ANTWORT

Über 80 % der Bestandsgebäude sind nicht energieeffizient und gelten deshalb nicht nur als unwirtschaftlich, sondern auch als klimaschädlich. Viele dieser Gebäude weisen zudem erhebliche bauliche, haustechnische und/oder gesundheitsgefährdende Probleme auf. Die Beantwortung der Frage, ob sanieren oder abreißen und neu bauen lässt sich aber nicht pauschal beantworten, hängt also vom Einzelfall ab. So frühzeitig wie möglich – bei Kauf einer Immobilie am besten noch vor dem Kauf – sollten deshalb zusammen mit erfahrenen Fachleuten u.a. folgende Fragen geklärt werden:

1. Wie ist der bauliche Zustand des Altbaus?

Wichtig ist eine umfassende Untersuchung des Altbaus und zwar von den Fundamenten bzw. vom Keller bis zum Dach einschl. der gesamten Haustechnik. Geklärt werden sollten dabei vor allem folgende Fragen:

  • Wie ist der Zustand der vorhandenen Bausubstanz einschließlich Haustechnik (Heizungs-, Sanitär- und Elektroinstallation) z.B. bzgl. Statik, Energieverbrauch, Feuchtigkeit, Brand- und Schallschutz?
  • Wie hoch sind die laufenden sowie die zu erwartenden Kosten für Instandhaltung, Energie und Wartung?
  • Wie sieht es bezüglich gesundheitlicher Belastungen aus, also bezüglich Raumklima, Schadstoffe (z.B. Asbest, Holzschutzmittel, Formaldeyhd, PCB,  PAK), Schimmel- und/oder Hefepilze, Elektrosmog, Radioaktivität, Lärmschutz u.a.?
  • Sind Hausschädlinge vorhanden (z.B. Holzschädlinge, Ameisen)?

2. Wie funktionsfähig und attraktiv ist der Altbau?

  • Hat das Gebäude einen besonderen Charme bzw. ist es aus städtebaulichen, denkmalpflegerischen und/oder historischen Gründen besonders wertvoll und deshalb erhaltenswert?
  • Kann man in den vorhandenen Altbau schnell einziehen und nach und nach (in Eigenleistung) sanieren und lassen sich dadurch Kosten sparen?
  • Steht der Altbau in einem schön eingewachsenem Garten z.B. mit altem Baumbewuchs, der erhalten werden muss oder soll, was gegen einen Abriss spricht?

2. Welche baurechtlichen Anforderungen sind zu erfüllen?

Vor jeder Baumaßnahme sind unbedingt die baurechtlichen Rahmenbedingungen zu klären:

  • Darf das Grundstück und das Gebäude weiter so genutzt werden wie vorher bzw. darf es auch anders entsprechend den neuen Bedürfnissen genutzt werden?
  • Müssen Vorgaben aus einem Bebauungsplan eingehalten werden?
  • Steht das Gebäude unter Denkmal- oder Ensembleschutz?
  • Steht das Gebäude im Außenbereich und kann deshalb nicht abgerissen werden?
  • Darf das Gebäude aufgestockt bzw. darf angebaut werden?
  • Müssen bei einer Sanierung Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes GEG eingehalten werden?

(1 und 2) Spätmittelalterliches Fachwerkhaus von 1460 in Bad Mergentheim vor und nach der Renovierung | Planung und Fotos: Architekturbüro Klärle | mehr hierzu in diesem Beitrag
(3 und 4) Aus dem „Konsum“ (kleiner Lebensmittelladen) von 1954 wurde nach Umbau des Erdgeschosses und Aufstockung in Holzleichtbauweise das Büro des Institut für Baubiologie + Nachhaltigkeit IBN

3. Wie hoch sind die Kosten für eine Sanierung im Vergleich zu Abriss und Neubau?

Sanierungskosten werden von Laien und selbst von unerfahrenen Fachleuten häufig unterschätzt. Eine fachgerechte und energetisch zeitgemäße Sanierung kostet nicht selten mehr als ein Neubau. Deshalb sollten folgende Fragen geklärt werden:

  • Welche Gesamtkosten entstehen für die Sanierung einschl. aller Nebenkosten z.B. für Planung, Makler, Untersuchungen/Gutachten, Notar, Grunderwerbsteuer, Versicherungen, Entsorgung von Schadstoffen, Umzug)? 
  • Welche Kosten entstehen für einen (Teil-)Abriss (einschl. evtl. erforderlicher Sicherungsmaßnahmen für Nachbargebäude etc.)?
  • Welche finanziellen Fördermittel sind für die Sanierung bzw. für einen Neubau möglich? 

