung

Der beteiligte Malermeister und Baubiologische Raumgestalter IBN Mattias Strobl zum Projekt: “Den Jugendlichen vermittle ich in selbst gewählten Projekten die Grundlagen zu baubiologischen Werkstoffen und zeige bei Renovierungsarbeiten deren Verarbeitung. Warum baubiologische Baustoffe so wichtig sind, warum sie so haltbar und gesund sind, was nicht ökologische Baustoffe mit uns und unserer Umwelt anrichten, also welche positiven, aber auch negativen Auswirkungen unser Handeln haben kann, wird vor Ort und während der Arbeiten anschaulich. Meistens werden bei diesen Themen die Ohren gespitzt und die Augen ganz groß. Mir ist wichtig, dass die Zusammenhänge – „Warum so? Warum das?“ – bei den Jugendlichen ankommen und umso mehr freue ich mich über jedes „Aha“. Ohne „Aha-Erlebnisse“ bleiben Inhalte nicht lange in den Köpfen. Die Schüler erfahren, in welcher Reihenfolge Arbeitsschritte zu erledigen sind, um zu einem erfolgreichen Ergebnis zu gelangen. Nach Einweisung koordinieren und führen sie die Arbeiten selbstständig aus. Dabei lernen sie auch, Baustoffe und Werkzeuge schonend zu verwenden. Für mich ist dieses Projekt wichtig, weil wir den Jugendlichen Werte und wichtige Zusammenhänge zwischen Baustoff, Mensch und Natur vermitteln können.”

Gefilzter Kalkputz

Im Haus haben wir einen Gemeinschaftsraum renoviert, der über die Zeit sehr vernachlässigt worden war. Der bestehende Putz war überwiegend in einem sehr guten Zustand und mineralisch, nur die letzteren Farbanstriche kunstharzgebunden. Der raue Oberputz hatte eine Körnung von 3 mm. Nach dem Ausputzen gröberer Fehlstellen und einer allgemeinen Grundierung mit Mineralputzgrund, verputzten die Schüler mit einem Weißkalkhydrat-Putz mit einer Körnung von 0,8 mm und filzten ihn ab. Dank der hohen Alkalität und dem hohen Kalkanteil des Putzes ist er so perfekt für den Raum und seine Benutzung.

Historische Sgraffito

Unsere zweites Projekt war die Fassadenrenovierung. Die Westseite des Gebäudes war mit Blech verkleidet, Reste hingen noch am Fensterstock. Der Unterputz dort war aus gelb/rotem Sand gemischt, der Oberputz feiner mit etlichen Kalkanstrichen, die bereits abplatzten. Wir kratzten die Anstriche ab und entfernten alle losen Putzteile. Für die Fehlstellen mischten wir einen vergleichbaren Putz selber mit Sand und Sumpfkalk an. Für homogene Saugfähigkeit und ausreichend Haftung strichen wir eine Mineralputzgrundierung auf. Anschließend verputzen wir mit einem rein mineralischen Sumpfkalkputz. Um Gestaltungsvielfalt zu zeigen, putzten die Schüler um die Fenster Rahmen in zwei verschiedenfarbigen Putzen. In den gut angezogenen Putz pausten sie per Schablone und Pausbeutel ein Muster auf und kratzten es mit Stuckwerkzeugen aus, so dass die untere farbige Putzschicht zum Vorschein kam. Diese alte Putztechnik, die zum Stuckateur-Handwerk gehört und in Bayern eine lange Tradition hat, nennt man Sgrafittotechnik.

1 Das alte Häuschen am Mühlwinkel vor seiner Renovierung
2 Die Fenster umgeben zwei Lagen farbiger Putze als Grundlage für das Sgraffito
3 Auch diese alte Putztechnik lernten die Schüler*innen
4 Überzeugend ist das Ergebnis der selbstverwalteten Arbeit

Interview mit Beate Lahner-Patch, der Rektorin der Montessori Schule:

Welche konkrete Herausforderung sehen Sie bei diesem Projekt?

Hierbei geht es um nachhaltige Sensibilisierung und Aktivierung von Jugendlichen in Richtung umfassendes Umweltbewusstsein. Von externen Experten werden ökologisches Bauen, gesunde Ernährung und Primärproduktion in Verbindung mit Ökonomie an konkreten Projekten auf einem 1.500 m2 großen Grundstück am Mühlwinkel vermittelt.

Welche Ergebnisse verbinden Sie mit diesem Projekt?

Renovierung eines alten Hauses unter Berücksichtigung eines baubiologischen Anspruchs, Anlegen eines Gartens mit Aspekten der Permakultur, Schüler kochen täglich für 25 Personen vorwiegend mit selbst angebauten Produkten, Bau einer Lichtanlage auf Niedervolt mit eigener Photovoltaik-Anlage.

Ist das Mühlwinkel-Projekt längerfristig angelegt?

Ja, das Projekt läuft seit 2011 und soll auf unbefristete Zeit für diePubertätsjahre laufen. Die Schüler unserer drei Klassen 7/8 gehen für je neun Wochen im jeweils laufenden Schuljahr ins Projekt. So werden theoretische Unterrichtsinhalte mit echter Arbeit in die Praxis umgesetzt, unterstützt von Lehrern und externen Experten.

Wie sind die Schüler in das Projekt eingebunden?

Die Schüler sind in alle Prozesse und Projekte verantwortlich mit eingebunden. Sie planen, organisieren und entscheiden demokratisch, wie es weitergeht. Der Vorstand des Projekts besteht aus je zwei Schülern aus den drei Klassen. Sie dokumentieren die Ergebnisse, machen Buchführung, planen die anstehenden Arbeiten und besprechen wöchentlich die Übergabe der laufenden Tätigkeiten an das nächste Team in eigener Verantwortung.

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Quellenangaben und/oder Fußnoten:

Bilder: Mattias Strobl

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