4. Sind Aufstockungen und/oder Anbauten und/oder ist die Aufteilung in mehrere Wohn- bzw. Nutzeinheiten möglich?

So manches erhaltenswerte Gebäude wird abgerissen, weil es zu klein ist bzw. weil es nicht die gewünschten Eigenschaften z.B. bezüglich Raumaufteilung, Raumgrößen und/oder -höhen bietet. Dabei lassen sich alte Gebäude oft durch folgende Maßnahmen erhalten:

  • Anbau(ten) und /oder Aufstockung.
  • Aufteilung in mehrere Einheiten, z.B. mehre Wohnungen oder Wohn- und Bürofläche und somit auch Aufteilung der Kosten.

Im Rahmen dieser Überlegungen sollte stets bedacht werden, dass sich durch das Nebeneinander von Alt und Neu oft ein besonders reizvolles Ambiente schaffen lässt.

5. Wie ist die Ökobilanz einer Sanierung im Vergleich zu einem Neubau?

Zur Herstellung und Transport von Baustoffen, Bauteilen und Installationen und zum Bau eines Gebäudes ist viel sogenannte graue Energie nötig. Heute neu gebaute Gebäude benötigen dafür häufig mehr Energie, also sie während ihres gesamten Lebensweges zum Heizen und Kühlen benötigen. Sanieren ist deshalb meist umwelt- und klimaschonender, selbst im Vergleich zu sogenannten Passivhäusern. Häufig kommt auch ein Teilabriss und/oder die Wiederverwendung vorhandener Baustoffe, wie z.B. Vollziegel, Natursteine oder Holzbalken infrage. Aus diesen Gründen sollen in Zukunft Sanierungen sowie das Recycling durch die öffentliche Hand besser gefördert und gefordert werden. 

6. Wie wichtig ist Barrierefreiheit?

Barrierefreiheit ist aus Vorsorgegründen bei jeder umfassenderen Baumaßnahme empfehlenswert. Schließlich ist Niemand vor dem älter werden und/oder vor körperlichen Einschränkungen gefeit. Alte Gebäude können manchmal nicht oder nur mit erheblichem Aufwand barrierefrei ertüchtigt werden. Oft sind aber Lösungen durch Teilabriss bzw. Anbauten, Verbreiterung von Türen, technische Hilfsmittel (z.B. Treppenlift, Aufzug und oder Rampe) sowie Nutzung finanzieller Fördermittel möglich.

Fazit

Die Entscheidung, ob Sanierung oder Abriss und Neubau kann erst nach Klärung all dieser Fragen getroffen werden. Um spätere unliebsame und teure Überraschungen beispielsweise bezüglich Statik, Bauschäden, Schadstoffen, Schallschutz oder Brandschutz zu vermeiden, sollte man bezüglich fachgerechter Untersuchung der vorhandenen Bausubstanz samt Haustechnik sowie Planung und Bauleitung nicht sparen.

Aus Klimaschutzgründen und damit die laufenden Kosten für Energie nicht aus dem Ruder laufen, ist heute eine energetische Sanierung samt Haustechnik unverzichtbar. Baubiologische Gebäude-Energieberater*innen IBN bieten auf Basis einer Wirtschaftlichkeitsberechnung die Verknüpfung einer professionellen Energieberatung mit baubiologischen Bau- und Sanierungsanforderungen und helfen bei der Beschaffung von Fördergeldern.

Gesundheitlich relevante Kriterien sollten im Interesse der Gesundheitsvorsorge ganz besonders unter die Lupe genommen werden. Hierfür sind Baubiologische Messtechniker*innen IBN besonders qualifiziert. Sie untersuchen, messen und protokollieren gesundheitliche Risikofaktoren und geben individuell sinnvolle Ausführungs- und Sanierungsempfehlungen.

Bei allen Argumenten bleibt die Tatsache, dass man sich in eine alte Immobilie verlieben kann, sie ästhetisch besonders reizvoll und/oder aus städtebaulichen, denkmalpflegerischen und historischen Gründen besonders wertvoll sein kann. Oft lohnt es sich deshalb, trotz evtl. Mehrkosten ein altes Gebäude zu erwerben und zu sanieren und bei Bedarf durch einen Anbau oder eine Aufstockung zu erweitern.

Leser-Interaktionen

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  1. Sehr geehrter Herr Schneider,

    sehe ich ganz genauso, Vielen Dank für diesen Artikel!

    Mit freundlichem Gruß
    Wolfgang Keierleber
    (Freier Architekt, Tübingen)

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